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Iran in der EU: Spionage und Waffenbeschaffung in großem Stil

Der Iran betreibt in der EU Spionage im großen Stil
Der Iran betreibt in der EU Spionage im großen Stil´ (© Imago Images / Rainer Unkel)

Laut den Erkenntnissen deutscher und anderer europäischer Geheimdienste, die diese in den letzten Wochen und Monaten in ihren jeweiligen Jahresberichten der Öffentlichkeit bekannt gemacht haben, sind die Geheimdienste des Iran in der Europäischen Union im großen Stil aktiv.

Dabei spioniert er Firmen und Personen aus, beschafft sich Material für das iranische Atomraketenprogramm (Proliferation) und bereitet Mordpläne u.a. gegen Exiliraner vor, wie der Europakorrespondent der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, in der israelischen Tageszeitung in mehreren Beiträgen als erster über das Thema berichtete.

„Proliferationsrelevante Staaten wie Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan“ seien „bemüht, ihr konventionelles Waffenarsenal durch die Herstellung beziehungsweise ständige Modernisierung von Massenvernichtungswaffen zu ergänzen“, heißt es im kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2020 des Landes Bayern (die Jahreszahl bezeichnet bei deutschen Verfassungsschutzberichten immer den Berichtszeitraum; veröffentlicht werden die Berichte im Frühjahr oder Sommer des Folgejahres).

In Deutschland …

Um sich das „dafür notwendige Know-how und entsprechende Bauteile zu beschaffen“, versuchten diese Staaten, „Geschäftskontakte zu Unternehmen in Hochtechnologie-Staaten wie Deutschland herzustellen“, so die Autoren des Berichts.

Weil die „strenge Gesetzgebung und die wirksamen Exportkontrollen“ in Deutschland der „Beschaffung einschlägiger Güter hohe Hürden“ setzten, griffen Staaten wie der Iran fortlaufend zu neuen Beschaffungsmethoden, „um geltende Exportkontrollverfahren zu umgehen und deutsche Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen zu täuschen“:

„Dazu gründen sie häufig Tarnfirmen, versenden die Produkte über Drittstaaten oder machen falsche Angaben gegenüber dem Hersteller oder Händler. So minimieren sie das Risiko, dass die illegale Ausfuhr aufgedeckt wird und versuchen die Verhängung eines Ausfuhrverbots zu umgehen.“

Etwas detaillierter berichtet das Landesamt für Verfassungsschutz in Niedersachsen über diese Beschaffungsstrategien. Unter „Einbeziehung ihrer Geheimdienste“ versuchten Staaten wie Iran, Nordkorea, Pakistan und Syrien, Produkte zu erwerben, „die den Fortbestand und die Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Waffenbestände gewährleisten“. Häufig geschehe dies, indem sie einen angeblich zivilen Einsatzzweck vorspiegelten:

„Im Mittelpunkt stehen dabei solche Ausfuhrprodukte, die als sogenannte Dual-use-Güter sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich Anwendung finden können. Ziel ist, bei dem Erwerb solcher Güter eine militärische Nutzung durch die Beschaffung für einen vermeintlich zivilen Einsatzzweck zu verschleiern.

Durch den Einsatz von Tarnfirmen bzw. -organisationen sowie durch falsche Angaben über die Ware selbst, ihren tatsächlichen Bestimmungsort und -zweck ist es oftmals sehr aufwändig, geheimdienstlich gesteuerte Beschaffungsaktivitäten zu erkennen.“

Laut dem Verfassungsschutzbericht 2020 des Landes Berlin betreibt der iranische Geheimdienst in Deutschland auch Cyberspionage gegen Wirtschaftsunternehmen:

„Zuletzt ist eine große Cyberangriffskampagne festgestellt worden, in der Mitarbeiter deutscher Firmen mittels Spear-Phishing-E-Mails gefälschte Jobangebote erhielten. Bei Ausführung der entsprechenden Anwendungen konnte unbemerkt eine Schadsoftware auf den Rechner geladen werden.“

Als Motiv vermuten die Autoren des Berichts „ein grundsätzliches Interesse“ des Iran „an der Erlangung politischer und wirtschaftlicher Informationen“ sowie die „Umgehung der bestehenden Sanktionen gegen den Iran“. Sie warnen, dass diese Spionage „große finanzielle, volkswirtschaftliche und politische Schäden“ nach sich ziehen könne.

Vor diesem Hintergrund gebe es „in der deutschen Cybersicherheitsarchitektur eine enge Zusammenarbeit verschiedener Behörden“. Zur „Intensivierung und Koordination dieser Zusammenarbeit“ sei bereits 2011 das „Nationale Cyber-Abwehrzentrum“ (Cyber-AZ) gegründet worden, in dem auch das Bundesamt für Verfassungsschutz vertreten sei.

… und der EU

Von den Versuchen des iranischen Regimes, die für seinen Atombombenbau nötigen Zutaten in der EU zu besorgen, wissen auch die Geheimdienste anderer EU-Staaten.

