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Iran: Hinrichtung für ein freies Internet

Das iranische Regime schränkt die Internet-Nutzung seiner Bevölkerung ein
Das iranische Regime schränkt die Internet-Nutzung seiner Bevölkerung ein (© Imago Images / NurPhoto)

Der Iran hat ein Gesetz verabschiedet, das der Bevölkerung die Nutzung von Satelliten-Internetgeräten untersagt. Verstöße dagegen werden mit Gefängnisstrafen bis hin zur Todesstrafe geahndet.

Während die meisten Länder weltweit einen breiteren, freieren und gerechteren Zugang zum Internet anstreben, hat die Islamische Republik Iran den umgekehrten Weg eingeschlagen: Im heurigen Sommer hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das nicht nur die Nutzung von Satelliten-Internetgeräten untersagt, sondern unter bestimmten Umständen auch Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren bis hin zur Todesstrafe für die illegale Nutzung vorsieht. Der Iran ist nun, neben Nordkorea, einer der wenigen Staaten, die den freien Zugang zum Internet nicht als Recht, sondern als politisches und sicherheitspolitisches Verbrechen definiert.

Dieses »Gesetz zur Verschärfung der Strafen für Spionage und Zusammenarbeit mit Israel« wurde am 22. Juni beschlossen und trat nach der Zustimmung durch den Wächterrat als nationales Gesetz in Kraft. Artikel 5 besagt, dass die »Nutzung oder der Transport, die Lagerung, der Kauf oder Verkauf oder die Einfuhr nicht genehmigter satellitengestützter Internetkommunikationsgeräte« für den persönlichen Gebrauch verboten ist und zu einer Freiheitsstrafe und der Beschlagnahme der Geräte führt.

Erwirbt eine Person diesbezügliche Geräte zum Weiterverkauf, erhöht sich die Strafbemessung um fünf bis zehn Jahre Haft. In Kriegszeiten oder in Sicherheitssituationen, wie sie vom Obersten Nationalen Sicherheitsrat festgelegt werden, kann das Urteil 15 bis 25 Jahre betragen und sogar zur Todesstrafe führen. »Die Durchführung aller genannten Handlungen mit der Absicht, dem System entgegenzuwirken oder Spionage zu betreiben, wird, falls der Täter als feindliche Kraft gilt, mit der Todesstrafe bestraft, andernfalls – falls nicht wegen Efsad-e fel-Arz (›Korruption auf Erden‹) oder Moharebeh (›Krieg gegen Gott‹) eine strengere Strafe vorgesehen ist – mit einer Ta’zir-Freiheitsstrafe des Grades vier.«

Dies dürfte weltweit geradezu einzigartig sein, dass die Nutzung einer zivilen Kommunikationstechnologie explizit mit solcher Härte unter Strafe gestellt wird. Die Satelliten-Internet-Technologie wurde entwickelt, um einen offenen Zugang zu Informationen und Kommunikation zu ermöglichen, und genau deswegen stellt sie für das iranische Regime eine direkte Bedrohung seiner traditionellen Kontroll- und Zensurinstrumente dar, mit denen es die Kommunikation im ganzen Land überwacht und einschränkt.

Geschichte der Repression

Seit Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979 werden alle Massenmedien vollständig vom Staat kontrolliert. Rundfunk und Fernsehen sind staatliche Monopole, welche die Werte und Ideologie des Staates fördern sollen. In den letzten Jahrzehnten hat das Regime versucht, den freien Informationsfluss zu unterbinden, indem es die Nutzung von Satellitenschüsseln oder Videogeräten unter Strafe gestellt hat. Diese Politik ist jedoch gescheitert: Heute verfügt fast jeder Haushalt über mindestens eine Satellitenschüssel.

Nun hat das Satelliten-Internet die Situation allerdings völlig verändert. Während das Satellitenfernsehen Informationen nur in eine Richtung überträgt, ermöglicht das Satelliten-Internet den Nutzern eine direkte, beidseitige Verbindung zum globalen Netzwerk, wobei die heimische Infrastruktur umgangen wird. Dies untergräbt nicht nur die staatliche Propaganda, sondern bedroht auch das gesamte Überwachungs- und Zensursystem, das eine wichtige Säule für das Überleben des Regimes darstellt.

