Iran-Handel: Deutsche Unternehmer als verfolgte Unschuld

Von Detlef zum Winkel

iranDeutsche Wirtschaftstreibende, die mit dem iranischen Regime Geschäfte machten, fühlen sich von den Vereinigten Staaten verfolgt: Obwohl sie nichts Unrechtes getan hätten, seien sie ins Visier amerikanischer Behörden geraten. Aber waren die Geschäfte wirklich so harmlos, wie die Betroffenen behaupten?

 

Willkürlich auf Amerikas Terrorliste?

Anfang Dezember. berichtete die FAZ über einen spektakulären Fall, den ihr Politik-Redakteur Rainer Hermann zusammen mit Stefan Buchen vom ARD-Magazin Panorama recherchiert hat. Ein deutscher Unternehmer, Ulrich Wippermann, sei „auf Amerikas Terrorliste geraten“ und habe darunter schwer zu leiden gehabt. Ähnliches sei einem Hamburger Banker, Lars Christiansen, widerfahren.

Wippermann betreute bis Anfang 2014 das Iran-Geschäft der Deutschen Forfait AG, einem Unternehmen mit Sitz in Köln, das auf Finanzdienstleistungen für den Außenhandel spezialisiert ist. Er „half der deutschen und europäischen Industrie beim Export ihrer Güter ins Ausland“, heißt es in dem Artikel. Am 6.Februar 2014 setzte das US-Finanzministerium Wippermann und seine Firma auf die Schwarze Liste von Personen und Einrichtungen, die gegen die Iran-Sanktionen verstoßen hätten. Unterstützung von Terrorismus und Proliferation lautete der Vorwurf. Ihr finanzielles Aus konnte die deutsche Forfait nur vermeiden, indem sie sich rasch von dem beschuldigten Vorstandsmitglied trennte. Wippermann persönlich blieb bis zum Inkrafttreten des Atomabkommens mit dem Iran, also zwei Jahre lang, auf der Sanktionsliste. Er erlebte viele unangenehme Überraschungen und konnte sich davon überzeugen, wie weit der Arm der US-Behörden in das Privatleben deutscher Bürger hineinreicht, die sich für unbescholten halten.

Dabei handele es sich nicht um einen Einzelfall, ist in der FAZ zu lesen. Ein ähnliches Beispiel sei der Commerzbank-Angestellte Christiansen, spezialisiert auf „Cash Management & International Business“ in der Hamburger Filiale der Bank. Er war mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs von Reedereien beschäftigt. Zu seinen Kunden zählte die Islamic Republic of Iran Shipping Company (IRISL). Als IRISL 2008 auf die Sanktionsliste des US-Finanzministeriums gesetzt wurde, brach die Commerzbank die Geschäftsbeziehung ab. Fortan betreute Christiansen andere Kunden. Im März 2015 wurde er dennoch gekündigt. Die Commerzbank hatte eine Reihe von Verfahren, die in den USA anhängig waren, mit einem Vergleich beendet und insgesamt 1,3 Mrd. Euro Strafe bezahlt. Neben anderen Auflagen bestanden die US-Behörden darauf, Christiansen und zwei weitere Angestellte zu entlassen. Die Bank beugte sich, wie sie erklärt, dem äußeren Druck. Eigene Einsichten lässt sie nicht erkennen.

Nach Ansicht der Autoren des FAZ-Artikels hätten Wippermann und Christiansen an keiner Stelle gegen deutsches oder europäisches Recht verstoßen; die USA kümmerten sich allerdings nicht darum, ob sie „völkerrechtswidrig“ handelten, denn in den internationalen Beziehungen gelte „Macht vor Recht“. Wer hätte es gedacht: Die FAZ kann auch Antiimperialismus. Ihr Leservolk, wie es nun einmal beschaffen ist, äußert sich entsprechend in den Kommentarspalten: Wahnsinn, krankhaft, USA genießen Narrenfreiheit, Weltdiktator, unerhörte Einmischung – und kein Beistand durch die Bundesregierung!


