Berichten zufolge gibt es Bemühungen in Bagdad, den syrischen Präsidenten Ahmed al-Sharaa wegen Terrorismusvorwürfen von der Teilnahme am Gipfeltreffen der Arabischen Liga abzuhalten.
Das irakische Parlament hat aufgrund von Vorwürfen des Terrorismus und der Urkundenfälschung die Verhaftung des syrischen Präsidenten Ahmed al-Sharaa beantragt. Ein durchgesickertes Memo, das vom US-Portal The Media Line veröffentlich wurde, belegt, dass Abgeordnete den Antrag an die Staatsanwaltschaft in Bagdad geschickt haben, in dem eine Untersuchung und gegebenenfalls eine Verhaftung von al-Sharaa gefordert, sollte er irakisches Hoheitsgebiet betreten.
Diese Forderung nach rechtlichen Schritten gegen den syrischen Präsidenten erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem al-Sharaa anlässlich des bevorstehenden Gipfeltreffens der Arabischen Liga zu einem Besuch im Irak erwartet wird und spiegelt die tiefen Spaltungen innerhalb der irakischen politischen Führung wider.
Eine hochrangige diplomatische Quelle in Bagdad teilte The Media Line mit, dass al-Sharaa der Beteiligung an Bombenanschlägen und anderer terroristischer Handlungen sowie der Verwendung gefälschter Dokumente während seines früheren Aufenthalts im Irak beschuldigt wird. Das Dokument bezeichnet ihn mit seinem früheren Kampfnamen Abu Mohammad al-Julani, den er als Anführer der dschihadistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und ihrer Vorgängerin, der Jabhat al-Nusra, trug.
Die Kontroversen um al-Sharaa rühren von dieser Vergangenheit her. So war er einst im berüchtigten irakischen Gefängnis Camp Bucca inhaftiert und soll dort Verbindungen zu hochrangigen al-Qaida-Führern geknüpft haben, darunter auch dem späteren Anführer des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi. Nach seiner Freilassung kehrte al-Sharaa nach Syrien zurück und wurde Gründungskommandeur der Jabhat al-Nusra, bevor er sich 2016 von al-Qaida lossagte und die HTS gründete.
Obwohl westliche Regierungen die HTS als terroristische Organisation eingestuft haben, gelang es al-Sharaa später, sein öffentliches Image durch politische Manöver und Medienarbeit aufzupolieren und übernahm nach dem Sturz des Assad-Regimes im Jahr 2024 die Führung der syrischen Übergangsregierung.

Heftige Auseinandersetzungen
Berichten zufolge habe al-Sharaas angekündigte Teilnahme am Gipfel der Arabischen Liga heftige Proteste in politischen Kreisen in Bagdad ausgelöst. Über fünfzig irakische Abgeordnete haben beim Parlamentspräsidenten eine formelle Petition eingereicht, in der sie die Regierung auffordern, al-Sharaa die Einreise zu verweigern. Wie die Abgeordneten erklärten, dürfe der Irak keinen Führer empfangen, der einst mit bewaffneten Aufständen in Verbindung stand – insbesondere nicht bei einem hochkarätigen diplomatischen Treffen.
Der Abgeordnete Yousef al-Kalabi vom schiitischen Koordinierungsrahmen bezeichnete den Schritt als »moralische und nationale Pflicht, die Opfer und ihre Familien zu ehren« und verwies dabei auf al-Sharaas Verbindungen zu den Aufständen nach dem Sturz des Saddam-Regimes im Jahr 2003: »Al-Sharaa in den Irak zu lassen, wäre ein Verrat an der Erinnerung der Iraker, die unter dem Terrorismus gelitten haben, an dem [der nunmehrige syrische Präsident] beteiligt war.«
The Media Linie zitiert in dem Zusammenhang den Syrien-Experte Mustafa al-Nuaimi, der erklärte, dass »solche Äußerungen die berechtigten Befürchtungen einiger irakischer Fraktionen hinsichtlich der Rehabilitierung von Persönlichkeiten widerspiegeln, die mit der gewalttätigen Vergangenheit des Iraks in Verbindung stehen. Al-Sharaa hat in den letzten zwei Jahrzehnten viel Zeit im Irak verbracht und mehrere Sicherheitsberichte bringen ihn mit extremistischen Aktivitäten in Verbindung, insbesondere während der US-Besatzung und den darauffolgenden Jahren der konfessionellen Konflikte.«
Im Gegensatz zum Widerstand im Parlament hat der irakische Premierminister Mohammed Shia al-Sudani die Teilnahme von al-Sharaa begrüßt und bestätigt, dass eine offizielle Einladung an Damaskus ausgesprochen wurde.
Bei einer Pressekonferenz bezeichnete al-Sudani diesen Schritt als Teil der diplomatischen Bemühungen: »Syrien ist ein Bruderstaat und wir dürfen seine Rolle in der sich wandelnden arabischen Landschaft nicht ignorieren«, sagte er und forderte die Kritiker auf, »sicherheitspolitische Altlasten von den politischen Realitäten der Gegenwart zu trennen«. Abschließend betonte er das Bestreben des Iraks, als regionaler Vermittler zu fungieren.
Gerechtigkeit oder Realpolitik?
Der Gipfel der Arabischen Liga in Bagdad wurde ursprünglich als Chance für den Irak beworben, diplomatische Bedeutung im Nahen Osten nach dem Konflikt zurückzugewinnen. Doch die Einladung al-Sharaas droht nun die angepeilte Botschaft der Einheit zu überschatten.
Firas al-Khalidi, ein in Kairo ansässiger syrischer Oppositionsführer, erklärte gegenüber The Media Line, dass »die Teilnahme von al-Sharaa, sollte sie stattfinden, ein Lackmustest dafür sein wird, wie weit die arabischen Staaten bereit sind, ehemalige militante Führer, die in politische Ämter wechseln, zu akzeptieren«. Die arabischen Regierungen würden die Handhabung dieser Frage durch Bagdad genau beobachten, da sie einen Präzedenzfall für die Wiedereingliederung umstrittener Persönlichkeiten in die regionale Gemeinschaft schaffen könnte.
»Im Kern geht es bei der Debatte nicht nur um die Vergangenheit eines einzelnen Mannes, sondern darum, ob arabische Regierungen Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht mit pragmatischer Diplomatie in Einklang bringen können«, schließt Rizik Alabi seinen Media-Line-Artikel. Während Bagdad sich auf einen der bedeutendsten arabischen Gipfeltreffen der jüngeren Geschichte vorbereitet, bei dem al-Sharaas Anwesenheit als Symbol für einen Wandel stehen und zeigen könnte, dass ehemalige Kämpfer sich zu Staatsmännern entwickeln können, sei für viele Iraker das Trauma der vergangenen Gewalt noch nicht überwunden.
Die über den unmittelbaren Anlass hinausgehende größere Frage bei diesem risikoreichen Balanceakt der Diplomatie bestehe nach Alabi darin, »ob die Region vorankommen kann, indem sie umstrittene Persönlichkeiten in neue politische Strukturen integriert, oder ob dabei die Gefahr besteht, das Misstrauen zu vertiefen und die Bemühungen um eine Übergangsjustiz zu untergraben«.