Iran hat „mit großer Wahrscheinlichkeit“ Handelsschiffe angegriffen

Von Stefan Frank

Iran hat „mit großer Wahrscheinlichkeit“ Handelsschiffe angegriffenDie Sabotageakte gegen Handelsschiffe vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate, über die in den letzten Tagen berichtet wurde, sind „mit großer Wahrscheinlichkeit“ von den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) verübt worden – das jedenfalls glaubt der norwegische Schiffsversicherer DNK laut einem vertraulichen Bericht, von dem die Nachrichtenagentur Reuters Kenntnis hat.

Die DNK ist ein Spezialversicherer, der Norwegens Reedereien gehört und mehr als 3.000 Schiffe gegen die Risiken von Krieg, Terrorismus und Piraterie versichert hat. Eines der Schiffe, die bei den Vorfällen in der Nähe des strategisch wichtigen Hafens Fujairah Berichten zufolge erheblich beschädigt worden waren, war der norwegische Tanker Andrea Victory. Zwei der Tanker – die Al Marzoqah und die Amjad – sollen unter saudi-arabischer Flagge unterwegs sein. Bei dem vierten Tanker, der A. Michel, handelt es sich den Berichten zufolge um ein Schiff der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Sabotageakte wurden in der Nähe des strategisch wichtigen Hafens Fujairah gemeldet. Während der größte Teil des Territoriums der Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf liegt, ist Fujairah ein Emirat am Golf von Oman – Schiffe, die es ansteuern, müssen also nicht durch die Straße von Hormuz, jene Meerenge, mit deren Schließung das iranische Regime immer wieder droht.

Der vertrauliche Bericht des Versicherers, der letzte Woche erstellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Schiffe mit Unterwasserdrohnen angegriffen wurden, die von einem in der Nähe fahrenden Überwasserschiffen ausgesetzt wurden. Die Drohnen seien mit 30 bis 50 Kilogramm hochexplosivem Sprengstoff bestückt gewesen, der beim Aufprall detonierte.

Dafür, dass die iranischen Revolutionsgarden verantwortlich sind, sieht die DNK folgende Anhaltspunkte:

  • Eine „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass die IRGC ihre Verbündeten, die Huthi-Milizen, die im Jemen gegen die von Saudi-Arabien unterstützte Regierung kämpfen, mit GPS-gesteuerten und mit Sprengstoff bestückten Drohnenbooten ausgerüstet haben. (Drohnenboote sind kein reines Militärgerät, sondern können grundsätzlich wie Flugdrohnen von jedermann gekauft werden.) Anders als bei den jüngsten Anschlägen habe es sich bei den an die Huthis gelieferten Modellen aber um Überwasserdrohnen gehandelt, so die DNK.
  • Die Schrapnelle, die an der Andrea Victory gefunden wurden, sind die gleichen, die von den Huthi-Milizen bei Angriffen vor der jemenitischen Küste verwendet wurden.
  • Die Tatsache, dass die IRGC kürzlich erst angedroht hatten, militärische Gewalt anzuwenden. Im Einsatz gegen einen stärkeren Gegner würden sie wohl – so die Überlegung der Experten der DNK – zu Mitteln der „asymmetrischen Kriegsführung” greifen, um ihre eigene Beteiligung „glaubhaft abstreiten” zu können.

Iran hat „mit großer Wahrscheinlichkeit“ Handelsschiffe angegriffenDie DNK merkt an, dass die Angriffe „relativ begrenzte” Schäden angerichtet hätten und zu einem Zeitpunkt verübt worden seien, als die US-Navy den Persischen Golf noch nicht erreicht hatte. Alle vier Tanker wurden dem Bericht zufolge im hinteren Bereich getroffen, sechs bis zehn Seemeilen von Fujairah entfernt.

Die DNK ist der Ansicht, dass die Angriffe „höchstwahrscheinlich“ das Ziel gehabt hätten, an die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten die Botschaft zu senden, dass der Iran die Meerenge von Hormuz gar nicht schließen müsse, um den Schiffsverkehr in der Region zu stören. Es sei wahrscheinlich, so der Bericht weiter, dass der Iran in Zukunft weitere solcher „niedrigschwelligen“ Angriffe auf Handelsschiffe durchführen werde.

Die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Norwegens, die die Vorfälle derzeit mit Unterstützung Frankreichs und der USA untersuchen, haben sich bislang nicht zur genauen Art der Schäden und einer mutmaßlichen Urheberschaft geäußert. Anwar Gargash, Staatsminister im Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate, sagte bei einer Presseerklärung am 16. Mai, die Ermittlungen würden „in einigen Tagen“ abgeschlossen sein, vorher wolle er sich nicht äußern.

In der Vergangenheit haben die Huthi-Milizen immer wieder saudi-arabische Öltanker und Großstädte – darunter die Hauptstadt Riad und die Muslimen heilige Stadt Mekka – mit Raketen angegriffen, die offenbar iranischer Herkunft waren, und sich zu Drohnenangriffen auf die Flughäfen von Abu Dhabi und Dubai bekannt. Letzte Woche bekannte sich die Miliz zudem zu einem großflächigen Flugdrohnenangriff auf saudi-arabische Ölförderanlagen und eine wichtige Ost-West-Pipeline des Königreichs. Dies sei der Beginn einer Militäroperation gegen „300 wichtige militärische Ziele“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien, meldete die von den Huthi-Milizen kontrollierte Nachrichtenagentur SABA.

Auch Giora Eiland, ein pensionierter israelischer General und früherer Chef von Israels nationalem Sicherheitsrat, hält es für wahrscheinlich, dass die Huthi-Milizen weitere solcher Drohnenangriffe ausführen werden: „Es ist zweifellos ein wachsender Trend“, zitiert ihn die Jerusalem Post. „Und wenn die Huthis sehen, dass ihre Drohnen erfolgreich sind und die Saudis keine gute Verteidigung dagegen haben – und vor allem, wenn sie dabei auch noch Unterstützung vom Iran bekommen –, dann, glaube ich, werden wir mehr und mehr Angriffe wie diese sehen.“

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