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Die unbekannte Geschichte des Iran-Kriegs: Wie Israel das Undenkbare unternahm 

Israelische F-15-Kampfjets kurz vor dem Start zu ihrem Einsatz im Iran
Israelische F-15-Kampfjets kurz vor dem Start zu ihrem Einsatz im Iran (Quelle: JNS)

Sorgfältige Planung und eine meisterhafte Kampagne mit Unterstützung der USA täuschten Teheran und ließen das iranische Regime glauben, sicher zu sein. 

Itay Ilnai

Anfang Januar traf sich ein israelischer Beamter mit Israels Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer im achten Stock des Büros des Premierministers in Jerusalem. Eine Woche später traf derselbe Beamte den damaligen Stabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), Herzi Halevi, im vierzehnten Stock des Generalstabsgebäudes in der Militärzentrale Kirya in Tel Aviv. Aus beiden Treffen ging der Beamte mit einer klaren Erkenntnis hervor: Israel hatte den Rubikon überschritten – ein Angriff auf den Iran war nur noch eine Frage der Zeit.

Sechs Monate später ermöglichte die Synergie zwischen dem achten und dem vierzehnten Stock – den politischen und militärischen Führungsetagen – die Durchführung eines Präventivschlags am Freitag, dem 13. Juni. Die militärische Option gegen den Iran, die seit mindestens einem Jahrzehnt auf dem Tisch lag, wurde mit perfektem Timing und politischer Zustimmung umgesetzt.

Voraussetzungen

Als die IDF die Details des bevorstehenden Angriffs auf den Iran finalisierten, wurde den Planern klar, dass sie die Libanon-Strategie wiederholen mussten: Ein konzentrierter, überraschender Schlag, um den Feind aus dem Gleichgewicht zu bringen, eine Art »Dahieh-Doktrin 2.0« in Anlehnung an die systematische Bombardierung der Hisbollah-Hochburg im Libanon während des Zweiten Libanonkriegs im Jahr 2006 und danach. »Der Unterschied ist, dass wir bei der Hisbollah zehn Tage gebraucht haben, beim Iran haben wir es mit dem ersten Schlag innerhalb einer Stunde geschafft«, so ein informierter Beamter.

Pläne für eine auf dessen Nuklearanlagen abzielende Konfrontation mit dem Iran waren innerhalb des Verteidigungsapparats seit Jahren in Entwicklung und prägten den Aufbau der IDF in den letzten zwei Jahrzehnten. Doch in typisch israelischer Manier wurden diese Pläne in letzter Minute verworfen, um einer kühnen, kreativen und schnell ausgearbeiteten neuen Strategie Platz zu machen. »In Wirklichkeit haben wir mit der operativen Planung für den Angriff in seiner jetzigen Form erst im Oktober 2024 begonnen«, bekannte ein mit den Details vertrauter Beamter. »Damals wurde uns klar, dass die IDF sich nicht nur auf einen gezielten Schlag gegen den Iran vorbereiten mussten, sondern auf eine ganze Kampagne.«

Bis vor Kurzem hielten selbst hochrangige Verteidigungsbeamte die Idee eines Angriffs auf den Iran für zu weit hergeholt und für einen Plan, der nur ein Plan bliebe. Doch drei Monate im Herbst 2024 haben diese Sichtweise völlig verändert. Drei israelische Angriffe im September: die Operation Pager, die Luftangriffe zur Neutralisierung der Raketen der Hisbollah und die erfolgreiche Eliminierung der Führung der Gruppe inklusive deren langjährigen Generalsekretär Hassan Nasrallah schwächten die Hisbollah erheblich, sodass sie Ende Novemeber einem Waffenstillstand zwischen Israel und dem Libanon zustimmen musste.

