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In Israel wird die Lage immer komplizierter

Wahlen in Israel
Wahlen in Israel (© Imago Images / UPI Photo)

Nachdem 99 Prozent der israelischen Wählerstimmen ausgezählt worden sind, sieht die politische Landschaft noch aussichtsloser aus als zuvor.

Der rechte Parteienblock mit dem amtierenden Premierminister Benjamin Netanjahu an der Spitze bleibt stabil bei 59 Mandaten, während seine Herausforderer bestenfalls 52 Mandate auf die Beine stellen. Für eine Mehrheit im Parlament fehlen Netanjahu noch zwei Stimmen. Eine Regierungsbildung wäre nur möglich, wenn es Netanjahu gelingt, zwei Abgeordnete des anderen Lagers zum „Verrat“, also dem Überlaufen in das rechte Lager, zu überzeugen. Noch hat sich niemand gemeldet, der diesen fatalen Schritt wagen würde.

Überläufer?

Gleichwohl hat die Jerusalem Post eine ganze Reihe von möglichen Kandidaten für den Wechsel in das „feindliche“ Lager veröffentlicht. Unter ihnen war Orly Levy-Abecassis, die Leiterin der Gescher-Partei im Bündnis der Linksparteien. Sie ist die Tochter des früheren Außenministers David Levy und würde liebend gerne Gesundheitsministerin werden. Sie hatte die Israel-Beiteinu-Partei von Avigdor Liberman verlassen, ehe sie Gescher gründete.

Unter den Aufgezählten ist auch Omer Yankelevich, eine Abgeordnete der Blau-Weiß-Partei, die die zweite ultraorthodoxe Abgeordnete in der Knesset war. Sie soll laut einer geheimen Tonaufnahme ihren Partei-Chef Benny Gantz als „dummen Verlierer“ bezeichnet haben, der nicht fit sei, Regierungschef zu werden. Die Likudpartei habe ihr schon mit weiteren Tonaufnahmen gedroht zu privaten Angelegenheiten, die sie geheim halten wolle. Orly Fruman pflege laut Jerusalem Post „rechte Ansichten“ und hat Benny Gantz aufgerufen, eine große Koalition mit Netanjahu einzugehen. Das erregte Unmut in ihrer derzeitigen Blau-Weiß-Partei.

Als letztes wurde sogar Amir Peretz genannt, der ehemalige Parteiführer der Arbeitspartei. Um zu zeigen, dass er sich „niemals“ einer Regierung unter Netanjahu anschließen würde, hatte er sich sein Markenzeichen abrasiert: den mächtigen Schnurrbart. Doch bekanntlich kann man einen Bart schnell wieder nachwachsen lassen. Er war unter Netanjahu schon einmal Verteidigungsminister und würde diesen Posten wohl gerne wieder übernehmen. 

Mandat an die Knesset?

Der linksliberale Block hinter Beny Gantz ist noch weiter zurückgefallen, auf nur noch 52 Mandate. Niemand kann unter diesen Umständen mit der notwendigen Mehrheit von einer einzigen Stimme im Parlament mit 120 Sitzen eine Regierung bilden.

In den Medien wird spekuliert, dass Staatspräsident Reuven Rivlin keinen Politiker beauftragt, eine Regierung zu bilden, sondern das Mandat an die Knesset übergibt. Erstmals in der Geschichte des Staates Israel hätten die Abgeordneten dann den Auftrag, einen Kandidaten aus ihren Reihen zu finden, der nächster Premierminister werden sollte.

Das Wahlergebnis hat bei kleineren Parteien teilweise Euphorie ausgelöst. Die israelischen Araber feiern „den größten Erfolg“ seit 1948. Sie errangen gemäß dem derzeitigen Stand mit ihrer „Gemeinsamen Liste“ ganze 15 Mandate. Sie besteht aus Kommunisten, Nationalisten und Islamisten und begrüßt teilweise den palästinensischen Terror. Einer ihrer Abgeordneten, ein Beduine, ist mit 2 Frauen verheiratet. Dieses arabische Sammelsurium gilt den zionistischen Parteien als regierungsunfähig. Niemand will mit ihnen eine Koalition eingehen, zumal es heißt, dass sie von der palästinensischen Regierung in Ramallah „gesteuert“ würden.

Niedergang der Linken

Auf der anderen Seite ist die israelische Sozialdemokratie mit den Befürwortern einer „Zweistaatenlösung“ de facto abgeschafft. Das linke Parteienbündnis besteht aus der ehemals allmächtigen Arbeitspartei, der linksextremistischen Meretz-Partei und der Gescher-Partei (Brücke), die zusammen nur noch 7 Mandate erhielten.

Das ist ein historisches Tief für die „Linke“, der einst Staatsgründer David Ben Gurion, Jitzhak Rabin und Schimon Peres angehörten, und die 1994 die Osloer Verträge mit den Palästinensern ausgehandelt hatte. Ihr dramatischer Niedergang wurde mit dem Blutbad besiegelt, das Jassir Arafat nach seiner „Rückkehr“ auf den Straßen Israels ausgelöst hatte, dem dann der Mord an Rabin durch den israelischen Rechtsextremisten Jigal Amir folgte. Von diesen Ereignissen haben sich die Linken bis heute nicht erholt.

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