Wird das neue Gesetz verabschiedet, sind Ehen im Irak für Mädchen ab neun Jahren und Jungen ab fünfzehn Jahren erlaubt.
Das Oberste Bundesgericht des Iraks bekräftigte am Dienstag, dass die Verfassung den Bürgern das Recht einräume, persönliche Statusangelegenheiten auf der Grundlage ihrer Religion, Konfession, ihres Glaubens oder ihrer Wahl zu regeln. Die Entscheidung des Höchstgerichts erfolgte inmitten der Debatte über die vorgeschlagenen parlamentarischen Änderungen des Gesetzes über den persönlichen Status.
Ein Entwurf zur Änderung des Gesetzes über den persönlichen Status von 1959 steht derzeit auf der Tagesordnung des Parlaments. Wird es verabschiedet, können die Iraker sich dafür entscheiden, in Eheangelegenheiten religiöse Regeln zu befolgen. Für Schiiten legt der Gesetzesentwurf fest, dass die Bestimmungen der Jaafari-Rechtsschule befolgt werden, die eine Heirat für Mädchen ab neun Jahren und für Jungen ab fünfzehn Jahren erlaubt.
Der Oberste Gerichtshof veröffentlichte ebenfalls letzten Dienstag auf Ersuchen des stellvertretenden Parlamentssprechers Muhsin al-Mandalawi eine Interpretation von Artikel 41 der Verfassung von 2005. In dieser Auslegung wird bestätigt, dass die Verfassung Einzelpersonen die Freiheit gewährt, ihren persönlichen Status selbst zu regeln, und kein Gesetz die in der Verfassung verankerten Rechte verletzen darf.
Verfassungskonform
»Die Verfassung gewährt dem irakischen Volk die Freiheit, seinen persönlichen Status nach Religion, Konfession, Glauben oder nach seinen persönlichen Entscheidungen zu regeln, und die Ausübung dieses Rechts darf nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt oder begrenzt werden«, heißt es in der Entscheidung des Gerichts. Der persönliche Status umfasst Entscheidungen, Verträge und Vereinbarungen wie Heirat, Scheidung und Erbschaft.
In der Auslegung heißt es weiters, dass »eine solche Ein- und Beschränkung das Wesen des Rechts oder der Freiheit gemäß Artikel 46 der Verfassung nicht beeinträchtigt, vorausgesetzt, dass die Freiheit, den persönlichen Status beizubehalten, gesetzlich geregelt ist«. Der Artikel, auf den dabei verwiesen wird, lautet: »Die Einschränkung oder Begrenzung der Ausübung eines der in dieser Verfassung festgelegten Rechte oder Freiheiten ist verboten, es sei denn, sie erfolgt durch ein Gesetz oder auf der Grundlage eines Gesetzes und soweit diese Einschränkung oder Begrenzung nicht den Wesensgehalt des Rechts oder der Freiheit verletzt.«
In der Auslegung wurde auch Artikel 41 zitiert, laut dem die Iraker »frei in ihrem Bekenntnis zu ihrem persönlichen Status gemäß ihrer Religion, Sekte, ihres Glaubens oder ihrer Wahl« seien, was gesetzlich geregelt werde. Das Gericht berief sich außerdem auf Artikel 13, der besagt, dass die Verfassung das höchste Gesetz im Land, in allen Fällen bindend und »jeder andere Rechtstext null und nichtig ist, wenn er gegen diese Verfassung verstößt«.
In der Erklärung wurde darauf hingewiesen, dass die Verfassung vorschreibt, dass »kein Gesetz erlassen werden darf, das den Konstanten der Bestimmungen des Islams, den Grundsätzen der Demokratie und den in dieser Verfassung enthaltenen Grundrechten und -freiheiten widerspricht«, während zugleich die religiösen Rechte aller anderen Religionen garantiert würden.
Laut der Zusammenfassung des Gerichtsantrags von Sprecher Mandalawi besagt der aktuell im Parlament diskutierte Änderungsantrag, dass dem Gesetz über den Personenstand eine Klausel hinzugefügt wird, die »irakischen Männern und Frauen das Recht einräumt, sich dafür zu entscheiden, die Bestimmungen des geltenden Gesetzes oder die Bestimmungen der islamischen Scharia gemäß einer bestimmten Sekte und in allen Angelegenheiten des Personenstands anzuwenden«.
Frauen benachteiligt
Wird der Änderungsantrag angenommen, können Paare die Religion jenes Ehepartners wählen, dessen Gesetze für ihre Ehe gelten sollen. Kommt es zu keiner Einigung, würde der Glaube des Mannes Vorrang haben, wodurch Frauen nicht den Glauben wählen könnten, den sie bevorzugen.
Am Samstag kritisierte der Sprecher der Islamic Scholars Association in Kurdistan, Abdullah Sherkawayi, den Änderungsvorschlag, da er »die Justiz untergraben« und de facto »Eheämter« außerhalb der Gerichte einrichten wolle. Viele Ehen im Irak sind nicht registriert und rechtlich ungültig, wenn sie von religiösen Führern geschlossen werden. Diese sollen nun legitimiert werden.
Menschenrechtsaktivisten, die sich gegen die Änderungen aussprechen, haben im ganzen Irak und in der Region Kurdistan Proteste veranstaltet. Anfang des Monats sammelten weibliche Abgeordnete Unterschriften, um das Parlament aufzufordern, »den Änderungsvorschlag dauerhaft von seiner Tagesordnung zu streichen«.
Der Änderungsvorschlag wurde von über hundert schiitischen Abgeordneten gefordert, stieß jedoch beim Rest der Legislative auf Widerstand. Im August unterzeichneten laut dem Abgeordneten Kurdo Mohammed etwa 130 Abgeordnete eine Petition gegen die Verabschiedung des Gesetzes. Eingebracht wurde der Entwurf vom unabhängigen Abgeordneten Raed al-Maliki, der Anfang des Jahres auch umstrittene Änderungen des Anti-Prostitutionsgesetzes vorschlug, mit denen jegliche Praktiken der Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen kriminalisiert würden.