Die als elfjähriges Mädchen aus dem irakischen Sindschar entführte Jesidin war nach Gaza gelockt und dort jahrelang gefangen gehalten worden.
Am 3. September veröffentlichte die Jerusalem Post die Geschichte der Jesidin Fawzia Amin Sido, die 2014 als elfjähriges Mädchen aus ihrem Haus im irakischen Sindschar nach Raqqa entführt wurde, wo sie auf dem Sklavenmarkt an einen offenbar einer Hamas-Familie entstammenden palästinensischen IS-Kämpfer verkauft und gezwungen wurde, diesen zu heiraten.
Das körperlich und sexuell misshandelte Mädchen wurde schwanger und brachte in sehr jungen Jahren zwei Kinder zur Welt. Nachdem sie mit ihrem Mann zwischen verschiedenen Dörfern an der syrisch-irakischen Grenze hin- und herziehen musste, wurde dieser von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) schließlich als tot gemeldet. Danach gelang es seiner Familie, die junge Frau nach Gaza zu locken, wo sie und ihre Kinder nach einer vierjährigen Reise durch die Türkei und Ägypten im Jahr 2020 im Gazastreifen ankamen.
Doch auch dort litt Sido unter der Familie ihres Mannes, die sie, wie die Jerusalem Post schreibt, mit den Kindern im Haus gefangen hielt. Im Zuge der israelischen Luftangriffe gelang ihr Ende 2023 die Flucht. Sie besorgte sich ein Handy und veröffentlichte ein Video ihrer Geschichte auf TikTok. Über den kurdischen Sender Rudaw News gelang es, ihre überlebenden Familienmitglieder ausfindig zu machen.
In einem Gespräch mit der Jerusalem Post schilderte die junge Frau im September, wie »schlecht« ihre Situation ist: »Die Lage hier ist in vielerlei Hinsicht ernst. Ich muss einen Weg finden, so schnell wie möglich hier rauszukommen. Ich möchte zu meiner Familie zurückkehren.« Sido beschrieb schreckliche Misshandlungen und Leiden durch die Familie ihres Mannes und die Hamas-Behörden, die zu Selbstmordversuchen und sogar einem Monat Zwangseinweisung in eine psychiatrische Anstalt geführt hatten.
»Mit der Zeit wurde ich psychisch immer kränker und bekam Angst vor allem, was mit der Hamas zu tun hatte, weil sie mich ins Krankenhaus gebracht hatten.« Sie sei auch von der Hamas gefoltert worden, aber dort, wo sie sich zurzeit aufhalte, operiere die Hamas kaum noch, da sie das Gebiet nicht mehr kontrolliere, wodurch sie sich ein wenig sicherer fühle.
Allerdings sei sie verzweifelt und frage sich, »ob es irgendeinen Nutzen hat, wenn ich mit Ihnen über mein Leben spreche, oder ermüdet es mich nur? Denn viele haben mich gefragt und ich habe ihnen alles erzählt, aber leider ohne Erfolg.« Sie habe keinen Kontakt zur Familie ihres Entführers mehr, die ihre Kinder immer noch festhält. »Ich hoffe, dass sich alle für die entführten jesidischen Frauen einsetzen«, sagte die junge Frau damals abschließend.
Endlich frei
Wie nun bekannt wurde, ist es nach langwierigen bürokratischen und diplomatischen Verfahren und mehreren gescheiterten Versuchen endlich gelungen, Sido zu befreien, sodass die junge Jesidin den Gazastreifen verlassen konnte. Aktuell wird sie in einer amerikanischen Einrichtung in der Region behandelt und ist auf dem Weg zu ihrer Familie.
Die Bemühungen hinter den Kulissen trieb der kanadisch-jüdische Geschäftsmann Steve Maman voran, der wegen seiner Rettungs- und Hilfsaktionen für Tausende Jesidinnen in IS-Gefangenschaft auch als der »jüdische Schindler« bekannt ist. Maman ist Gründer der Organisation The Liberation of Christian and Yazidi Children of Iraq (CYCI), die 140 jesidische Frauen und Kinder aus den Händen ihrer Entführer befreite und Tausende von Flüchtlingen finanziell unterstützte, um ihnen eine sichere Überfahrt nach Deutschland zu ermöglichen. Außerdem betreut sie über 25.000 jesidische, christliche und muslimische Familien in kurdischen Lagern.
In einem Gespräch mit der Jerusalem Post beschrieb Maman seine Erschöpfung, denn »dies war die schwierigste Rettungsaktion, an der ich je teilgenommen habe«. Viele der dazu notwendigen Schritte seien extrem kritisch und schmerzlich gewesen, aber der Erfolg der Mission heile die Wunden und entschädige für Mühen und Qualen auf dem Weg dorthin.
Das Resultat sei ein Lichtblick für ihn, denn nun habe die Fawzia Amin Sido »die Chance, ihr Leben neu aufzubauen. Sie war elf Jahre alt, als sie entführt wurde, und kein Kind entscheidet sich in diesem Alter dafür, eine Geisel von IS/Hamas zu werden.« Was er für die Jesidin getan habe, hätte er auch für jeden anderen getan, unabhängig von seiner Religion. »Das ist es, was uns als Juden besonders macht: Wir sind bereit, über die Staatsangehörigkeit hinauszuschauen, und darüber, dass jemand aus einem Land stammt, das uns eigentlich hasst. Wir sind bereit, den menschlichen Aspekt des Lebens zu sehen. Wir sind bereit, allen Menschen zum Erfolg zu verhelfen.«
Er müsse all seinen Kontakten in den USA, im Irak, in Jordanien und in Israel danken, sagte Maman, ebenso wie dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden und den Vereinten Nationen, die durch die Entsendung eines gesicherten Krankenwagens geholfen haben, und allen anderen, die an dieser Operation beteiligt waren.
Dies sei zwar ein glücklicher Anlass, »aber ich kann nicht sagen, dass ich aus ganzem Herzen feiern kann, denn ich habe immer noch über hundert Brüder und Schwestern, die in Gaza in einer schlimmen Situation festsitzen«. Und auch für die Rückkehr der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln »werde ich mich weiterhin einsetzen, auf welche Weise immer ich kann«.
I made a promise to Fawzia the yazidi who was hostage of Hamas in Gaza that I would bring her back home to her mother in Sinjar. To her it seemed surreal and impossible but not to me, my only enemy was time. Our team reunited her moments ago with her mother and family in Sinjar pic.twitter.com/KuN9JPuGOb
— Steve maman (@stevemaman) October 2, 2024