In der Zwischenzeit führt der Zusammenbruch des syrischen Regimes zu Wut, Streit und Konflikt unter den führenden Funktionären der Islamischen Revolutionsgarde des iranischen Regimes.
Der Oberste Führer des Irans Ayatollah Ali Khamenei behauptete laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA, Teheran besitze Beweise dafür, dass die Vereinigten Staaten und Israel den Zusammenbruch des syrischen Baath-Regimes inszeniert hätten. Khameneis Äußerungen erfolgten nur wenige Tage nachdem der syrische Präsident Baschar al-Assad nach der schnellen Eroberung von Damaskus durch Oppositionskräfte unter der Führung von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und ihrem Anführer Abu Mohammad al-Julani nach Moskau geflohen war, was das Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie markierte.
»Es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass das, was in Syrien passiert ist, das Ergebnis eines gemeinsamen amerikanischen und zionistischen Plans ist«, sagte Khamenei laut IRNA und merkte an, dass zwar ein Nachbarland, womit er vermutlich die Türkei meinte, eine offensichtliche Rolle in der Situation in Syrien gespielt habe, die Hauptverantwortung jedoch bei den westlichen Mächten liege.
»Ja, das Nachbarland Syriens hat in dieser Angelegenheit eine klare Rolle gespielt und tut dies auch weiterhin, das ist für alle offensichtlich. Aber der Hauptverschwörer, der Hauptplaner und der zentrale Kommandoraum befinden sich in den Vereinigten Staaten und im zionistischen Regime. Wir haben Beweise. Diese Beweise lassen keinen Raum für Zweifel.«
Diese Erklärung ist die erste offizielle Reaktion des Irans auf den Sturz des Assad-Regimes, das während des gesamten syrischen Bürgerkriegs von Teheran militärisch und finanziell unterstützt wurde.
Interner Streit
Gleichzeitig geben sich iranische Militärs gegenseitig die Schuld für den Sturz des ehemaligen syrischen Diktators, wie der britische Telegraph am Dienstag meldete. Dem Bericht zufolge beschuldigten sich Mitglieder des Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) untereinander »mit wütenden Worten«, für den Sturz eines Eckpfeilers von Khameneis »Achse des Widerstands« verantwortlich zu sein.
Die Atmosphäre sei so, als wären sie kurz davor, »sich gegenseitig zu prügeln«. Auch von »gegen die Wände schlagen, sich anschreien und gegen Mülleimer treten« war in der Aussage des anonym bleibenden Funktionärs die Rede. »Sie beschuldigen sich gegenseitig und niemand übernimmt die Verantwortung. Niemand hätte sich vorstellen können, dass Assad fliehen würde, da der Fokus zehn Jahre lang nur darauf lag, ihn an der Macht zu halten. Und das nicht, weil wir in ihn verliebt waren, sondern weil wir die geografische Nähe zu Israel und der Hisbollah aufrechterhalten wollten.«
»Der oberste General des Irans warnte, dass die jüngste Zunahme terroristischer Aktivitäten in Syrien Teil eines amerikanisch-israelischen Plans sei, die syrische Regierung und ihre Verbündeten in der Achse des Widerstands zu schwächen«, hieß es unter Bezug auf Revolutionsgarde-Kommandeur Hossein Salami in der vergangenen Woche bei IRNA.
Der Sturz des Assad- Regimes stellt für den Iran auch insofern einen Rückschlag dar, als Syrien die Hauptroute für die Waffenlieferungen Teherans an die Hisbollah darstellte. »Man braucht dort jemanden, der Waffen liefert, aber entweder werden sie getötet oder müssen fliehen. Jetzt liegt der Fokus darauf, wie man aus dieser Sackgasse herauskommt«, so ein weiterer IRGC-Funktionär gegenüber dem Telegraph. »Im Moment gibt es keine Diskussionen über Waffen, da jeder versucht zu verstehen, was wirklich passiert und wie gefährlich das für den Iran ist.«
Wird Ghaani ersetzt?
Laut dem Telegraph geben viele IRGC-Funktionäre Esmail Ghaani, dem Kommandeur der IRGC-Auslandseinheit Quds-Truppe, die Hauptschuld, weil er den Zusammenbruch der syrischen Streitkräfte zugelassen habe: »Er hat nichts unternommen, um zu verhindern, dass die Interessen des Irans zerfallen. Die Verbündeten fielen einer nach dem anderen, und er sah von Teheran aus zu. Es könnten noch schlimmere Tage kommen«, befürchtet eine der zitierten Quellen.
Laut Telegraph gebe es auch Gerüchte, Kahmenei könnte Esmail Ghaani wegen internen Drucks ersetzen. »Die Situation ist bizarr und hitzig und es finden wütende Diskussionen statt. Die andere große Sorge ist, was man den Anhängern im Iran sagen soll«, sorgt sich der Telegraph-Informant und konstatierte, dass der Iran gegenwärtig so schwach wie nie zuvor sei und »das Widerstandsprojekt fast nicht mehr existiert. Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass wir uns in der schwächsten und verletzlichsten Position seit zehn Jahren befinden, und viele erkennen das.«