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Irakischer Protest gegen Rückkehr zu unfairem Wahlsystem

Proteste in Bagdad 2019, die zur Wahlreform führten, die jetzt zurückgenommen werden soll
Proteste in Bagdad 2019, die zur Wahlreform führten, die jetzt zurückgenommen werden soll (© Imago Images / UPI Photo)

In Bagdad fanden zu Beginn der Woche Demonstrationen gegen Änderungen des Gesetzes für die Parlaments- und Provinzwahlen statt, die eine Rückkehr zu einem Wahlsystem zugunsten der großen Parteien bedeuten würden.

Im Irak existiert eine sich »Demonstrationskomitee« nennende Gruppe von Privatpersonen, die vor allem über Facebook ­immer wieder regierungsfeindliche Proteste mobilisiert und koordiniert. Diese Woche rief sie zu Protesten vor dem Repräsentantenhaus in Bagdad auf, um die Rückkehr zum sogenannten Sainte-Lague-Gesetz zu verhindern.

Wie das Demonstrationskomitee erklärte, würde das Gesetz, das 2021 von einer Neufassung ersetzt wurde, »die Beseitigung von jungen und aufstrebenden politischen Kräften sowie von Unabhängigen« zur Folge haben. Nach massiven Protesten, die im Oktober 2019 ausgebrochen waren, die bis zum Frühjahr 2020 angehalten und die Regierung des ehemaligen Premierministers Adel Abdul Mahdi zum Rücktritt gezwungen hatten, war die damalige Regierung bereit, im Jahr 2021 vorgezogene Wahlen abzuhalten.

Die damaligen Aufstände, die die größten Demonstrationen in der jüngeren Geschichte in den mehrheitlich schiitischen Provinzen waren, erschütterten die irakischen Eliten, deren hartes Durchgreifen mindestens 600 Tote forderten.

Die Wahlen im Jahr 2021 wurden auf der Grundlage eines neuen Gesetzes abgehalten, durch welches das Sainte-Lague- durch ein System von zahlreichen kleinen Wahlbezirken in jeder Provinz abgelöst worden war, wodurch neue unabhängige Parteien, von denen viele von den Demonstranten unterstützt wurden, bessere Chancen auf Parlamentssitze erhielten.

Komplizierte Bestimmungen

Das Sainte-Lague-System beinhaltete eine komplizierte Formel, mit der die Sitze zugunsten der etablierten Parteien aufgeteilt wurden. Es wurde 2021 durch ein einfacheres Wahlsystem ersetzt, durch das die Sitze jenen Parteien mit der höchsten Stimmenzahl zugeteilt wurden. Da nun auch einzelne Kandidaten und nicht nur Parteilisten gewählt werden konnten, wurden unabhängige Politiker weiter gestärkt. In Summe sorgten diese Änderungen dafür, dass etwa 30 Kandidaten, die sich als unabhängig bezeichneten, im Jahr 2021 Sitze gewannen.

Der vom Iran unterstützte Koordinationsrahmen der schiitischen Milizen sowie führende sunnitische und kurdische Parteien wollen nun zu einem als Modified Sainte Lague bekannten Wahlsystem zurückkehren, von dem die größeren Parteien zwischen 2014 und 2021 profitierten.

Das alt-neue System würde auch für die für Oktober angesetzten Provinzwahlen gelten, die seit 2013 nicht mehr stattgefunden haben. Die zehnjährige Aussetzung dieser Wahlen ist auf Unstimmigkeiten zwischen Bagdad und den kurdischen Behörden sowie auf die große Unsicherheit im Zuge des Konflikts gegen den IS zurückzuführen.

In der vergangenen Woche debattierte das Parlament über den Entwurf, der auch die Rückkehr zu einem Wahlbezirk pro Provinz vorsieht. Unabhängige Politiker, die den Vorschlag ablehnen, verließen die Sitzung, die vorzeitig beendet wurde, nachdem die Beschlussfähigkeit des Parlaments nicht mehr gegeben war. Das Parlament sollte den Gesetzentwurf am Montag erneut erörtern, aber die Abgeordneten beschlossen, die Diskussion auf den kommenden Samstag zu verschieben.

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