„Ein Laptop, der wenige Tage vor ihrer eigenen Gefangennahme sichergestellt werden konnte, bietet aufschlussreiche Einblicke in die sich entwickelnde Vorstellungswelt einer europäischen Jihadistin und ihre letzten Tage im zusammenbrechenden Kalifat. (…) Der Laptop gehörte einer Flämisch sprechenden Belgierin marokkanischer Abstammung. Sie gehört zu den mehr als 500 Belgiern, die nach Syrien oder in den Irak gereist sind, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen. (…) Im Gegensatz zu Interviews mit gefangen genommenen oder abtrünnigen Angehörigen des Islamischen Staats bietet der Laptop eine freimütig Darstellung der Vorstellungswelt dieser Frau, einschließlich ihrer Zweifel und Fragen, von denen sie vermutlich annahm, dass niemand außer ihr sie je zu sehen bekommen würde. Bei Interviews und anderen Erklärungen der gefangen genommen ehemaligen Kämpfer besteht in der Regel das Problem, dass diese sich nun von der sinnlosen Gewalt, die mit dem Kalifat assoziiert wird, distanzieren und selbst als Opfer darstellen möchten.
Zu keinem Zeitpunkt scheint sich bei dieser Belgierin eine Ernüchterung über das zunehmends krisenhafte Projekt des Islamischen Staats eingestellt zu haben. Stattdessen besuchte sie in den letzten Wochen vor ihrer Gefangennahme im Spätsommer häufig die flämische Wikipedia-Seite über den Krieg in Afghanistan und schaute sich wiederholt YouTube-Videos an, die den massiven Beschuss von Stellungen der Taliban in Afghanistan durch amerikanische Erdkampfflugzeige vom Typ AC 130 zeigen. Man gewinnt den Eindruck, dass dies der Bestätigung ihrer Radikalisierung und der erneuten Rechtfertigung ihrer Überzeugungen dienen sollte. Airwars, eine Organisation, die die Luftschläge der Koalition gegen den Islamischen Staat verfolgt, zufolge wurde Raqqa im August von mehr als 5000 Bomben, Granaten und Raketen der von den USA angeführten Koalition getroffen. Das entspricht einem Geschoss alle acht Minuten. Trotz des um sie herum zunehmenden Chaos ging die Belgierin weiterhin ins Internet, um sich enorme Mengen US-amerikanischer Kriegsaufnahmen anzusehen.
Auf der Festplatte befindet sich mehr als ein Terabyte Pornografie. Dabei ist alles von: ‚Das erste Mal genießen’ bis hin zu: ‚Mache ihn zu Deinem Lehrer’. Auch die pornografische Website RedTube wurde regelmäßig besucht. Trotz all der Pornografie kommt die Frömmigkeit aber nicht zu kurz. So hörte sie sich wiederholt Vorträge von jihihadistischen Klerikern mit Verbindungen zum Islamischen Staat und al-Qaeda an, darunter der Amerikaner Anwar al Awlaki und Hossam Abuld Raouf. Zudem befand sich auf der Festplatte eine stattliche Sammlung an PDFs – von dem Islamischen Staat nahestehenden religiösen Traktaten bis zu Texten weniger radikaler Gruppen wie der Muslimbruderschaft. Dazu gehörte ein Text, ‚Ich gehörte der Muslimbruderschaft an’, in der der ideologische Wandel eines Jihadisten vom Angehörigen der ägyptischen Muslimbruderschaft zum Kämpfer des Islamischen Staats geschildert wird. (…)
Das Ausmaß ihrer ideologischen Bindung an den Islamischen Staat, auf das die Untersuchung ihres Laptops hindeutet, ist wenig überraschend. ‚Wir wissen, dass es keinen Grund gibt, davon auszugehen, dass Frauen sich dem Islamischen Staat ideologisch weniger verpflichtet fühlen als Männer. Bei beiden gibt es eine Reihe von Gründen für den Anschluss an den Islamischen Staat’, so Elizabeth Pearson, eine Doktorandin am King’s College London, die auch als assoziierte wissenschaftliche Mitarbeitern für die Londoner Denkfabrik RUSI tätig ist.“ (Gareth Browne: „Piety and Porn: The Laptop Secrets of an ISIS Wife“. In einem Punkt hat Browne einen Fehler von Youtube übernommen: AC-130 ist ein Transportflugzeug, bei dem Video handelt es sich vermutlich um den Einsatz einer A-10.)