Nicht nur intensiviert der Iran die Deportationen, sondern Funktionäre der Islamischen Republik verfassen regelrechte Kriegserklärungen an die im Land Zuflucht suchenden Afghanen.
Für Menschen, die vor dem Terror der Taliban in die Nachbarländer Afghanistans geflohen sind, reißen die Horrormeldungen nicht ab. Sowohl Pakistan als auch der Iran, beides Länder, in denen Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan Zuflucht gesucht haben, intensivieren gewaltsame Deportationen. Bislang sollen in diesem Jahr schon 400.000 in ihr Heimatland abgeschoben worden sein.
Aber das reicht den Machthabern, vor allem im Iran, noch lange nicht. Kürzlich verkündeten sie, man plane, weitere zwei Millionen abschieben zu wollen:
»Der iranische Polizeichef Ahmad-Reza Radan sagte, dass in den nächsten sechs Monaten etwa zwei Millionen Ausländer ohne Papiere aus dem Iran abgeschoben werden sollen. In einem Interview mit der iranischen Nachrichtenagentur Young Journalists Club sagte Radan am Dienstag, die Sicherheitskräfte und das Innenministerium arbeiteten an Maßnahmen, mit denen langfristig ›eine beträchtliche Zahl illegaler Ausländer‹ abgeschoben werden könne. (…)
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR schätzt, dass derzeit fast 4,5 Millionen afghanische Staatsangehörige im Iran leben. Nach Angaben iranischer Nachrichtenagenturen könnte die tatsächliche Zahl jedoch bei sechs bis acht Millionen liegen. Viele haben keine legale Aufenthaltsgenehmigung und vermeiden eine Registrierung aus Angst vor einer Abschiebung. Viele beabsichtigen auch, den Iran zu durchqueren, um nach Europa zu gelangen.«
Krieg gegen Flüchtlinge
Der Iran hatte im Frühjahr diesen Jahres Afghanen, die sich ohne gültige Papiere im Land aufhalten, quasi offiziell den Krieg erklärt. Der Vizegouverneur Teherans verglich, um zu unterstreichen, wie ernst das Regime es meint, diese Kampfansage in einer Rede mit dem Krieg gegen den Irak in den 1980er Jahren: »Im Umgang mit den illegalen Einwanderern sind wir wie unsere Jugend, die zu den Waffen griff, in den Krieg zog und zu Märtyrern wurde.«
Dass nun so viele Flüchtlinge deportiert werden, liegt selbstredend nicht etwa daran, dass sich die Lage in Afghanistan verbessert hätte, sodass der Fluchtgrund wegfiele. Das Gegenteil ist der Fall.
Immer mehr Menschen sehen in der Hölle, in die die Taliban das Land verwandelt haben, keine Zukunft für sich mehr und wollen nur noch weg. Je mehr allerdings fliehen wollen, je repressiver reagieren die Nachbarstaaten, indem sie versuchen, ihre Grenzen immer hermetischer abzuriegeln. So hat der Iran zwischenzeitlich mit dem Bau einer Betonmauer begonnen, die nach dem Vorbild der zwischen der Türkei und Syrien errichteten Mauer möglichst viele Menschen von der Grenzüberquerung abhalten soll.
Derweilen hat angesichts der katastrophalen Lage von Frauen in Afghanistan der Europäische Gerichtshof kürzlich ein Grundsatzurteil gefällt und festgestellt, dass »die Repressionen des Taliban-Regimes so massiv seien, dass sie grundsätzlich als Verfolgte gelten«. Damit stehe ihnen in der Europäischen Union Asyl ohne Einzelfallprüfung zu.
Das mag für Frauen aus Afghanistan nach einem Hoffnungsschimmer klingen, ihr Problem ist nur: Europa ist fern. Angesichts geschlossener Grenzen und der Repression, der afghanische Flüchtlinge in Nachbar- und Transitländern ausgesetzt sind, besteht nur für einen verschwindend geringen Teil überhaupt die Aussicht, es je nach Europa zu schaffen.