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Irans nukleare Zurückhaltung ist keine Frage mangelnder Technologie

Urananreicherungsanlage nahe der iranischen Stadt Isfahan
Urananreicherungsanlage nahe der iranischen Stadt Isfahan (Quelle: JNS)

Die jüngste Erklärung des Irans, zusätzliche Zentrifugen in der Atomanlage Fordo zu installieren, stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung nukleare Bewaffnung dar. Die momentane Zurückhaltung Teherans bei der Entwicklung von Atombomben ist eher auf politische Erwägungen als auf technologische Zwänge zurückzuführen.

Israel Kasnett

Am Mittwoch veranstaltete der Jerusalem Press Club ein Online-Interview mit dem ehemaligen hochrangigen Beamten der israelischen Atomenergiekommission und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Ephraim Asculai, der die internationale Gemeinschaft warnte, sich vor der Islamischen Republik und ihrer Führung in Acht zu nehmen: »Der Iran kann jetzt innerhalb weniger Wochen Uran bis zu neunzig Prozent anreichern, und zwar in Mengen, die für mehrere Atomsprengköpfe ausreichen«, so der Experte. »Alles hängt bloß von der Entscheidung des Obersten Führers ab.«

Diese Entwicklung ist besorgniserregend, erst recht, als der Iran erst unängst damit drohte, eine israelische Militäroperation gegen die Hisbollah-Terroristen im Libanon könnte zu einem »vernichtenden Krieg« mit sämtlichen Stellvertretern Teherans führen, weswegen »alle Optionen auf dem Tisch liegen«.

»Wenn man bedenkt, dass der Iran bereits zwei fortschrittliche IR-6-Kaskaden [an Zentrifugen zur Atomanreicherung] in Fordo besitzt und den wahrscheinlichen Fall betrachtet, dass er in den nächsten Wochen acht weitere installiert«, könnte dem in Washington ansässigen Institute for Science and International Security zufolge »der nukleare Ausbruch sehr schnell erfolgen, sobald das iranische Regime sich dazu entschließt«.

Zwei Monate nachdem die Islamische Republik die Schwelle zum nuklearen Ausbruch überschritten hat, »könnte sie insgesamt 225 Kilo waffenfähiges Uran produzieren, genug für neun Atomwaffen«, berichtete das Institut.

Asculai wiederum erklärte, dass die Anreicherung zwar der schwierigste Teil der Herstellung von Atomwaffen sei, es aber noch zwei weitere Schritte gebe: die Entwicklung und Herstellung des nuklearen Sprengmechanismus bzw. -kopfs und des Trägersystems. Viele Forscher gehen davon aus, dass der Iran in der Lage ist, einen nuklearen Sprengsatz herzustellen, und einige schätzen, dass Teheran, sobald Ayatollah Ali Khamenei dies beschließt, »innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung einen Sprengstofftest durchführen könnte«.

Kein Zugriff auf Waffenprogramm

Ephraim Asculai zufolge sind im Iran zwar IAEO-Inspektoren vor Ort, »aber sie haben nur sehr begrenzten Zugang. Sie haben Zugang zum Anreicherungs-, aber keinen zum Waffenprogramm. Sie haben zwar belastendes Beweismaterial, aber die Welt unternimmt nichts dagegen.« Der Ausbruch sei nur noch »eine Frage der Entscheidung. Der Iran ist ein nuklearer Schwellenstaat. Soweit haben sie es gebracht«, meinte Asculai, nach dessen Ansicht ein nuklear bewaffnetes Teheran mittlerweile »ein politisches und kein technisches Problem« mehr sei. »Der Iran hat das gesamte Know-how und die Fähigkeiten, um zu tun, was er will.«

Die Vereinigten Staaten könnten einen nuklear bewaffneten Iran verhindern, betonte Asculai: »Nehmen wir an, die USA wollen das iranische Atomprogramm dezimieren. Sie können es zwar tun, machen jedoch nicht den Eindruck, als würden sie es tun. Die Vereinigten Staaten werden das iranische Atomprojekt nicht angreifen und dezimieren.«

Israel und die Vereinigten Staaten einigten sich kürzlich darauf, ein auf höchster Ebene anberaumtes Treffen über die iranische Bedrohung neu anzusetzen, das abgesagt worden war, nachdem Israels Premierminister Benjamin Netanjahu die Regierung von Joe Biden beschuldigt hatte, Jerusalem Waffen vorzuenthalten, wie Axios berichtete.