Die niederländischen Geheimdienste MIVD (Militaire Inlichtingen- en Veiligheidsdienst) und AIVD (Algemene Inlichtingen- en Veiligheidsdienst) berichten, dass Länder „wie Syrien, Pakistan, Iran und Nordkorea“ im vergangenen Jahr versucht hätten, „an Wissen und Güter zu kommen, die sie für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen benötigen“ und „solche Güter und Technologien in Europa und den Niederlanden zu beschaffen“. Weiter heißt es:

„Diese Netzwerke sind sehr aktiv und nutzen in europäischen Ländern Zwischenhändler und Spediteure aller Art.“

Dank der „Intervention von MIVD und AIVD“ seien im vergangenen Jahr „mehrere Beschaffungsversuche“ in den Niederlanden vereitelt worden.

Auch in Skandinavien versucht der iranische Geheimdienst, Know-how für sein Atomwaffenprogramm zu stehlen. Im Jahresbericht des schwedischen Nachrichtendienstes Säkerhetspolisen heißt es:

„Der Iran betreibt auch Industriespionage, die sich in erster Linie gegen die schwedische Hightech-Industrie und schwedische Produkte richtet, die in Atomwaffenprogrammen verwendet werden können. Der Iran investiert hierfür große Ressourcen und ein Teil der Ressourcen wird in Schweden verwendet.“

Militärspionage

Der Verfassungsschutzbericht 2020 des Landes Niedersachsen befasst sich auch mit dem Eindringen des iranischen Geheimdienstes in die deutsche Bundeswehr.

So habe etwa der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz am 23. März 2020 einen 51 Jahre alten Zivilangestellten der Bundeswehr wegen Landesverrats in einem besonders schweren Fall (§ 94 Abs. 1, 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Gegen seine mitangeklagte Ehefrau verhängte der Senat wegen Beihilfe zum Landesverrat (§§ 94 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Verfassungsschützer führen aus:

„Das Gericht hat es als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte in einer Kaserne in Daun (Rheinland-Pfalz) als Übersetzer Staatsgeheimnisse militärischer Art an Mitarbeiter eines iranischen Nachrichtendienstes weitergab. Seine Ehefrau hat ihn bei dieser Verratstätigkeit unterstützt.“

Konkret habe sich der Angeklagte

„spätestens ab dem 28.01.2013 in mindestens acht Fällen mit Verbindungsleuten eines iranischen Nachrichtendienstes in verschiedenen europäischen Städten getroffen, um Informationen, die er auf Datenträgern gespeichert hatte (z. B. Lagepläne der Bundeswehr über militärische Situationen und Analysen des Bundesministeriums der Verteidigung zu bestimmten Ländern und Themengebieten), weiterzugeben.“

Staatsterrorismus

Auch vom iranischen „Staatsterrorismus“ ist im Verfassungsschutzbericht des Landes Niedersachsen die Rede. Als „Staatsterrorismus“ definiert ist laut dem Bericht „der von Staaten ausgeübte oder gesteuerte Terrorismus bei der Verfolgung ihrer außen- oder innenpolitischen Ziele“.

Konkret handele es sich „um Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit“, „wenn anzunehmen ist, dass die Tat durch eine oder im Auftrag einer fremden Macht begangen worden ist“. Der niedersächsische Verfassungsschutz geht davon aus,

„dass der iranische Geheimdienst ‚Ministry of Intelligence and Security’ (MOIS) und die operativ tätige Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarden (Quds Force) in diesem Zusammenhang auch mögliche Zielpersonen in Europa und auch Deutschland ausforschen.“

Bestätigt worden seien die Aktivitäten der Quds Force in Deutschland bereits am 27. März 2017 durch ein Urteil des Kammergerichts Berlin gegen einen pakistanischen Staatsangehörigen:

„Dieser hatte nach Feststellung des Gerichts im Auftrag der ‚Quds Force’ unter anderem den damaligen Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ausgespäht und war deswegen zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden.“

Deutsche Medien haben damals über diesen Fall und andere Fälle von iranischem Staatsterrorismus berichtet.

Die Autoren des niedersächsischen Verfassungsschutzberichtes verweisen zudem auf das Urteil eines Gerichts in Dänemark vom 26. Juni 2020 gegen einen norwegischen Staatsangehörigen iranischer Abstammung.

Der Angeklagte wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er im Auftrag eines iranischen Nachrichtendienstes einen in Dänemark lebenden Aktivisten der separatistischen Unabhängigkeitsbewegung „Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz“ (ASMLA) ausgespäht haben soll, wodurch dessen Tötung durch einen iranischen Geheimdienst ermöglicht werden sollte. Das Fazit des niedersächsischen Verfassungsschutzberichts:

„Trotz der Enttarnung mutmaßlicher iranischer Anschlagsplanungen ist davon auszugehen, dass iranische Geheimdienste auch zukünftig nicht auf staatsterroristische Aktionen im Europa verzichten werden.“

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