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Honorarkonsuln der Hisbollah: Diplomaten im Dienste des Terrors

Veranstaltung der Hisbollah in Beirut
Veranstaltung der Hisbollah in Beirut (© Imago Images / Xinhua)

Ein internationales Journalisten-Netzwerk hat zwielichtige Aktivitäten von Honorarkonsuln rund um die Welt untersucht. Demnach sind mindestens fünfhundert von ihnen verdächtig, Straftaten begangen zu haben.

Kann die libanesische Terrororganisation Hisbollah unkontrolliert Gegenstände über Grenzen schmuggeln, weil Mitglieder als sogenannte Honorarkonsule diplomatische Immunität genießen und ohne Durchsuchung Flughafenkontrollen passieren können? Das zumindest behauptet ein Artikel, den Journalisten des Internationalen Netzwerks Investigativer Journalisten(ICIJ) und des amerikanischen Recherchenetzwerks ProPublica vor einigen Tagen im Internet veröffentlicht haben.

Bei ihrer Recherche stützten sich die Autoren Will Fitzgibbon, Debbie Cenziper, Delphine Reuter, Eva Herscowitz und Emily Anderson Stern nach eigenen Angaben auf Gerichtsdokumente, öffentlich zugängliche Polizeiberichte und Nachrichtenarchive auf sechs Kontinenten. Unterstützt worden seien sie bei den Ermittlungen von Reportern von fünfzig internationalen Medienorganisationen und Studenten der Northwestern University.

In dem Beitrag, der von israelischen Medien wie der Jerusalem Post und Times of Israel in ihrer Berichterstattung aufgegriffen wurde, geben die Journalisten an, sie hätten mindestens fünfhundert Honorarkonsuln ermittelt, die Straftaten verdächtig seien oder enge Verbindungen zu repressiven Regimen hätten.

Laut den Recherchen seien unter anderem verurteilte Drogenhändler, Mörder, Sexualstraftäter und Betrüger als Honorarkonsuln tätig, dazu Waffenhändler und Lobbyisten Nordkoreas und Syriens. Neun derzeitige und ehemalige Honorarkonsuln, die von ICIJ und ProPublica identifiziert wurden, seien von Strafverfolgungsbehörden und Regierungen mit terroristischen Gruppen in Verbindung gebracht worden. »Die meisten waren mit der Hisbollah verbunden«, so die Autoren. Namen nennen sie nicht. Auch bleibt unklar, in welchen Staaten diese Personen als Honorarkonsuln gedient haben bzw. noch aktiv sein sollen.

Eine Welt für sich

Das Amt des Honorarkonsuls stammt aus einer Zeit, als es sich einige Staaten finanziell nicht leisten konnten, in allen Hauptstädten der Welt Botschaften zu unterhalten. Stattdessen bezahlten sie einen Privatmann, der in dem betreffenden Land lebte, um das Entsenderland diplomatisch zu vertreten.

Ehemalige US-Beamte, die das Finanznetzwerk der Hisbollah untersucht haben, sagten laut dem Bericht, die Verwendung des Honorarkonsulstatus durch die Hisbollah erfolge »planvoll, gut organisiert und weitgehend ungestört von Kontrollen«. Im März hatte das US-Finanzministerium personenbezogene Sanktionen gegen Ibrahim Taher, einen bekannten libanesischen Geschäftsmann in Guinea, verhängt und ihn beschuldigt, Geld an die Hisbollah geschleust zu haben. Dafür soll er auch seinen Status als Honorarkonsul missbraucht haben.

