Für die Menschen im Iran bedeutet der Waffenstillstand nicht nur ein Ende der Bombardierung. Das Regime intensiviert nun die Repression gegen reale oder vermeintliche »innere Feinde«.
Noch als die israelischen Bomben auf den Iran fielen, verstärkten die dortigen Sicherheitskräfte ihren Terror gegen reale oder vermeintliche »innere Feinde«. Jeder, der dem Regime kritisch gegenübersteht, kann nun als »Spion des Mossad« verhaftet werden. Und wie die Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete, betraf dies allein in Iranisch-Kurdistan in der ersten Woche des Kriegs über dreihundert Menschen.
Seitdem nun die Bomben nicht mehr fallen, sollen Verhaftungen noch einmal intensiviert worden sein, auch die ersten Hinrichtungen fanden schon statt. Es heißt, als »israelischer Spion« muss jetzt auch jeder Bürger fürchten, verfolgt zu werden, wenn er sich während der Internetsperre in Starlink eingeloggt hat.
Das ist einer der Gründe, weshalb viele Beobachter den Aufrufen aus sicherer Distanz, die Iraner mögen doch bitte auf die Straße gehen und einen Regimewechsel herbeiführen, bloß weil das einigen ein paar Tage lang politisch opportun schien, äußerst misstrauisch gegenübergestehen. Solange nicht klar war, ob der ganze Krieg nicht, wie sich jetzt auch herausstellt, in einem weiteren vermurksten Deal endet, war es ausgesprochen vernünftig, ganz besonders in Iranisch-Kurdistan, den Kopf gesenkt zu halten.
Anders nämlich, als uns all die »Krieg hat noch nie Freiheit oder Demokratie gebracht«-Experten weismachen wollen, sind nicht die Regimewechsel, die vorher als solche geplant und durchgeführt wurden, die bei Weitem blutigsten in der Geschichte gewesen, sondern jene, zu denen nur verantwortungslos aufgerufen wurde, während es nicht wirklich so gemeint war.
Große Meister
Zwei Beispiele seien genannt: 1991 im Irak, als, ohne es je so zu meinen, nach Kriegsende die Administration des damaligen US-Präsidenten George Bush entsprechende Signale gab und Menschen im Süd- und Nordirak dies als Ermutigung sahen, sich des verhassten Diktators Saddam Hussein zu entledigen. Im Süden schaute die internationale Anti-Saddam-Koalition dann zu, wie die irakische Armee diese Aufstände mit unvorstellbarer Brutalität beendete. (Im Norden half man den Kurden erst, nachdem die ersten Aufstände ebenfalls niedergeschlagen worden waren und daraufhin eine riesige Flüchtlingswelle die Stabilität des Nato-Partners Türkei bedrohte).
Zur Erinnerung: »Bei ihren Versuchen, Städte zurückzuerobern, und nach der Festigung ihrer Kontrolle töteten [Saddam-]loyale Streitkräfte Tausende unbewaffnete Zivilisten, indem sie wahllos in Wohngebiete schossen, junge Menschen auf den Straßen, in ihren Häusern und in Krankenhäusern hinrichteten, bei Hausdurchsuchungen Verdächtige, insbesondere junge Männer, zusammenpferchten und ohne Anklage festnahmen oder massenhaft erschossen und mit Hubschraubern unbewaffnete Zivilisten angriffen, die aus den Städten flohen.«
Das zweite Beispiel ist Syrien. Erinnert sich noch jemand an die »Friends of Syria«-Koalition aus Europäern und USA, die so tat, als ginge es ihr um den Sturz von Präsident Baschar al-Assad? Natürlich dachten Millionen Syrer, die Koalition meinte es ernst damit – und zahlten dafür einen unfassbar hohen Preis.
In diesem Zusammenhang müssen auch die Äußerungen von Kronprinz Reza Pahlevi gesehen und kritisiert werden, der aus dem sicheren Exil »die iranische Bevölkerung zum Aufstand ermutigt«. Auch er müsste eigentlich die Faustregel aller zerstörten Tyranneien des Nahen Ostens kennen: Je schwächer sie nach außen sind und je klarer wird, dass hinter all dem martialischen Getöse nichts steckt, desto brutaler rächen sie sich an wehrlosen »inneren« Feinden.
Darin sind sie alle große Meister, und so werden sich nun – während die einen ihren Frieden haben, für den sie mit Flaggen des Regimes in europäischen Städten auf die Straße gingen und die anderen irgendeinen »big and beautiful« Deal abschließen –, die Gefängnisse im Iran weiter füllen. Die Schreie der dort Gefolterten wird man natürlich nicht hören (wollen).
Siehe dazu auch diese Erklärung: Iran Is Taking Revenge for Its Defeats by Israel by Repressing the Kurdish People und: Iranian opposition leader: »People of Iran are more horrified of this ceasefire than of the war«. Der Artikel erschien zuerst bei Jungleblog.