In Syrien geht der Sprit aus

Von Thomas von der Osten-Sacken

In Syrien geht der Sprit ausSeit Tagen stehen die Räder in Syrien, zumindest in den Teilen, die das Regime kontrolliert, im wahrsten Sinne des Wortes still. Denn Benzin ist so knapp geworden, dass es streng rationiert wird – und wo es überhaupt noch erhältlich ist, bilden sich lange Schlangen vor den Tankstellen. Der Grund: Über Jahre hielt der Iran seinen Alliierten in Damaskus mit großzügigen Krediten über Wasser. Nur ist damit Schluss, seit die neuen US-Sanktionen, zusätzlich zur eigenen Misswirtschaft, die ökonomische und finanzpolitische Krise des Regimes in Teheran immer weiter vergrößern.

Sorgte die Islamische Republik also früher für den Benzinnachschub, kommen, wie es aus Damaskus heißt, seit Monaten keine iranischen Tanker mehr in syrischen Häfen an. Und die eigenen Vorräte sind längst aufgebraucht. Schließich stehen die syrischen Ölfelder unter Kontrolle der kurdischen PYD. Die verkauft zwar weiterhin Öl an Damaskus, nur haben nun syrische Rebellen, die die Transitwege kontrollieren, begonnen, den Transport zu unterbinden:

„Ahrar Al-Sharqiya hat alle Tankwagen daran gehindert, über die Abu Al-Zainuddin-Kreuzung in die [vom Regime] besetzten Gebiete von Aleppo zu fahren. Zugleich zeigte die offizielle Nachrichtenagentur von Hayaat Tahrir Al-Shaam, der führenden Fraktion in der nördlichen [Rebellen-]Hochburg, Bilder von illegalen Lieferungen, die gestern an der Grenze konfisziert wurden.“

Ansonsten hat das syrische Regime kaum Möglichkeiten auf dem internationalen Ölmarkt aktiv zu werden, schließlich steht es unter recht strengen Sanktionen seitens der EU und der USA. Und wie es aussieht, versuchen die USA gerade, diese Sanktionen auch so strikt wie möglich umzusetzen, mit dem Ziel, das Assad-Regime endlich zu Zugeständnissen zu zwingen. Ob dies gelingt ist fraglich, denn in den vergangenen acht Jahren blieb Damaskus immer bei seinem Standpunkt, dass das ganze Land wieder von der Zentralregierung kontrolliert werden müsse. Dass es dem Druck nun nachgibt, ist deshalb sehr zweifelhaft.

Dabei befinden sich große Teile des Landes in der Hand kurdischer Kräfte oder von der Türkei unterstützer Rebellen bzw. direkt unter türkischer Kontrolle. Trotz der wirtschaftlichen Krise besteht Damaskus jedoch auf seinem Herrschaftsanspruch, den es weiter versucht, mit Gewalt durchzusetzen. So bombardierte die syrische Armee in den vergangenen Wochen wieder die in Händen von Rebellen befindliche Provinz Idlib. In dieser Zeit sollen erneut Hunderte von Zivilisten zu Tode gekommen und fast zweihunderttausend zu Binnenvertriebenen gemacht worden sein. Das Leiden und Sterben in Syrien geht auch dann weiter, wenn internationale Medien nicht mehr darüber berichten.

In Syrien geht der Sprit ausUnd doch schien das Regime fester im Sattel als je zuvor und gab sich schon ganz siegessicher. Umso härter trifft es die akute Benzinkrise, die nicht nur den Bewohnern Syriens sondern auch international demonstriert, wie marode Assads Syrien in Wirklichkeit ist. De facto bankrott, hält es sich eigentlich nur noch dank russischer und iranischer Hilfe über Wasser. Und die jüngste Entwicklung zeigt: Sobald diese Hilfe nicht mehr fließt, sehen sich die Herrschenden in Damaskus mit existentiellen Problemen konfrontiert. Schon gehen Gerüchte um, dass sich der wachsende Unmut der Bevölkerung auch in Protesten entladen könnte:

„Die jüngsten Engpässe haben die Frage aufgeworfen, ob eine neue Phase von Protesten gegen die wirtschaftlichen Sparmaßnahmen absehbar sein könnte. Neben den Kürzungen der ausländischen Finanzhilfen machen viele Einwohner auch die Misswirtschaft und Korruption im Land verantwortlich. Da acht von zehn Syrern unter der Armutsgrenze leben, können sich viele noch nicht einmal den subventionierten Treibstoff leisten, wobei einige die Situation heute für schlimmer halten als auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs vor vier Jahren.

 Allerdings hat die Regierung versucht, die in den sozialen Medien geäußerte Kritik abzuwürgen; der Manager der Facebook-Seite Hashtag Syrien wurde diesen Monat von den Sicherheitskräften verhaftet. Er wird beschuldigt, Panik zu schüren und einen Ansturm auf Tankstellen zu verursachen, nachdem auf seiner Seite weitere Preissteigerungen für Kraftstoff vorausgesagt wurden. Seine Verhaftung zog selten geäußerte, öffentliche Kritik von Abgeordneten und Redakteuren staatlicher Zeitungen nach sich.“

Das Regime hat in den vergangenen Jahren nur zu deutlich demonstriert, wie es mit Dissidenz umgeht, alleine die Zehn- wenn nicht Hunderttausenden, die qualvoll in den Gefängnissen der Diktatur zu Tode gefoltert wurden, sprechen eine deutliche Sprache. Ob es deshalb Menschen in Städten wie Damaskus oder Aleppo wagen werden, auf die Straße zu gehen, ist äußerst fraglich. Unmöglich ist es nicht. Gerade haben die Entwicklungen in Algerien und dem Sudan gezeigt, auf wie tönernen Füßen, die Herrschaft in der Region steht und wie schnell und unerwartet Diktatoren stürzen können.

Optimistisch etwa äußerte sich jüngst Anwar al-Buni, ein prominenter syrischer Intellektueller der Opposition. Das Regime sei, meinte er, näher am Kollaps, als viele dächten und erodiere in rasanter Geschwindigkeit. Erneut gäbe es auch Informationen, dass hochrangige Mitglieder aus Regierung und Militär versuchten das Land zu verlassen.

In Syrien geht der Sprit ausSolche Stellungnahmen mögen auch von einem gewissen Wunschdenken geprägt sein, doch ganz falsch sind sie nicht. Wie das Assad Regime nämlich langfristig überleben will, ist völlig unklar. Es bräuchte mehrere hundert Milliarden US-Dollar, um das zerstörte Land wieder aufzubauen. Und dieses Geld wird unter den bestehenden Umständen niemand zur Verfügung stellen. Zugleich wachsen die Spannungen zwischen seinen beiden Alliierten, dem Iran und Russland. Erst jüngst wieder schossen in Aleppo Milizionäre aufeinander, die jeweils von Teheran oder Moskau unterstützt wurden. Und dem Iran geht zunehmend das Geld aus, ohne finanzielle Hilfe aus Teheran aber können die Abertausenden von Milizionären in Syrien ihren Dienst für das Regime nicht verrichten.

Wer ernsthaft der Propaganda aus Damaskus und Moskau Glauben schenkte, Assad sei der Sieger dieses blutigen Krieges, wird deshalb gerade eines besseren belehrt: Der Konflikt ist noch lange nicht zu Ende und über das Schicksal des Diktators in Damaskus ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen.

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