Jerusalem habe »immer gesagt, dass Israel keine Grenze zum Iran hat, aber der Iran hat eine Grenze zu Israel: die Hisbollah, die an den [Grenz-]Zäunen steht und bereit ist, heftig zu reagieren, wenn wir angreifen«, sagte ein ehemaliger Militärbeamter. »Als diese Grenze einmal weg war, begann ein neues Spiel.«

Im Oktober führte die israelische Luftwaffe die Operation Days of Repentance durch, die erstmals groß angelegte Angriffe auf die iranischen Luftabwehrsysteme umfasste. Im November bestärkte die Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident die Befürworter eines Angriffs unter der Führung von Premierminister Benjamin Netanjahu in ihrer Haltung. Im Dezember diskutierten die höchsten Kreise Israels nicht mehr darüber, ob der Angriff stattfinden würde, sondern nur noch darüber, wann es soweit wäre.

Prozess der Zielvalidierung

Anfang der 2020er Jahre wurde die Geheimdienstabteilung der israelischen Streitkräfte (IDF Intelligence Directorate) strukturell umgestaltet, wobei Ressourcen und Personal auf den Iran umgeleitet wurden. »Was Sie jetzt gesehen haben, ist das Ergebnis jahrelanger Bemühungen des Militärgeheimdienstes und der IAF [Israelischen Luftwaffe] im Iran«, sagte eine Quelle.

Der Prozess der Zielvalidierung, der vom Militärgeheimdienst und der IAF durchgeführt wurde, konzentrierte sich auf die drei zentralen Bereiche des iranischen Atomprogramms: die Raketenarsenale, die Urananreicherungsanlagen und die sogenannte Waffengruppe, die mit der Planung der Montage von Atomsprengköpfen auf ballistischen Raketen beschäftigt war. Dementsprechend wurden immer mehr Informationen über Abschussrampen, Lagerhäuser und Fabriken im iranischen Raketenarsenal gesammelt.

Raketensysteme und Anreicherungsanlagen stellten jeweils eigene Schwierigkeiten dar, doch die Geheimdienste identifizierten die Waffengruppe als die größte Herausforderung. Je tiefer die Geheimdienste vordrangen, desto klarer wurde, dass die Wissenschaftler selbst das Nadelöhr darstellten. »Wir erkannten, dass wir uns auf den Faktor Mensch konzentrieren mussten«, erklärte die Quelle. Bereits im Jahr 2020 wurde der Physiker Mohsen Fakhrizadeh, Leiter des iranischen Atomprogramms, in einer Operation auf iranischem Boden ermordet.

Der Erfolg des Angriffs auf die Hisbollah im September 2024, der Irans Stellvertretergruppe im Libanon destabilisierte und die Kampagne in Israels nördlichem Nachbarland praktisch entschied, inspirierte den israelischen Geheimdienst. Wochen später begannen diejenigen, die sich mit dem Iran befassten, darüber zu diskutieren, die Libanon-Strategie zu wiederholen und »Irans gesamte militärische Führung mit einem Schlag auszuschalten«.

Im Gegensatz zur Operation gegen die Atomwissenschaftler, bei der die Liste der Ziele im Laufe der Zeit eingegrenzt wurde, erweiterte der Geheimdienst sie hier. Was als Plan zur Tötung von ein oder zwei hochrangigen iranischen Funktionären begann, wurde auf den Kommandeur der Luftwaffe der Revolutionsgarde, den Oberbefehlshaber der Revolutionsgarde, den Stabschef und seinen Stellvertreter ausgeweitet. »Als die Idee aufkam, glaubte niemand, dass die Schläge simultan umgesetzt werden könnten«, sagte eine gut informierte Quelle. Aber der Geheimdienst blieb hartnäckig und bildete ein spezielles Team, das rund um die Uhr arbeitete. Die Ergebnisse wurden dem Geheimdienstchef Shlomi Binder vorgelegt und später an die IAF weitergeleitet.

In den letzten Monaten hielten Binder, IAF-Kommandeur Tomer Bar und der Chef der Operationsdirektion Oded Basyuk zahlreiche Treffen ab, um die Operation bis ins kleinste Detail abzustimmen. Mit der Zeit wuchs bei den drei Generälen und ihren Teams die Zuversicht, der ehrgeizige Plan könnte gelingen.

Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern, die in ihren Privathäusern ins Visier genommen wurden, war die »Operation Generäle« für ein gemeinsames Treffen der Sicherheitselite geplant. Um zu gewährleisten, dass sich alle Beteiligten an einem Ort versammelten, wurde eine ausgeklügelte Täuschungsoperation durchgeführt, deren Details noch jahrelang geheim bleiben werden.

