Der Irak fördert nicht nur mehr Erdöl als in seinen Zielvorgaben ausgemacht, sondern will die Produktion drastisch erhöhen, was die OPEC in Schwierigkeiten bringt.
Vergangene Woche beschloss die Organisation erdölproduzierender Länder (OPEC), ihre geplante Produktionssteigerung bei der Ölförderung auszusetzen, wobei ein wichtiger Faktor die irakische Überproduktion war. Da Bagdad zusätzlich eine Reihe neuer Projekte plant, ist die Zukunft der irakischen Ölförderung von entscheidender Bedeutung für die weitere OPEC-Strategie.
Die irakische Produktion wurde von Quellen innerhalb der OPEC im Juli auf 4,251 Mio. Barrel pro Tag (BpT) geschätzt und lag damit über ihrem erklärten Ziel von vier Mio. BpT. Am Samstag gab das Ölministerium in Bagdad bekannt, bis zum Jahr 2028 sogar sechs Mio. BpT produzieren zu wollen. Der Kompensationsplan, der die Überproduktion der Vergangenheit ausgleichen würde, sähe hingegen vor, dass der Irak seine Produktion für den Rest des Jahres auf etwa 100.000 BpT unter den Zielwert von vier Mio. BpT drosselt.
Die Einhaltung des Plans wird dadurch erschwert, dass die irakisch-türkische Pipeline seit März letzten Jahres wegen eines Schiedsgerichtsurteils stillgelegt ist. Bagdad hatte sich darüber beschwert, dass Ankara gegen den Vertrag über die Pipeline verstoßen habe, indem es der halbautonomen kurdischen Region erlaubt habe, die Pipeline für ihre eigenen Ölexporte zu nutzen.
Obwohl die Türkei seit einiger Zeit erklärt, bereit zu sein, den Betrieb wieder aufzunehmen, haben die intensiven Verhandlungen zwischen der kurdischen Regionalregierung und den irakischen Bundesbehörden zu keiner endgültigen Einigung geführt. Als die Pipeline geschlossen wurde, wurde der größte Teil der Produktion der kurdischen Region, fast 400.000 BpT, stillgelegt, woraufhin die Zentralregierung in Bagdad ihre Produktion steigerte, um diesen Verlust auszugleichen. Der größte Teil der kurdischen Produktion wurde jedoch inzwischen wieder aufgenommen und wird entweder vor Ort raffiniert oder per Lastwagen in die Türkei oder den Iran geschmuggelt.
Dies erklärt die beträchtliche Überproduktion des Iraks, aber Bagdad weist die OPEC auf die Schwierigkeit hin, ihre Verpflichtungen und Zielvorgaben einzuhalten, wenn sie die kurdische Produktion nicht kontrollieren kann. Das irakische Ölministerium hat nun erklärt, Druck auf die kurdische Region auszuüben, damit diese ihre Produktion einschränkt, wobei die Regierung möglicherweise den Anteil der Region am Staatshaushalt einbehält.
Große Projekte
Trotz der anhaltenden Probleme des Iraks hat die Regierung von Premierminister Mohammed Shia Al Sudani Energie und Erdölprojekte effektiver vorangetrieben als ihre Vorgänger. So unterzeichnete sie im Juli ein seit Langem ausgehandeltes Abkommen über die Erschließung von Öl, Gas, Wasser und Solarenergie mit der franzözischen Firma TotalEnergies, durch das die Kapazität des Ratawi-Erdölfelds um etwa 150.000 BpT erhöht werden soll.
Im März genehmigte Bagdad den Entwicklungsplan für das von der russischen Lukoil entdeckte Eridu-Feld, dem größten, das seit Jahrzehnten im Land entdeckt wurde, mit einer geplanten Fördermenge von 250.000 BpT. Und auch das Faihaa-Feld, an dem das in Dubai ansässige Unternehmen Dragon Oil, eine Tochtergesellschaft der Emirates National Oil Company, beteiligt ist, wird ausgebaut.
Im Februar vergangenen Jahres schloss das Ölministerium die fünfte Lizenzierungsrunde für eine Reihe von Öl- und Gasfeldern und Explorationsblöcken ab. Im Mai führte es eine Auktion für den Rest der fünften und eine neue sechste Runde durch, bei der zehn Gebiete meist an kleinere chinesische Unternehmen vergeben wurden. In beiden Runden wurde ein neues Gewinnbeteiligungsmodell eingeführt, das sich für Investoren als attraktiver erweisen dürfte als die bisherige feste Gebühr pro Barrel.
Im vergangenen Monat wurde bekannt, dass das Ölministerium Gespräche mit seinem langjährigen Partner BP über die Wiedererschließung der Felder im Gebiet von Kirkuk führt, ebenfalls im Rahmen des Gewinnbeteiligungssystems. Als BP die Felder zuletzt 2012 untersuchte, war eine Kapazitätserweiterung um rund 300.000 BpT geplant. Theoretisch reichen diese Projekte zusammen mit Erweiterungen bestehender Anlagen aus, um das jüngst genannte Ziel von sechs Millionen BpT zu erreichen.
Das größte Hindernis dafür wäre vielmehr die bislang mangelhafte irakische Kapazität für den Ölexport. Neue und erweiterte Raffinerien können einen Teil des Rohöls im Inland verwerten. Darüber hinaus gibt es verschiedene Pläne zur Reaktivierung der vom IS zerstörten Pipeline von Kirkuk in die Türkei, zur Erhöhung der Kapazität der Häfen in Basra und zum Wiederaufbau einer Nord-Süd-Pipeline, um mehr Flexibilität zu schaffen. Für eine neue Pipeline nach Aqaba in Jordanien wurden ebenfalls die Studien wieder aufgenommen, doch stößt dies wegen der Beziehungen Ammans zu Israel auf politischen Widerstand.
Dauerhaftes OPEC-Problem
Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre Kapazität bis 2030 auf fünf Mio. BpT steigern, verglichen mit ihrem derzeitigen Produktionsziel von 2,91 Mio. BpT, das schon im kommenden Jahr erhöht werden soll. Je nachdem, was Russland tut, muss die OPEC also gegen Ende dieses Jahrzehnts möglicherweise eine zusätzliche Kapazität von 3,7 bis 5,7 Mio. BpT über die derzeitigen Ziele hinaus einplanen, die den Ölpreis wohl weiter drücken wird.
Wenn die Ölpreise auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben oder weiter sinken, wird der irakische Haushalt in Schwierigkeiten geraten. Mit 71 Dollar pro Barrel für Brent-Rohöl liegt er unter dem von der OPEC anvisierten Preis von etwa 80 Dollar pro Barrel, mit dem auch Bagdad rechnet. Dies könnte zwar einige der wichtigsten Infrastrukturprojekte verlangsamen, aber den Irak auch dazu veranlassen, noch mehr Öl zu exportieren, um das Defizit auszugleichen.
Unabhängig davon ist es unwahrscheinlich, dass der Irak seine kurzfristigen Verpflichtungen zur Drosselung der Ölförderung erfüllen wird. Seine Kollegen in der OPEC werden vorerst einen schnellen Kompromiss finden oder Druck auf Bagdad ausüben müssen. Solange keine Nachfragespitzen oder Produktionsstopps anderswo die Organisation retten, wird das Bestreben des Iraks, mehr Öl zu verkaufen, ein dauerhaftes Problem für die Organisation erdölproduzierender Länder darstellen.