Aus Sicht der iranischen Sicherheitsbehörden ermöglicht diese Technologie über ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben hinaus eine sichere und direkte Kommunikation zwischen der Bevölkerung und der Außenwelt – von der Organisation von Protesten bis hin zum Austausch unzensurierter Nachrichten. Deshalb wurde dieses Gesetz zügig verabschiedet, das eine klare Botschaft sendet: Jeder, der sich mit dem freien und offenen Internet verbindet, ist ein Feind der Islamischen Republik.

Kontrollierte Kanäle

Die bittere Ironie dabei ist, dass Satelliten-Internetdienste extrem teuer sind, die sich die meisten Iraner ohnehin nicht leisten können. Während die Nutzung solcher Dienste kriminalisiert und als Vergehen eingestuft wird, funktioniert der heimische VPN-Markt ungehindert. Tausende von Anbietern und privaten Unternehmen verkaufen, oft mit stillschweigender Zustimmung der Regierung, VPN und Proxy-Dienste zur Verschlüsselung und Umgehung des Geo-Blockings und erzielen damit ohne jegliche Beeinträchtigung massive Gewinne.

Es wird sogar allgemein angenommen, dass viele dieser Verkäufer direkt mit dem Regime verbunden sind und dafür sorgen, dass die Bevölkerung auf diese Art und Weise wiederum nur über kontrollierte Kanäle auf das Internet zugreifen können. Fühlt sich die Regierung bedroht, kann sie sogar dieses gefilterte, langsame Internet sofort abschalten.

Staatliche Medien, die dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat nahestehen, haben offiziell erklärt, Satelliten-Internetdienste wie »Starlink nicht zu tolerieren« und bezeichneten die Aktivitäten des amerikanischen Unternehmens als »direkte feindliche Einmischung«. Aber gesetzliche Beschränkungen werden die Bürger nicht daran hindern, auf diese Technologie zuzugreifen – genauso wie die Kriminalisierung von Satellitenschüsseln vor Jahrzehnten deren weit verbreitete Nutzung nicht verhindert hat.

Das Problem im Iran geht weit über das Internet hinaus. Im Kern spiegelt es die Angst eines autoritären Regimes vor Transparenz, freier Kommunikation und öffentlicher Meinung wider. In einem Land, in dem die Gründung eines privaten Fernsehsenders unmöglich ist, stellt das Satelliten-Internet ein echtes Tor zur offenen Kommunikation mit der Außenwelt dar – ein Tor, das die Islamische Republik entschlossen ist, zu schließen.

Mit der Verabschiedung solcher Gesetze sendet die Regierung auch eine klare Botschaft an die internationale Gemeinschaft: Sie betrachtet das freie Internet als Bedrohung für ihr Überleben und ist bereit, bis zur Hinrichtung ihrer Bürger zu gehen, um die totale Kontrolle über den Informationsraum des Landes zu behalten. Dies ist nicht nur eine eklatante Verletzung der Menschenrechte, sondern auch ein beispielloser Schritt in Richtung Kriminalisierung moderner Kommunikationstechnologien.

Allerdings wird dieser Schritt zu Scheitern verurteilt sein. So, wie es dem Regime nicht gelungen ist, das Satellitenfernsehen zu stoppen, wird es auch nicht in der Lage sein, die weltweite Verbreitung von Kommunikationstechnologien zu verhindern.

Dass im 21. Jahrhundert in einem Land mit über achtzig Millionen Einwohnern der bloße Besitz eines Kommunikationsgeräts mit dem Tod bestraft werden kann, offenbart den repressiven Charakter eines Regimes, das sich nicht auf die Legitimität durch seine Bevölkerung, sondern auf Informationskontrolle stützt. Im Iran ist die Meinungsfreiheit nicht nur eingeschränkt – vielmehr wird sie als »Verbrechen gegen die nationale Sicherheit« definiert.

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