Bemerkenswert ist, dass die Operationen gegen die Wissenschaftler und die Generäle fast gleichzeitig ausgereift waren. Das kleine Team von drei israelischen Generälen, das über beide Pläne vollständig informiert war, schloss diese in den letzten Wochen ab. Der erste Schlag war bereit.

Über die »Eliminierungsoperation« hinaus umfasste Israels Kriegsplan noch weitere Komponenten. Am meisten diskutiert wird in letzter Zeit die Luftüberlegenheit. Als die Pläne für einen Angriff auf die Anreicherungsanlagen entwickelt wurden, war klar, dass die IAF einen freien Weg nach Natanz und Fordo bräuchte. Die Iran-Abteilung der Forschungs- und Analyseabteilung des Geheimdienstes stellte umfangreiche Ressourcen für die Kartierung der überaus zahlreichen iranischen Luftabwehrsysteme bereit. Als diese kartiert waren, kamen der Geheimdienst und die IAF zu dem Schluss, nicht nur den Weg zu den Nuklearanlagen, sondern auch nach Teheran und darüber hinaus freimachen zu können. Der Begriff »Luftüberlegenheit im Iran« begann als Flüstern und entwickelte sich zu einer enthusiastischen Diskussion.

Anschein einer Spaltung

Ab Ende Mai, zwei Wochen vor dem Angriff, begann eine »Wahrnehmungsoperation«, um den Iran in dem Glauben zu wiegen, Israel würde so bald nicht angreifen. Sie wurde vom Büro des Premierministers orchestriert und umfasste die Weitergabe von Informationen an israelische Journalisten, insbesondere an solche, die nicht mit Netanjahu sympathisieren. Im Mittelpunkt der Operation standen die Atomgespräche zwischen dem Weißen Haus und Teheran, wodurch der Eindruck einer Spaltung zwischen den USA und Israel erweckt wurde.

Sechs Monate vor dem 7. Oktober 2023 bildete die IAF ein kleines Team aus Flugpersonal, hauptsächlich Reservisten, um den Weg zur Luftüberlegenheit zu planen. Das Team erhielt eine ständig wachsende Liste mit Standorten iranischer Luftabwehrbatterien und wichtige Geheimdienstinformationen von der Einheit 8200 des Geheimdienstes.

Das Team für die Luftüberlegenheit legte den Plan dem Luftwaffenkommandanten vor, der sich der Risiken bewusst, aber bereit war, einige Flugzeuge zu opfern, um die Mission zu erfüllen. »Das Ziel war, keine Verluste zu erleiden, aber die Politik des Luftwaffenkommandanten ließ einige Verluste zu, solange der Plan fortgesetzt wurde«, sagte die Quelle. »Glücklicherweise waren wir weit über den Erwartungen erfolgreich und haben kein einziges Flugzeug verloren. Ich glaube, es hat funktioniert, weil der Feind nicht damit gerechnet hat, dass Israel so zuschlägt. Es fehlte ihm an Übung, um auf diesen Moment vorbereitet zu sein.«

Skeptiker im Geheimdienst bezweifelten, dass die Luftwaffe in der Lage sein würde, die Lufthoheit ohne Verluste zu erlangen. »Als wir anfingen, schien es unmöglich«, sagte eine andere Quelle, die mit der Operation vertraut war. »Die iranischen Luftabwehrsysteme sind sowohl hochwertig als auch zahlreich. Man muss sie schnell neutralisieren, sonst sterben israelische Piloten im Iran.«

Letztendlich wurde die Mission in nur 36 Stunden und ohne Verluste erfüllt. In der ersten Nacht wurden dreißig iranische Luftabwehrbatterien und eine zweistellige Anzahl von Radarsystemen zerstört. »Das war die größte Luftüberlegenheitsoperation der Geschichte«, sagte eine mit den Details vertraute Quelle. Der Mossad schloss sich in den letzten Monaten an und setzte Drohnen ein, die von lokalen Agenten im Iran gesteuert wurden, um weitere Luftabwehrbatterien anzugreifen.

