Folgt man Abou-Taam, dann geht die Geschichte in etwa so: Während sich der religiöse Konservatismus mit seiner Extremform des Salafismus in der islamischen Welt immer weiter ausbreitete, starrte der Westen nur auf den IS, der mit seiner exzessiven Bestialität alle in seinen Bann zog. ‚Wir haben uns auf etwas konzentriert, das geleuchtet hat‘, sagt Abou-Taam. Dabei sei der IS in seiner Bedeutung immer überschätzt worden. Die Gewaltbereiten, die Hooligans, waren immer nur eine vergleichsweise kleine Gruppe in einer facettenreichen Szene. (…)
Das Fortwirken der salafistischen Ideen bereitet auch den Verfassungsschützern neue Sorgen, etwa in Gestalt der Muslimbrüder, die auch in Deutschland immer selbstbewusster auftreten. Eine ganze Reihe von neuen Vereinen und Moscheegemeinden rechnen die Behörden dem Geflecht der 1928 in Ägypten entstandenen Bewegung zu. Offenbar versucht die Bewegung, stetig die eigene Position auszubauen, um Stück für Stück auch andere Vereine kontrollieren zu können. Verfassungsschützer befürchten schon länger, dass die Muslimbrüder am Ende davon profitieren werden, dass nach dem Niedergang des IS der gewaltsame Kampf bei den Glaubensbrüdern nicht mehr verfängt, der konservative Islam durch die Zuspitzung des Kulturkampfes aber an Boden gewinnt. (…) Nach außen, heißt es von Verfassungsschützern, geben sich die Muslimbrüder stets gesetzestreu und friedlich. Nach innen aber ist ihr Ziel gar nicht so verschieden von dem anderer Extremisten: Es ist die Errichtung eines Gottesstaates und damit – zumindest mittelbar – die Abschaffung der Demokratie.“ (Alexander Haneke: „Die Saat der Salafisten“)