Eine geplante Gesetzesnovelle würde die Stellung von Frauen massiv verschlechtern. Erlaubt wären dann auch Kinderehen ab 9 Jahren.
Im Irak sorgt eine von der schiitischen Parlamentsmehrheit forcierte Reform des Personenstandsgesetzes für heftige Kontroversen. Die Änderung des Gesetzes, das seit 1959 in Kraft ist, sieht vor, dass Personenstandsfragen künftig je nach Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandelt werden sollen. Insbesondere Frauen laufen gegen die vorgeschlagenen Änderungen Sturm, sehen sie darin doch eine massive Verschlechterung der Lage für Frauen, die der schiitischen Religion zugerechnet werden.
Rund 60 Prozent der irakischen Bevölkerung sind Schiiten, ungefähr ein Drittel Sunniten. Die beiden großen Strömungen des Islam weisen in etlichen Rechtsangelegenheiten teils große Unterschiede auf, die mit der geplanten Gesetzesnovelle zum Tragen kommen würden. Für schiitische Frauen würden die Änderungen in mehreren Rechtsbereichen, darunter im Erb-, Familien- und Sorgerecht, deutliche Verschlechterungen mit sich bringen.
»Genuss«-Ehen
Besonders umstritten ist der Umstand, dass mit der Gesetzesnovelle Kinderehen gesetzlich anerkannt würden. Die dschafaritische Rechtsschule der Schia erlaubt Hochzeiten von Mädchen ab dem Alter von neun und von Buben ab dem Alter von 15 Jahren (bislang liegt das gesetzlich erlaubte Heiratsalter bei 18 Jahren).
Schon bisher gibt es im Irak zahlreiche Ehen vor dem 18. Lebensjahr, Schätzungen sprechen von einer halben Million Kinderehen unter dem Alter von 15 Jahren. Aktuell sind diese von Geistlichen geschlossenen Ehen aber nicht rechtskräftig.
Die vorgeschlagene Änderung »legalisiert Pädophilie«, meint die Journalistin und Frauenrechtlerin Heba Al-Naib.
»Es gibt Fälle von Eheschließungen außerhalb des Gesetzes für kleine Kinder, einige von ihnen sind 8 oder 9 Jahre alt. Früher geschah dies außerhalb der Gerichte und nur mit einem Vertrag von einem Geistlichen. Jetzt wird dies offiziell. Anstatt dass der Staat Kinderehe bekämpft, wird sie legal.«
Die ebenfalls vorgeschlagene Legalisierung von sogenannten »Genuss-« oder »Zeit-Ehen« käme nicht nur einer staatlichen Anerkennung von Prostitution gleich, sondern hätte schwerwiegende Folgen für schiitische Frauen. Al-Naib berichtet von Tausenden von Fällen solcher »Genuss«-Ehen mit minderjährigen Kindern:
»Nachdem der Mann ein oder zwei Tage mit ihnen verbracht hatte und sie schwanger wurden, weigerte sich der Ehemann, die Kinder anzuerkennen, da er der Meinung war, dass es sich um Kinder aus einer anderen vorübergehenden Ehe handeln könnte und nicht um seine eigenen.«
Nawar Assem, eine weitere irakische Frauenrechtlerin, beschreibt die fatalen Konsequenzen legaler Kinderehen:
»Die meisten dieser Ehen enden entweder mit Kriminalität, Scheidung, einem unglücklichen Leben oder dem Tod, weil das Mädchen schwanger wird, bevor es Kinder gebären und großziehen kann.«
Auch der Menschenrechtler Mohammed Ezz lehnt die Novelle des Personenstandsgesetzes strikt ab. Aus seiner Sicht würde sie den Irak »tausende Jahre zurück« werfen. Das sehen auch die mehr als ein Dutzend irakischen Parlamentarierinnen so, die am Samstag die Gründung eines Blockes gegen die Gesetzesnovelle bekanntgaben. Gemeinsam wollen sie die Verabschiedung der Änderungen verhindern, doch müssten sie dafür erheblich Widerstände überwinden: Namhafte schiitische Autoritäten und der sogenannte »Koordinationsrahmen«, die Vereinigung schiitischer Parteien, die die Mehrheit in der Volksvertretung stellt, befürworten die umstrittene Reform.