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Iran: Gesichtserkennung zur Durchsetzung des Schleierzwangs

Besucherinnen des Fajr International Fashion And Clothing Festival in Teheran
Besucherinnen des Fajr International Fashion And Clothing Festival in Teheran (© Imago Images / NurPhoto)

Die Regierung will modernste Technologien in öffentlichen Verkehrsmitteln einsetzen, um das neu erlassene Hijab-Gesetz durchzusetzen.

Das iranische Regime geht mit zunehmender Härte gegen Frauen vor, die sich den strengen Kleidungsvorschriften der Islamischen Republik nicht beugen wollen. So plant die Regierung den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien in öffentlichen Verkehrsmitteln, um Frauen zu identifizieren, die sich nicht an das neue Gesetz zum Tragen des Hidschabs halten.

Der Sekretär der iranischen »Zentrale für die Förderung der Tugend und die Verhinderung von Lastern«, Mohammad Saleh Hashemi Golpayegani, gab kürzlich in einem Interview bekannt, dass die Regierung auch den Einsatz von Überwachungstechnologien gegen Frauen auf öffentlichen Plätzen plane, nachdem der Präsident des Landes, Ebrahim Raisi, ein neues Dekret bezüglich der Kleidung von Frauen unterzeichnet hatte.

Das Dekret wurde am 15. August unterzeichnet, einen Monat nach dem nationalen »Tag des Hijab und der Keuschheit«, der am 12. Juli landesweite Proteste von Frauen ausgelöst hatte, die in sozialen Medien Videos von sich mit unbedecktem Kopf auf der Straße, in Bussen und Zügen veröffentlichten. In den letzten Wochen reagierten die iranischen Behörden mit einer Flut von Verhaftungen, Inhaftierungen und erzwungenen Geständnissen im Fernsehen auf diese Anti-Schleier-Proteste.

Die iranische Regierung spiele »seit Langem mit dem Gedanken, die Technik der Gesichtserkennung zur Identifizierung von Personen einzusetzen, die gegen das Gesetz verstoßen«, sagte die Wissenschaftlerin an der Universität Twente in den Niederlanden, Azadeh Akbari, gegenüber dem Guardian: »Das Regime kombiniert gewaltsame altmodische‹ Formen totalitärer Kontrolle mit neuen Technologien.«

Nach der iranischen Revolution von 1979 wurde es für iranische Frauen zur Pflicht, in der Öffentlichkeit einen Hijab zu tragen. Doch in den vergangenen Jahren haben die Frauen die Grenzen der vorgeschriebenen Kleiderordnung immer wieder überschritten. Seit 2015 führte die iranische Regierung schrittweise biometrische Personalausweise ein, die einen Chip enthalten, auf dem Daten wie Iris-Scans, Fingerabdrücke und Gesichtsbilder gespeichert sind. Experten befürchten nun, dass diese Informationen verwendet werden, um mittels moderner Überwachungs- und Gesichtserkennungstechnologien Frauen zu identifizieren, die gegen die vorgeschriebene Kleiderordnung verstoßen.

»Ein großer Teil der iranischen Bevölkerung ist in der nationalen biometrischen Datenbank erfasst, da man für viele öffentliche Leistungen die biometrischen Ausweise benötigt«, so Akbari. Die Regierung habe also Zugang zu den Daten für so gut wie alle Gesichter, womit sie bestimmte Personen, etwa in Überwachungsaufnahmen oder Internetvideos, innerhalb von Sekunden identifizieren können. Die dadurch ausgesandte Botschaft der Regierung an die Bevölkerung laute: »Glaubt nicht, dass eine Kleinigkeit, die irgendwo in einem Bus passiert, vergessen wird. Wir wissen, wer ihr seid, und wir werden euch finden, und dann werdet ihr die Konsequenzen tragen müssen.«

»Ebrahim Raisi ist ein echter Ideologe«, ergänzt die emeritierte Professorin am Zentrum für Iranische Studien an der Soas University of London Annabelle Sreberny. »Der Iran steht vor schrecklichen wirtschaftlichen und ökologischen Problemen. Die Inflationsrate mag jetzt fünfzig Prozent erreichen, aber die Regierung konzentriert sich lieber auf die Rechte der Frauen.« »Ich denke, es ist Teil einer versagenden Regierung, die sich einfach nicht mit diesen massiven infrastrukturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen auseinandersetzt. Und Frauen werden als weiches Ziel angesehen«, fügte Sreberny abschließend hinzu.

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