Nicht ganz so harmlos

Allerdings weist der FAZ-Artikel einige Schwächen auf. Um was es eigentlich geht, erschließt sich nicht aus dem Text. Die Autoren haben das Washingtoner Finanzministerium um eine Stellungnahme gebeten und von dort keine Antwort erhalten. Also übernehmen sie kritiklos die Darstellung ihrer Gesprächspartner. Wenn sie ein bisschen weiter geforscht hätten, wäre der Stoff möglicherweise noch interessanter geworden. Denn der Vorwurf gegen Wippermann ist nicht so vage, wie dieser selbst es darstellt. In der Erklärung des US-Finanzministeriums vom Februar 2014 heißt es, er habe der Nationalen Iranischen Ölgesellschaft NIOC dabei geholfen, das internationale Ölembargo gegen den Iran zu umgehen. NIOC fiel als ein von den iranischen Revolutionsgarden kontrolliertes Unternehmen unter die Sanktionen. Es geht also um den Schwarzhandel mit iranischem Öl. Das ist eine Big Story.

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Babak Morteza Zanjani

Während der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad war es nicht so, dass der Iran kein Erdöl und Erdgas mehr verkauft hätte. Es gab einen lebhaften Schwarzhandel, über den inzwischen einiges – aber nicht alles – bekannt geworden ist. Einer der verdeckten Vertriebswege auf die internationalen Märkte führte über Malaysia. Als Schlüsselfigur des klandestinen Handelsnetzes gilt der 42-jährige Teheraner Geschäftsmann Babak Morteza Zanjani, der seine Karriere als Fahrer des iranischen Zentralbankchefs begann. Er soll im Auftrag der NIOC Rohöl für ca. 80 Mrd. Euro verkauft haben, wobei es ihm gelang, die Einnahmen größtenteils in den Iran zurück zu transferieren, obwohl das Land vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen war. Ende 2012 wurde er von der EU-Kommission auf deren Sanktionsliste gesetzt – hier war also nicht nur der amerikanische Weltdiktator aktiv. Am 30. Dezember 2013 wurde er in Teheran festgenommen, wegen Korruption und Unterschlagung angeklagt und im März 2016 zum Tode verurteilt. Zanjani bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe; die 2,5 Mrd., die er veruntreut haben soll, befänden sich noch auf malaysischen Konten und seien durch die Sanktionen blockiert.


Die Türkei-Connection

Zur Anklage der iranischen Justiz gegen Zanjani kam es, nachdem sein Istanbuler Geschäftspartner Reza Zarrab ins Visier türkischer Staatsanwälte geraten war. Diese Affäre ist unter dem Namen „türkischer Korruptionsskandal von 2013“ bekannt und hätte den damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan beinahe sein Amt gekostet. Richtiger wäre es allerdings, von einem iranisch-türkischen Skandal zu sprechen. Zanjani soll mit Zarrabs Hilfe iranisches Öl und Gas im Wert von über 10 Mrd. Euro an die Türkei verkauft haben. Die Erlöse wurden auf Konten iranischer Kunden bei der staatseigenen türkischen Halkbank gutgeschrieben. Halkbank kaufte damit Gold, das der Schmugglerring in den Iran transportierte. Um diesen Megadeal zu ermöglichen, soll der 33-jährige Zarrab beträchtliche Summen an bedeutende Entscheidungsträger der Türkei gezahlt haben, mitunter zweistellige Millionenbeträge.

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Reza Zarrab

Am 17. Dezember 2013 wurde er verhaftet, ebenso die Söhne zweier Minister aus Erdogans Kabinett, der Direktor von Halkbank und 50 weitere Funktionäre. Hausdurchsuchungen fanden statt, auch bei Erdogans Sohn Bilal. Eine Woche später traten die Minister zurück, Erdogan bildete sein Kabinett um und bezeichnete das Vorgehen der Justiz als einen Komplott der Gülen-Bewegung, der das Ziel verfolgt habe, die Regierung zu stürzen. Bereits damals sprach er von einem versuchten Staatsstreich. Den Beschuldigten passierte nichts, Zarrab kam nach zwei Monaten wieder frei, keine einzige Anklage wurde erhoben. Dafür führte Erdogan eine erste „Säuberung“ in den Reihen von Justiz und Polizei durch: hunderte oder sogar tausende Beamte mussten damals schon ihren Posten räumen. Von den Ermittlungsakten wird nicht mehr viel übrig sein, auch nicht von den Aufzeichnungen der Telefongespräche, die auf Anordnung der Justiz abgehört wurden. Pikanterweise ist ein solches Gespräch auf Youtube dokumentiert: Erdogan soll seinen Sohn am 17. Dezember 2013 telefonisch angewiesen haben, das in den Wohnungen der Familie deponierte Bargeld schleunigst beiseite zu schaffen. Der damalige Ministerpräsident und heutige Präsident bezeichnet den Audioclip als Fälschung, natürlich von der Gülen-Bewegung.

