Iran: Nicht Sanktionen verursachen Medikamentenknappheit, sondern die Korruption

Irans Gesundheitsminister Saeed Namaki und Präsident Hassan Rohani
Irans Gesundheitsminister Saeed Namaki und Präsident Hassan Rohani (© Imago Images / Poolfoto)

Während iranische Funktionäre im Westen gerne den Trumpf einer Schuld durch Sanktionen ausspielen, sehen die die realen Verhältnisse im Land anders aus.

Alireza Nader, FDD

Der iranische Präsident Hassan Rohani erklärt, dass die neuen Sanktionen gegen 18 iranische Banken Teil der bewussten Bemühungen der USA sind, Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit im Iran zu verursachen. Das ist eine Behauptung, die das Teheraner Regime seit Jahren aufstellt – nicht, weil es Beweise dafür gäbe, sondern weil westliche Journalisten allzu oft nicht über die wirklichen Ursachen der Missstände im Iran berichten und stattdessen die Erklärungen des Regimes übernehmen, dass die Sanktionen schuld seien.

Noch bevor Rohani seine jüngste Behauptung aufstellte, veröffentlichte Bloomberg einen Artikel mit dem Titel: „US-Sanktionsplan für den Iran gefährdet Medikamenten- und Lebensmittelimporte“. Der wichtigste Grund für diese Leichtgläubigkeit ist, dass die westlichen Beobachter selten darauf achten, dass das, was hohe iranische Funktionäre ihrem inländischen Publikum erzählen, oft den für den Auslandskonsum bestimmten Botschaften diametral widerspricht.

Gesundheitsminister Saeed Namaki hat immer wieder erklärt, dass es dem Iran gut geht, was die Versorgung mit Medikamenten anbelangt. Auf dem Höhepunkt der Pandemie sagte Namaki: „Obwohl es angesichts der Sanktionen schwierig ist, das Coronavirus zu bekämpfen, haben wir seit Beginn [des Ausbruchs] keinen Mangel an Medikamenten zu verzeichnen, die zur Behandlung dieser Krankheit benötigt werden.“

Während die US-Medien im Dezember letzten Jahres über den angeblichen Schaden der Sanktionen für die iranische Gesundheitsversorgung berichteten, verkündete Namaki, dass „trotz der Versuche des Feindes, eine Krise heraufzubeschwören, heute kein nennenswerter Mangel in den Bereichen medizinische Behandlung und Arzneimittel besteht“. Weiters sagte er, dass sich „der Mangel an Medikamenten im Vergleich zum letzten Jahr verringert“ und der Iran eine „strategische Reserve“ an Medikamenten für sieben Monate angelegt habe.

Namaki erklärte letztes Jahr auch, dass der Iran in der Produktion von Medikamenten zu 97 Prozent autark sei und plane, 100 Prozent zu erreichen. Tatsächlich exportiert der Iran sogar Medikamente in Länder in Europa, Afrika und Zentralasien.

In gewisser Hinsicht sollte dies nicht überraschend sein, da das US-Recht sicherstellt, dass die Sanktionen Washingtons gegen den Iran den Handel mit Lebensmitteln oder Medikamenten nicht unterbinden. Europäische Handelsdaten zeigen, dass die Arzneimittelimporte des Iran trotz der Wiedereinführung der Sanktionen im Jahr 2019 stabil geblieben sind. Und Vertreter des Regimes wie der Vorsitzende der Handelskammer Iran-Schweiz haben zugegeben, dass Mechanismen wie das Humanitäre Handelsabkommen der Schweiz die Einfuhr humanitärer Güter ohne Behinderung durch US-Sanktionen erlauben.

Warum gibt es also immer noch Engpässe? Namaki warnte die Abgeordneten des iranischen Parlaments, dass korrupte Netzwerke Medikamente auf dem Schwarzmarkt verkaufen, „Medikamente in Lagerhäusern horten und gefälschte Medikamente vertreiben“. Der Gesundheitsminister attackierte auch „ein hochkompliziertes Netzwerk“ innerhalb der iranischen Regierung, das für systematische Korruption und Diebstahl verantwortlich sei, darunter das Horten von „Millionen antiviraler Masken“.

Solche Probleme betreffen jeden Sektor der iranischen Wirtschaft. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International rangiert der Iran auf Platz 146 von 180 Ländern. Die Financial Action Task Force  (FATF)betrachtet den Iran als „Hochrisikoregion“ in Bezug auf Korruption, Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus. (…)

Der Stabschef von Rohani gab zu, dass mehr als eine Milliarde Dollar, die für die Einfuhr von Medikamenten und lebenswichtigen Gütern vorgesehen waren, einfach „verschwunden“ sei. Der stellvertretende Wirtschaftsminister Mehdi Mirasharrafi sagte, dass das Regime „Regierungsgelder für spezielle Chemotherapeutika zur Verfügung gestellt, stattdessen aber Trockeneis und narkotische Substanzen importiert“ hatte. (…)

Führende Politiker in den USA und in Europa sollten diese Korruption im Auge behalten, wenn Regimebeamte wie Außenminister Javad Zarif versuchen, die Schuldkarte gegenüber dem Westen auszuspielen, um die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen.

Das Regime weiß, dass es sich einer existenziellen Bedrohung durch eine Bevölkerung gegenübersieht, die von Bestechung, Unterdrückung und religiöser Intoleranz genug hat. Um den Aban-Aufstand im Jahr 2019 niederzuschlagen, musste das Regime extreme Gewalt anwenden, was den Tod von schätzungsweise 1.500 Demonstranten zur Folge hatte. Unterdessen wird der tägliche Verlust an Menschenleben durch COVID-19 wegen der Vertuschung und Inkompetenz des Regimes nur noch schlimmer.

(Aus dem Artikel Corruption, Not Sanctions, Is Causing Medicine Shortages in Iran“, der bei der Foundation for Defense of Democracies erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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