In einer Mitteilung des US-Finanzministeriums hieß es: »Taher und ein Mitarbeiter schickten US-Dollar, die in einer ihrer gewerblichen Einrichtungen gesammelt wurden, zum Flughafen Conakry und bestochen guineische Zollbeamte, damit das Geld in ihrem Gepäck passieren konnte. Taher nutzte seinen Status als Honorarkonsul des Libanon in der Elfenbeinküste, um mit minimaler Kontrolle von und nach Guinea aus- und einzureisen.«

Der Bericht von ICIJ und ProPublica zitiert David Asher, einen Spezialisten für Geldwäschebekämpfung, der in der Vergangenheit an US-Bundesermittlungen gegen die Hisbollah beteiligt war. Er sagt, die Hisbollah habe erkannt, »dass sie, wenn sie diese Honorarkonsuln einsetzen, im Grunde ungestraft Dinge bewegen können und niemand sie jemals festnehmen wird. Sie zeigen Ihren Diplomatenpass vor, ohne dass Fragen gestellt werden.«

Gary Osen, ein Anwalt aus New Jersey, der mehr als tausend Amerikaner in rechtlichen Angelegenheiten gegen libanesische Banken vertritt, die verdächtigt werden, die Terroraktivitäten der Hisbollah zu finanzieren, bestätigte gegenüber den Journalisten von ICIJ und ProPublica, dass sein Team während der Ermittlungen immer wieder auf Honorarkonsule gestoßen sei: »Jeder, der in dieser Szene ein großes Tier ist, ist ein Honorarkonsul.«

In Osens Fall, der derzeit vor einem Bundesgericht in New York verhandelt wird, werden dreizehn libanesische Banken beschuldigt, gegen Antiterrorgesetze verstoßen zu haben, indem sie der Hisbollah wissentlich Gelder zur Verfügung gestellt haben, die laut Osen für tödliche Angriffe auf US-Militärangehörige im Irak verwendet wurden.

Keine umfassende Immunität

Könnte ein solcher Honorarkonsul unkontrolliert nach Deutschland oder Österreich einreisen? Mena-Watch befragte dazu die Außenministerien der beiden Länder. »Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates steht den Honorarkonsuln nur für den dienstlichen Bereich zu«, heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Wegen Handlungen, die »ihrem privaten Lebensbereich zuzuordnen« seien, unterlägen sie weiterhin der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats. »Sind Honorarkonsuln Angehörige des Empfangsstaats oder in diesem ständig ansässig, genießen sie lediglich Immunität wegen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommener Amtshandlungen.«

Diese »beschränkte Immunität« erstrecke sich nur auf die Vornahme der Amtshandlung selbst. »Alle weiteren Handlungen, die mit dieser in bloßem Sachzusammenhang stehen, etwa die der Amtshandlung vorangehende Dienstfahrt, sind nicht von der Immunität erfasst.«

Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen sehe für Honorarkonsuln keine Befreiung des mitgeführten persönlichen Gepäcks von Zollkontrollen vor. Ausgenommen von Zollkontrollen sei allerdings das konsularische Kuriergepäck, das »äußerlich sichtbar als solches gekennzeichnet« sein müsse und nur »amtliche Korrespondenz sowie ausschließlich für den amtlichen Gebrauch bestimmte Schriftstücke oder Gegenstände« enthalten dürfe.  

Das österreichische Außenministerium teilt schriftlich mit:

»Honorarkonsul:innen besitzen keine diplomatische Immunität. Sie unterliegen nicht der Wiener Diplomatenkonvention. Alle Konsul:innen sind verpflichtet, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten sowie die konsularischen Aufgaben stets mit rechtmäßigen Mitteln und innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen wahrzunehmen. Dies ist in der Wiener Konsularkonvention festgelegt.«

Bei der Immunität handle es sich um eine sogenannte »funktionelle Immunität«. Das bedeutet:

»Sie sind von der Strafverfolgung durch den Empfangsstaat in Bezug auf alle von ihnen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen geschützt.«

Sind sie jedoch auch Staatsangehörige des Empfangsstaats oder dort ständig wohnhaft, dann sei die Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit zudem auf ihre Amtshandlungen beschränkt. »Kriminelle Aktivitäten sind natürlich grundsätzlich keine Amtshandlungen«, so die Sprecherin des Ministeriums. Derzeit gebe es in Österreich 270 Honorarkonsuln. Davon seien lediglich dreizehn keine Österreicher, zwei hätten eine Doppelstaatsbürgerschaft.

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