Mit dieser Skizzierung des Geschehens, die den entsprechenden Einträgen von Wikipedia folgt, soll nicht behauptet werden, Wippermann oder Christiansen hätten in Malaysia iranisches Öl verkauft oder in Ankara türkische Entscheidungsträger bestochen. Sie können eine Unschuldsvermutung für sich reklamieren, solange kein Urteil eines ordentlichen Gerichts gegen sie vorliegt. Unschön wirkt jedoch, dass die FAZ die Gründe ausblendet, die triftig genug sind, um finanztechnische Lösungen zu prüfen, die von deutschen Dienstleistern für iranische Firmen gefunden wurden. Um die Handelssanktionen zu umgehen, mussten die Iraner doppelt täuschen. Sie mussten nicht nur den physischen Warenverkehr sondern auch seine Bezahlung verbergen. Wie kommt man an die Einnahmen aus einem verbotenen Geschäft heran, wenn man vom internationalen Zahlungsverkehr SWIFT ausgeschlossen ist und die ausländischen Konten des iranischen Staats und der iranischen Wirtschaft gesperrt sind?

Eine Möglichkeit bestand darin, Gold als Zahlungsmittel zu verwenden. Eine zweite Möglichkeit ergab sich aus Schlupflöchern im westlichen Sanktionsregime. Eine Handvoll iranischer Banken war weiterhin an SWIFT angeschlossen, weil sie glaubhaft machen konnten, ausschließlich humanitäre Projekte zu finanzieren.

Die dritte Option bestand im Aufbau globaler Dreiecksgeschäfte: Jede einzelne Geldtransaktion ist an den jeweiligen Standorten legal, nur zusammengenommen bilden sie eine Umgehung der Sanktionen. Dazu braucht man Mittelsmänner, die offiziell nicht dem Iran zugeordnet werden können.


Umgehung der Sanktionen?

Hat die Deutsche Forfait beispielsweise eine solche Rolle gespielt? An dem Unternehmen ist der in Frankfurt und London agierende Investor Dr. Shahab Manzouri beteiligt, der auch die Teheraner Saman Bank vertritt. Das iranische Kreditinstitut war ebenfalls sanktioniert worden. Seit dem Wiener Abkommen und der Aufhebung der Nuklearsanktionen bietet die Saman Bank wieder verstärkt Finanzierungen für den Außenhandel an. Kurz vor dem Erscheinen des FAZ-Artikels erklärte sie ihre Absicht, mit der Deutschen Forfait zu kooperieren. In ihrem Memorandum of Understanding sagen die Partner zwar nicht, dass sie sich schon lange kennen und verstehen. Sie drücken es lieber so aus, dass sie auf ihrem Spezialgebiet beide sehr erfahren und bestens aufgestellt seien …

irislUnübersichtlich stellt sich das „International Business“ dar, das der Commerzbanker Lars Christiansen für die Reederei IRISL betrieb. Die Sanktionslisten der EU, also nicht die imperiale Willkür von Washington, verzeichnen über hundert Tochter- und Scheinfirmen von IRISL, darunter 31 in Hamburg ansässige. Möglicherweise ist so etwas im Schiffsverkehr nicht unüblich. So harmlos, wie Christiansen es darstellt, ist das Terrain allerdings nicht, zumal er auch „Einnahmen für transportierte Ware“ verwaltete, wie er der FAZ berichtete.


Neue Unsicherheit

Die Enthüllungen von FAZ und Panorama kommen zu einem Zeitpunkt, an dem der Iran-Handel verunsichert ist. Donald Trump hat im Wahlkampf angekündigt, das Wiener Abkommen neu verhandeln zu wollen. Der US-Kongress hat die nicht-nuklearen Sanktionen gegen den Iran um weitere zehn Jahre verlängert. Postwendend hieß es aus dem Iran, man brauche nur wenige Monate, um das ausgesetzte Atomprogramm in vollem Umfang wieder aufzunehmen. In dieser nervösen Situation symbolisieren die Statements von Wippermann und Christiansen ein trotziges Aufbäumen der involvierten deutschen Firmen: Wir dürfen uns nicht „amerikanischer Willkür“ beugen, wir haben uns nichts vorzuwerfen. Das erzeugt einen unangenehmen Beigeschmack. Denn die deutsche Exportindustrie hat bedeutende Beiträge zum iranischen Atomprogramm geleistet. Aber ihr Unrechtsbewusstsein ist gleich Null.

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