Die Strategische Konsultativgruppe USA-Israel (SCG), die während der Obama-Regierung gebildet wurde, hat seit März letzten Jahres nicht mehr getagt, schrieb Axios, laut dem Israel auch wieder Arbeitsgruppen in verschiedenen Regierungsgremien einrichtet, um die nukleare Bedrohung durch den Iran zu erörtern, nachdem diese vor etwa achtzehn Monaten eingefroren worden waren. Die Initiative, die vom israelischen Nationalen Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi geleitet wird, setzt dem Bericht zufolge sechs Gruppen im Mossad, im israelischen Sicherheitsdienst (Shin Bet) sowie im militärischen Nachrichtendienst und im Cyberbereich wieder ein.

Asculai sagte, er glaube, dass die Welt »ihre Kräfte bündeln und Druck auf den Iran ausüben kann«, weil der Iran sich um seine internationale Position sorge und »ein angesehenes Mitglied der internationalen Gemeinschaft« sein wolle.

Europa aktiver als USA

Tatsächlich scheinen die europäischen Länder im Moment mehr zu unternehmen als die USA, um den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. So merkte Asculai an, dass die USA bei der bislang letzten Sitzung des Gouverneursrats am 3. Juni in Wien »sehr zögerlich« gewesen seien, sich der IAEO-Resolution anzuschließen. Die Regierung Biden hatte sogar versucht, die europäischen Bemühungen um eine Resolution gegen das iranische Regime zu blockieren.

Die Entscheidung Teherans, seine Urananreicherungskapazität in Fordo zu verdreifachen oder möglicherweise sogar zu vervierfachen, könnte eine Reaktion auf die Rüge des Gouverneursrats der IAEO sein, der die Islamische Republik aufforderte, sich den Anweisungen der IAEO zu beugen und die Inspektionen wieder aufzunehmen. Die Bemühungen wurden von den sogenannten E3 (Großbritannien, Deutschland, Frankreich) angeführt. Im Rahmen des als Iran-Atomabkommen bekannten Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans von 2015 (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) hatte sich die Islamische Republik verpflichtet, solch fortschrittliche Zentrifugen wie die geplanten IR-6 weder zu installieren noch zu betreiben und Fordo nicht für Anreicherungszwecke zu nutzen.

Die britische Botschafterin bei den Vereinten Nationen erklärte am Montag, London und andere europäische Staaten seien bereit, die Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen, sollte dieser sein Atomprogramm weiter vorantreiben. »Angesichts der gefährlichen Fortschritte des Irans, die ihn an den Rand der Entwicklung einer Waffe gebracht haben, sollte diese Situation für den Rat Anlass zu großer Sorge sein«, sagte Barbara Woodward auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die sich mit der Umsetzung des JCPOA befasste.

Ephraim Asculai kommentierte diese mit den Worten, der »diplomatische Weg könnte vielleicht zu einem positiven Ergebnis führen, aber dazu braucht es die Willenskraft vieler Nationen. Viele Dinge, die den Iran unter Druck setzen könnten, werden nicht getan. Die internationale Lage ist derzeit nicht gut.«

In Schwierigkeiten, aber nicht bankrott

Der israelische Experte stellte fest, dass das iranische Regime zwar innenpolitisch in Schwierigkeiten steckt, weil »die Menschen die Nase voll von der Regierung haben«, es aber »nicht bankrott«, sondern »immer noch mächtig ist und der Welt großen Schaden zufügt«. So finanziert der Iran beispielsweise nach wie vor seine Stellvertreter, die Hisbollah im Libanon oder die Huthi im Jemen, und versorgt sie mit Waffen. Von Russland, so Asculai, erhalte der Iran Finanzmittel als Gegenleistung für Waffen wie Drohnen, die Moskau für seinen Krieg in der Ukraine braucht.

Auch das Institute for Science and International Security bestätigte, dass sich »der Transfer von Waffentechnologie vom Iran nach Russland in großem Umfang entwickelt« hat, wie die am Institut tätigen Experten David Albright und Spencer Faragasso in einem Bericht festhalten. »Der Ukraine-Krieg hat Russland dazu veranlasst, Waren aus dem Iran zu kaufen, darunter auch für 1,75 Mrd. Dollar Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed 136 und das Know-how zu deren Produktion.«

Unabhängig davon, was der Iran tut oder sagt, riet Asculai der internationalen Gemeinschaft, im Umgang mit dem Regime vorsichtig zu sein. »Alle sagen, die iranische Regierung sei rational, aber die Vernunft der iranischen Regierung ist nicht die Vernunft anderer Regierungen. Ich würde mich vor ihnen in Acht nehmen.«

(Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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