Im zweiten Teil des Mena-Talks spricht die Juristin, Kabarettistin und Publizistin Michaela Dudley mit Jasmin Arémi über die Neuauflage ihres Buches Race Relations – Essays über Rassismus, über Antisemitismus, Rassismus und problematische mediale Narrative.
Diskriminierung, sagt Michaela Dudley, sei nie eindimensional. Antisemitismus und Rassismus treten oft gemeinsam auf, und werden doch gegeneinander ausgespielt. In der aktuellen Israel-Debatte beobachtet sie, wie Aktivisten gezielt koloniale Begriffe aneignen, um Ressentiments zu schüren. Anhänger der Intifada bezeichneten Israelis pauschal als »weiße Siedler«, sie sprächen von Kolonialismus und Ausbeutung, als ginge es um ein postkoloniales Lehrbuch.
»Sie hoffen, dass Schwarze auf diese Narrative hereinfallen und ihre eigenen Frustrationen daran abarbeiten. Jüdinnen und Juden werden so zu Projektionsflächen. Und jene, die gegen Israel agitieren, profitieren von der Spaltung.«
Die Methode sei simpel, fast primitiv, und dennoch wirksam. Mit codierter Sprache, Memes und stereotypen Bildern werde Emotionalität erzeugt, die trenne statt verbinde. Dudley erkennt darin populistische Muster, die sich längst nicht nur in rechten, sondern auch in linken Aktivismus-Milieus zeigen.
Gleichzeitig betont sie, dass die Geschichte schwarzer und jüdischer Menschen tief ineinandergreift, wie Zahnräder, manchmal mit Reibung, aber stets verbunden. Sie erinnert an die Bürgerrechtsbewegung in den USA, an Martin Luther King, der Israel nach dem Sechstagekrieg als »Oase der Demokratie« bezeichnete. Viele jüdische Aktivistinnen und Aktivisten standen damals an der Seite der Bewegung, ob beim Freedom Summer 1964 oder in den Protesten nach der Ermordung von George Floyd.
»Ich erinnere schwarze Menschen daran: Es reicht nicht, zu sagen, man stehe zu Israel. Man muss es sichtbar machen. Denn jüdische Menschen sind auch oft für uns eingestanden. Diese Solidarität existiert, aber sie wird in der BIPoC-Community zu selten ausgesprochen.«
Scharfe Kritik
Dudleys Kritik an der Free-Palestine-Bewegung ist scharf. Sie nennt sie »inhärent rassistisch«. Weiße Aktivisten, die Antikolonialismus predigen und gleichzeitig mit Kuffiyas als Modeaccessoire herumlaufen, offenbarten ein eklatantes Bewusstseinsdefizit. »Es fehlt das Verständnis für die kulturelle und politische Bedeutung dieser Symbole. Zugleich werden moderate palästinensische Stimmen oder jüdische Menschen, die differenziert argumentieren, ausgeschlossen.«
Ein Erlebnis ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: Eine jüdische Lesbe wollte bei einer Demonstration gegen rechts mitlaufen, trug einen Davidstern in Regenbogenfarben, und wurde von den Organisatoren »aus Sicherheitsgründen« ausgeschlossen. »Eine Jüdin wurde von einer Anti-Nazi-Demo ausgeschlossen. Das sagt alles.«
Die Haltung vieler Aktivisten sei dabei nicht nur antisemitisch, sondern auch rassistisch gegenüber Palästinensern selbst.
»Es ist der Rassismus der geringen Erwartungen. Wenn man hinnimmt, dass palästinensische Kinder mit Hass erzogen werden; wenn man applaudiert, wenn Vernichtungsparolen gegen Israel skandiert werden, dann ist das rassistisch. Denn man traut diesen Menschen nicht zu, sich für Demokratie, Freiheit oder Menschenrechte zu interessieren.«
Die Reaktionen auf ihr Buch seien überwiegend positiv, erzählt Dudley. Viele Leserinnen und Leser schätzten, dass sie Zusammenhänge sichtbar mache, zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Rassismus. Kritik komme vor allem aus der Free-Palestine-Szene. »Aber das bestätigt mich nur«, sagt sie trocken. »Ich decke Strukturen des Hasses auf. Ich frage immer gerne: Was unterscheidet einen Neonazi von einem weißen ›Savior‹? Antwort: Der Neonazi weiß immerhin, dass er ein Rassist ist.«
Was ihr im Umgang der Medienlandschaft mit diesen Themen auffällt, ist ein Mangel an Objektivität. Pressefreiheit sei ein hohes Gut, und verpflichte dazu, Fakten zu prüfen, auch wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen. Zu oft würden plakative Zahlen unkritisch übernommen. Wie etwa die Behauptung, in Gaza würden binnen 48 Stunden 14.000 Babys sterben, wobei sich später herausgestellt hat, dass sich die Zahl auf mögliche Todesfälle innerhalb eines ganzen Jahres bezog. Oder Meldungen über Hunderttausende Hungertote: Laut Angaben des Hamas-eigenen Gesundheitsministeriums seien es bis August 2025 rund 313 gewesen.
»Auch das ist tragisch«, sagt Dudley, »aber etwas völlig anderes. Solche Korrekturen werden kaum berichtet, weil sie das vorherrschende Narrativ stören. Das ist unprofessionell, und gefährlich.« Denn diese Narrative prägen unsere Nachrichten. Wenn Aktivisten auf Social Media von 700.000 Toten sprechen, übernehmen viele das unreflektiert. Mathematik und Logik sind dabei zweitrangig.
»Israel hat rund zwei Millionen arabischstämmige Bürgerinnen und Bürger, die dort weitgehend friedlich leben. Trotzdem wird behauptet, Israel wolle zwei Millionen Menschen im Nachbargebiet vernichten. Das ist absurd.« Dudley nennt das die »Entfremdung von Fakten«. Gemeint ist ein kollektiver Rauschzustand.
»Wir leben im Zeitalter der Postkompetenz. In der Free-Palestine-Bewegung gibt es keine demokratischen Ziele und keine Forderung nach Frauenrechten, LGBTQ-Rechten oder Bürgerrechten. Nur Hass. Und das mit Meinungsfreiheit zu verwechseln, ist gefährlich.«






