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Sinkendes Interesse an Beschäftigung im öffentlichen Sektor im Iran

Der Iran hat mit einem immensen Lehrermangel zu kämpfen
Der Iran hat mit einem immensen Lehrermangel zu kämpfen (© Imago Images / Dreamstime)

In den letzten Jahren hat ein starker Rückgang des Interesses an höherer Bildung und Beschäftigung im öffentlichen Sektor im Iran stattgefunden.

Farzad Amini

Aktuelle Statistiken von Beamten und Analysten zeigen, dass dieser Trend sich zu einem weit verbreiteten und alarmierenden Phänomen entwickelt und nun einen neuen Höhepunkt erreicht hat, insbesondere bei Männern, die Lehrberufe anstreben.

Laut dem Leiter des parlamentarischen Forschungszentrums Babak Negahdari blieben vergangenes Jahr bei den Rekrutierungsprüfungen 86 Prozent der 1.578 verfügbaren Lehrerstellen für Männer in Teheran unbesetzt. Dies spiegelt ein klares Desinteresse an Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor wider, die einst als sehr angesehen und respektiert galten. Landesweit blieben über 10.000 von mehr als 57.000 ausgeschriebenen Arbeitsplätzen unbesetzt.

Einer der Hauptgründe für dieses mangelnde Interesse ist die Wirtschaftskrise, die das Land fest im Griff hat. Durch die galoppierende Inflation, steigende Wohnkosten und sinkende Kaufkraft sind Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor finanziell unattraktiv geworden.

In der Vergangenheit hingegen waren Lehrtätigkeiten und Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich nicht nur gesellschaftlich angesehen, sondern boten auch eine stabile wirtschaftliche Position. Mit zunehmender Inflation und sinkenden Reallöhnen können diese Arbeitsplätze jedoch nicht einmal mehr die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer decken. So sind beispielsweise die Wohnkosten in Großstädten wie Teheran so stark gestiegen, dass die Gehälter und Zulagen von Lehrern und Regierungsangestellten nicht mehr ausreichen, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

Ein weiteres großes Problem, das zum sinkenden Interesse an einer Beschäftigung im öffentlichen Sektor beiträgt, ist die mangelnde Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts. Trotz einer gestiegenen Anzahl an Universitäten und Absolventen hat die Qualität der Bildung stark nachgelassen. Dieser Rückgang zeigt sich in den gesunkenen Standards für die Einstellung von Universitätsprofessoren und der geringen Qualität von wissenschaftlichen Arbeiten. Infolgedessen verfügen Universitätsabsolventen nicht über die erforderlichen Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt und werden deshalb von Arbeitgebern auch als weniger wertvoll angesehen.

Brain Drain

Darüber hinaus suchen viele gebildete, vor allem junge Iraner, in andere Länder auszuwandern. Dieser Trend hat sich dermaßen verstärkt, dass viele Medien die Auswanderung gebildeter Menschen als eines der dringendsten sozialen Probleme hervorgehoben haben.

Zu dieser Dynamik kommt eine neue Entwicklung hinzu, nämlich die Abkehr junger, in den 2000er Jahren geborenen Männer (im Iran als »80er-Jahre-Jungen« bekannt) von der Hochschulbildung insgesamt. Immer mehr stellen den Wert eines mehrjährigen Studiums infrage, wenn es lukrativere Möglichkeiten, zum Beispiel hoch bezahlte freiberufliche Tätigkeiten und steuerfreie Berufe, gibt.

Mädchen, so lautet eine gängige Ansicht, hätten wegen der frauenspezifischen Diskriminierung in der Islamischen Republik wenig andere Möglichkeiten, als ein Studium zu beginnen, aber männliche Jugendliche haben andere Möglichkeiten, eine Beschäftigung zu finden und dieser nachzugehen. Infolgedessen haben sich viele junge Männer in diesem Jahr dafür entschieden, an der nationalen Hochschulaufnahmeprüfung nicht teilzunehmen, was – zusätzlich zur herrschenden Korruption – den Verfall der Hochschulbildung weiter verschärft.

Die Wirtschaftskrisen haben sich nicht nur auf die Beschäftigung im öffentlichen Sektor ausgewirkt, sondern auch das soziale Ansehen dieser Arbeitsplätze gemindert. In der Vergangenheit galten Lehrtätigkeiten und Berufe im öffentlichen Sektor als die gesellschaftlich wertvollsten Berufe; heute sind sie nur noch eine leere Hülle ihres früheren Prestiges. Der wirtschaftliche und soziale Druck hat viele öffentlich Bedienstete in finanzielle Not gebracht, was zu einem starken Rückgang des sozialen Status geführt hat.

Da das Regime bisher keinen umfassenden und wirksamen Plan zur Bewältigung dieser Krisen vorgelegt hat, scheint es, dass nicht nur das Interesse an Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor weiterhin sinken wird, sondern auch die Hoffnung auf Besserung allmählich schwindet.

Das schwache Management und die Unfähigkeit der Regierung, die grundlegenden Probleme der Gesellschaft zu lösen, haben die Zukunft des iranischen Bildungs- und Beschäftigungssystems im Wesentlichen dem Zufall überlassen. Ohne ernsthafte Bemühungen, diese Situation zu reformieren, steht der Iran vor einer düsteren Zukunft, in der sich sein Bildungs- und Wirtschaftssystem immer mehr verschlechtern wird, was die jüngere Generation dazu drängt, den Aufbau des Landes aufzugeben und es lieber zu verlassen.

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