Nach dem Verlust der syrischen Versorgungswege könnte der Iran versuchen, Waffen per Schiff in den Libanon zu transportieren und mithilfe der Al-Qaida Einfluss in Syrien zu gewinnen.
Yaakov Lappin
Die Waffenlieferungen des Irans über Syrien an die libanesische Hisbollah wurden durch den Sturz von Präsident Baschar al-Assad unterbrochen, was laut Beobachtern in Israel einen beispiellosen strategischen Rückschlag für Teheran und seinen libanesischen Terror-Stellvertreter darstellt.
Zwei Faktoren
Der Forschungsleiter Tal Beeri vom Alma Center, der auf die Sicherheitsherausforderungen Israels aus dem Norden spezialisiert ist, sprach Anfang dieser Woche »von einem sehr, sehr bedeutenden Schlag« für die iranische Versorgungskette der Hisbollah.
Einer der wesentlichsten Gründe für diese erste Einschätzung sei, dass das einst von Assad kontrollierte syrische Gebiet als Hauptkanal für den Transport von Waffen in den Libanon diente. »Praktisch alle Waffen für die Hisbollah wurden durch diesen Korridor geschleust«, der Land-, See-und Luftwege – möglicherweise auch über den russischen Luftwaffenstützpunkt Khmeimim – umfasste, die sich vom iranischen Hafen Bandar Abbas bis nach Nordwestsyrien erstreckten, hauptsächlich bis zum Hafen von Banias, von wo aus die Waffen zu den Depots im Landesinneren geliefert wurden.
»Auf diese Weise haben die Iraner Waren in den Libanon gebracht. Jetzt wurde der Zugang zu syrischem Boden effektiv abgeschnitten«, sagte Beeri. »Letztendlich liegt die Kontrolle des Landes in den Händen der Rebellengruppen und der Kurden, die übrigens ganz Ostsyrien beherrschen, einschließlich der Landzugangswege. Daher ist es Teheran derzeit nicht möglich, Waffen über Syrien an die Hisbollah zu liefern.«
Der zweite Faktor seien die groß angelegten Luftangriffe der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), die das gesamte syrische Militär und seine Waffenlager ins Visier genommen haben: Dies habe »eine schnelle Übergabe relevanter Waffen an die Hisbollah in letzter Minute verhindert«.
Beeri warnte jedoch, der Iran und die Hisbollah könnten sich an die neue Situation anpassen: »Ich schätze, dass sie neu kalkulieren und neue Anstrengungen unternehmen werden, möglicherweise durch den Versuch, Waffen direkt in den Libanon zu transportieren, und zwar auf dem Luft- oder Seeweg. Solche Bemühungen könnten dazu führen, dass Schiffe und Flugzeuge aus dem Iran über Drittländer in den Libanon kommen, um zu versuchen, den israelischen Geheimdienst zu täuschen.«
Darüber hinaus verwies der Analyst auf das Faktum, dass »Geld oft die Ideologie übertrumpft«. Die Iraner könnten versuchen, Verbindungen zu Rebellengruppen herzustellen und diese zu bezahlen, um den Waffenkorridor wieder aufzubauen.
Große Skepsis
Nach dem Präsidenten der Reichman-Universität und Gründer des Internationalen Instituts für Terrorismusbekämpfung Boaz Ganor deute die Biografie des unter dem Kampfnamen Abu Mohammed al-Julani bekannten Ahmad al-Sharaam, der die größte Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Sham anführt, »auf eine grundlegende Feindseligkeit gegenüber Israel hin. Seine langjährige Mitgliedschaft bei Al-Qaida und seine damalige Nähe zu deren Führern Abu Musab al-Zarqawi und Ayman al-Zawahiri könnten auf die zukünftigen Trends in Syrien unter seiner Herrschaft hindeuten«, und warnte, »nicht zulassen [zu] dürfen, dass die scheinbar pragmatische Position, die er in letzter Zeit vertritt, die Welt oder Israel in die Irre führt«.
Ganor ging auch auf die Versuche der Türkei ein, die Situation auszunutzen und ist überzeugt, dass Syrien ohne Hilfe eines oder anderer Länder nicht wird überleben können: »Diese Länder werden zum Schutzherrn des neuen Regimes und es besteht kein Zweifel daran, dass der Iran versuchen wird, die Feindseligkeiten der Vergangenheit mit den Rebellen zu überbrücken und durch großzügige Wirtschaftshilfe Beziehungen zu al-Julani aufzubauen, wobei er den antiisraelischen ideologischen gemeinsamen Nenner betonen und die religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten verschleiern wird.« Die syrischen Rebellengruppen sind größtenteils sunnitische Muslime, während der Iran schiitisch ist.
Ganor merkte zusätzlich an, dass Teheran über den Al-Qaida-Anführer Saif al-Adel, der nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte in Afghanistan im Iran Asyl erhalten hatte, Einfluss auf Al-Qaida nehmen könnte: »Wenn al-Julani zu seinen ideologischen Wurzeln der Terrororganisation Al-Qaida zurückkehrt, könnte der Einfluss des Irans stärker werden.« Dies könnte die Wiederherstellung des Waffenkorridors ermöglichen, finden der Iran und das neue syrische Regime eine gemeinsame Basis.
Am 13. Dezember berichtete die israelische Tageszeitung Israel Hayom, der Generalsekretär der Hisbollah, Naim Qassem, habe öffentlich die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Assad-Regimes eingeräumt, darunter der Verlust der militärischen Versorgungswege in Syrien, behauptete jedoch, die Hisbollah werde neue Wege suchen, um Waffen in den Libanon zu schmuggeln.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)