Iran: Jüdische Pilgerstätte soll in palästinensisches Konsulat verwandelt werden

Die Grabesstätte von Esther und Mordechai im iranischen Hamedan (imago images/Design Pics)
Die Grabesstätte von Esther und Mordechai im iranischen Hamedan (imago images/Design Pics)

Die militanten Bassidsch-Milizen fordern, dass die Begräbnisstätte der biblischen Königin Esther nicht weiter ein Ort für jüdische Pilger sein dürfe.

Wahied Wahdat-Hagh

Die iranische Nachrichtenagentur ISNA veröffentlichte am 7. Februar eine Erklärung der studentischen Organisation der Bassidsch-Miliz von Hamedan. Darin forderten die radikal-islamistischen Studenten die Umgestaltung des „Grabes von Esther und Mordechai in ein palästinensisches Konsulat.“

Das Grab von Esther und Mordechai ist Teil des iranischen Kulturerbes und als solches offiziell registriert, es ist eine jüdische Pilgerstätte und wird jährlich von Tausenden von Touristen besucht.

ISNA sprach infolge der Drohungen der Bassidsch-Studenten mit Ali Malmir, dem Direktor der Organisation für Kulturelles Erbe und Tourismus. Er bestätigte, dass „dieser Bau ein nationales Gebäude sei und in keiner Verbindung mit der Frage des palästinensischen Konsulats“ stehe. Malmir fügte ausweichend hinzu, dass das iranische Außenministerium für die Frage von Konsulaten zuständig sei.

ISNA konfrontierte daraufhin den Sprecher der studentischen Bassidsch von Hamedan, Tayeb Faryadras, mit den Positionen Malmirs. Faryadras erwiderte mit der Frage, ob nicht vielmehr die „Israelisierung von Jerusalem“ ein großes Problem sei – geht er doch davon aus, dass Jerusalem eine muslimische Stadt sei, die illegitim „israelisiert“ worden sei. Er fragte, warum denn die Organisation für Kulturelles Erbe und Tourismus des Iran „sich nicht um das kulturelle Erbe der islamischen Welt in Jerusalem und im Mittleren Osten“ kümmere. Es sei die US-Regierung gewesen, die gedroht habe „52 kulturelle Ziele im Iran anzugreifen.“ Er fügte hinzu, dass „wir auf jeden Fall auf die Angriffe auf unsere Ideale und unter anderem auf Angriffe auf Jerusalem reagieren werden.“.

Der Bassidsch-Sprecher unterstellte, dass der amerikanische Präsident Trump nur mit Blick auf seine Wiederwahl Jerusalem als Hauptstadt des „Besatzungsregimes“ Israels anerkannt habe. Er gab sich überzeugt, dass der von Trump präsentierte „Deal des Jahrhunderts mit Gewissheit scheitern“ werde, da es sich lediglich um einen „Deal zwischen Trump und Netanjahu“ handle.

Abschließend fügte Faryadras in Anspielung auf die schiitische Mythologie der Wiederkehr des 12. Imam Mahdi hinzu: „Der Auftakt der Wiederkehr ist die Befreiung Jerusalems“. Er schloss sich damit der messianischen und gleichzeitig eliminatorisch-antisemitischen Ideologie an, die Ayatollah Khomeini und Präsident Ahmadinejad gepredigt haben und die Ayatollah Khamenei, der oberste geistliche Führer des iranischen Regimes, heute noch vertritt.

Geschichte als Kampfgebiet

Das Grab von Esther und Mordechai gerät nicht zum ersten Mal ins Visier. Im Oktober 2017 berichtete die exiliranische christliche Nachrichtenagentur Mohabbat-News, dass während des schiitischen Aschura-Festes alle sechs Seitenwände des Schreins von Habakkuk, einer weiteren heiligen Stätte der iranischen Juden in Tuyserkan (ebenfalls in der Provinz Hamedan), mit schwarzen Bannern überdeckt worden seien, auf denen islamische Parolen zu lesen waren. Zudem sei der Davidstern, ein Steinrelief an der Eingangstür des Schreins von Esther und Mordechai, vorsätzlich zerstört wurden.

Im Juni 2011 forderte Farsnews, dass das Grab von Esther und Mordechai nicht weiter als eine Pilgerstätte dienen dürfe. Als Begründung lieferte die den Revolutionsgarden nahestehende Nachrichtenagentur die verdrehte Argumentation, dass Esther eine „verdorbene Jüdin gewesen sei, die für den Tod von 75.000 Iranern verantwortlich“ gewesen sei und dass das Purimfest ein „zionistisches“ Fest sei. Farsnews sprach von einem „iranischen Holocaust“, eine Argumentation, die der Relativierung der Ermordung der europäischen Juden dienen sollte.

Warum ist dem Regime aber gerade dieser Ort ein Dorn im Auge? Laut der gängigen Überlieferung soll er die die Begräbnisstätte der biblischen Königin Esther sein, der Ehefrau des achämenischen Königs Xerxes I. Er ist Zeugnis der 2500jährigen historischen und religiösen Verbindung des Judentums mit dem Iran – und als solches Teil einer iranischen Identität, die auf die vorislamische Zeit zurückgeht.

Die iranischen Behörden sind seit der islamischen Revolution bemüht, jeden Zusammenhang zwischen der iranischen Kulturgeschichte und dem Staat Israel zu leugnen. Dazu gehört, die Rolle dieser Pilgerstätte für die Juden herunterzuspielen. Dabei spielt Königin Esther in der jüdischen Geschichte eine bedeutende Rolle. Das jüdische Purimfest erinnert an die Rettung der Juden in der Diaspora durch den iranischen König Xerxes I. Im alttestamentlichen Buch Esther wird erzählt, wie ein Regierungsbeamte namens Haman versuchte, alle iranischen Juden hinrichten zu lassen – Haman gilt daher bis heute als Symbolfigur der Judenfeindschaft. Doch der König verhinderte den Massenmord an den Juden und ließ stattdessen Haman und Tausende seiner Anhänger töten, der Legende nach rund 75.000.

Es ist zu befürchten, dass der Druck auf die religiösen Minderheiten im Iran angesichts der Zuspitzung des Konflikts mit den Vereinigten Staaten und der fortdauernden Krise im Land weiter zunehmen wird. Die Forderung, das Grab von Esther und Mordechai in ein palästinensisches Konsulat umzuwandeln, weist auf die Gefahr hin, dass die religiösen Minderheiten als die schwächsten Glieder der Gesellschaft umso stärker bedrängt zu werden drohen, je mehr das Regime sich selbst durch äußeren und inneren Druck gefährdet sieht.

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