Mohammed Altlooli repräsentiert eine Stimme jener Palästinenser die im Konflikt der Hamas mit Israel hohe Verluste erlitten haben, aber dennoch keinen Hass, sondern Frieden wollen.
Mohammed Altlooli
Ich bin ein Palästinenser aus Dschabaliya und habe in Israels jüngstem Krieg gegen die Hamas die Hälfte meiner Familie verloren: Mein Vater und meine beiden Schwestern – die eine Journalistin, die andere Krankenschwester –, wurden bei den Bombardements getötet, mein Bruder Nimer wird bis heute vermisst, und unser Zuhause wurde komplett zerstört.
Trotz dieses schier unerträglichen Verlusts habe ich mich nicht für Rache entschieden, sondern dafür, eine Botschaft zu verbreiten, die manchen vielleicht naiv erscheinen mag: Frieden. Einige nennen mich deswegen einen Verräter. Andere sagen, meine Worte würden die Hungrigen nicht satt machen. Aber ich glaube, dass wir den Opfern den größten Tribut zollen können, indem wir eine Zukunft aufbauen, die den Kreislauf des Blutvergießens durchbricht und nicht auf ewig wiederholt.
Auch Oron Ben David, der das Massaker vom 7. Oktober 2023 im Kibbuz Be’eri überlebte, musste mitansehen, wie seine Familie abgeschlachtet wurde. Gefragt, wie er sich nach all dem Erlebten fühle, sagte er: »Ich will leben, nicht hassen.« Das sind keine leichten Worte für einen Menschen, der die Hölle durchlebt hat; sie sind vielmehr Zeugnis dafür, dass die Menschlichkeit selbst die dunkelsten Tragödien überleben kann.
Robi Damelins Sohn David wurde 2002 während seines Militärdienstes von einem palästinensischen Scharfschützen getötet. Anstatt sich für Rache zu entscheiden, schloss er sich dem Parents Circle – Families Forum (PCFF) an, einer Gruppe, die palästinensische und israelische Hinterbliebene zusammenbringt, um Versöhnung zu fördern.
Auf ihre Motivation angesprochen, sich bei PCFF zu engagieren, meinte sie: »Mein Sohn wurde getötet, aber ich möchte nicht, dass eine andere Mutter leiden muss.«
Gemeinsamer Ruf
Auch im Gazastreifen gibt es Menschen wie Robi Damelin bzw. Jugendliche, die alles verloren haben. Mohammed al-Sawalma, dessen Haus zerstört wurde, betonte, »nicht auf der Seite der Hamas [zu stehen]. Wir stehen auf niemandes Seite. Wir stehen auf der Seite des Lebens. Wir wollen einfach nur leben.« Kareem Jouda wurde in Hamas-Gefängnissen gefoltert, weil er bei Protesten öffentlich eine funktionierende Stromversorgung gefordert hatte. Heute spricht er von Gerechtigkeit, einer Zivilgesellschaft und einem offenen Dialog.
Von Dschabaliya bis Beeri, von Deir al-Balah bis Sderot – die Stimmen des Protestes werden lauter: »Es reicht! Genug Milizen. Genug Hass. Genug Blut, das uns zu Schachfiguren in einem endlosen Spiel mit dem Tod macht.« Wahre Opfer verlangen keine Rache, sie verlangen Würde und Anerkennung.
Schritt der Versöhnung
Die Geschichte lehrt uns, dass Kriege erst tatsächlich enden, wenn sich die Opfer begegnen. Deutschland und Frankreich waren einstmals erbitterte Feinde, und es waren Begegnungen zwischen Überlebenden, Intellektuellen und führenden Vertretern der Zivilgesellschaft, die Europa wieder aufgebaut haben. Südafrika hat die Apartheid nur durch gegenseitige Vergebung und Zusammenhalt überwunden.
Denn erst in jenem Moment, in dem Menschen, die gelitten haben, aufeinandertreffen, beginnt die Wahrheit zu sprechen und die Zukunft nimmt Gestalt an.
Deswegen rufe ich alle an Frieden interessierten Palästinenser klar und öffentlich dazu auf, alle Familien der israelischen Opfer zu treffen: aus Be’eri, Nir Oz, Sderot, Ashkelon und allen anderen Orten, die von der Gewalt betroffen waren und sind. Nicht, um etwas zu rechtfertigen, sondern um die Mauern zwischen uns einzureißen und zu beweisen, dass der Schrei nach Blut nur weitere Beerdigungen bringt, und es der Dialog ist, der Leben schafft. Ich, der ich meine Liebsten verloren habe, bin bereit, jenen, die ihre verloren haben, in die Augen zu schauen und zu sagen: Lasst uns etwas für die Lebenden aufbauen.