Zwar hätten die Operationen gegen die Atomwissenschaftler und die Generäle auch ohne Luftüberlegenheit durchgeführt werden können, doch die Kontrolle der Luftwaffe über den iranischen Luftraum erleichterte die Angriffe auf Natanz, Raketenstellungen und andere Nuklearanlagen erheblich. Außerdem ermöglichte sie eine umfassende Jagd auf ballistische Raketenwerfer, da durch die Zerschlagung der iranischen Luftabwehr mehr Drohnen ungehindert von Israel aus bis nach Teheran operieren konnten. »Das bedeutet, dass man Militärgerät westlich von Teheran aus in großem Stil zerstören und so den Raketenbeschuss auf Israel drastisch reduzieren kann«, sagte eine gut informierte Quelle. »Anstatt Hunderten von Raketen am ersten Tag sahen wir uns nur Dutzenden gegenüber. Das ist eine entscheidende Wende, die den Druck und die Belastung für Israel verringert.«

Vorbereitungen seit zwanzig Jahren

Ein weiterer Bestandteil, der im Laufe der Zeit sorgfältig aufgebaut wurde, war die Verteidigung in Israel selbst. »Ohne Verteidigung kann man nicht angreifen«, sagte der ehemalige Luftverteidigungskommandeur und Leiter des Arrow-Raketenprogramms Ran Kochav. »Die Vorbereitungen für einen Krieg mit dem Iran auf der defensiven Seite begannen vor zwanzig Jahren. Das war die Referenzbedrohung, auf die wir uns vorbereitet haben, indem wir ein mehrschichtiges Luftverteidigungssystem aufgebaut und gemeinsame Übungen mit dem US-Zentralkommando durchgeführt haben.«

Tatsächlich bestätigen IAF-Offiziere, dass Luftverteidigung und Luftüberlegenheit zwei Komponenten sind, die ohne die volle Zusammenarbeit mit Washington nicht hätten erreicht werden können. Die letzten Komponente des israelischen Kriegsplans gegen den Iran waren »die Amerikaner«, wie ein mit dem Kriegsplan vertrauter Beamter sagte. »Der Plan wurde zwar ohne sie erstellt, aber ohne ihren Rückenwind war er nicht umsetzbar.«

Kurz nach Donald Trumps Amtseinführung im Januar 2025 erreichten Netanjahu Nachrichten aus dem Umfeld des US-Präsidenten, dass dieser sich nicht entschieden gegen die Umsetzung der militärischen Option aussprechen würde, sollten die Atomgespräche mit Teheran ins Stocken geraten. Trump hob Berichten zufolge auch Beschränkungen für den Austausch von Geheimdienstinformationen auf, darunter auch den Zugang zu US-Satelliten und Radarsystemen.

Der US-Präsident verpflichtete sich zwar nicht, sich an dem Angriff zu beteiligen, doch mehrere israelische Beamte bestätigen, dass er »tief in den inneren Kreis« eingebunden war. »Volle Koordination«, beschrieb es einer. Trump beteiligte sich auch an der Täuschungsoperation in den Tagen vor dem Überraschungsangriff.

Vor dem 13. Juni verbreiteten Quellen gegenüber israelischen Journalisten weiterhin die Darstellung, ein Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran sei bereits im Zustandekommen und der Präsident einen israelischen Angriff entschieden ablehne. »Diese Informationen wurden den Journalisten geradezu mit dem Löffel gefüttert, anders als in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit«, sagte ein Journalist.

Eine Untersuchung der israelischen Tageszeitung Israel Hayom ergab, dass einige irreführende Nachrichten an die israelischen Medien direkt von Netanjahus Sprechern stammten. Das Büro des Premierministers dementierte keine Zitate aus Gesprächen zwischen Trump und Netanjahu, die darauf abzielten, einen Konflikt zwischen den USA und Israel zu suggerieren. Ein mit dem Amt vertrauter israelischer Beamter sagte: »Israel hat den Iran mit psychologischen Manövern überrascht. Das Ziel war, die iranische Führung glauben zu machen, dass es keinen Angriff geben würde oder dass er, falls doch, nicht unmittelbar bevorstünde.«

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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