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Gut, dass ich am Holocaust-Gedenktag keine Rede mehr halten musste

Raimund Fastenbauer vermisst (nicht nur) am Holocaust-Gedenktag alte Verbündete im Kampf um das »Nie wieder«
Raimund Fastenbauer vermisst (nicht nur) am Holocaust-Gedenktag alte Verbündete im Kampf um das »Nie wieder« (Quelle: georgsorden.eu)

Bei vielen derjenigen mit denen ich früher zusammen für ein »Nie wieder« demonstrierte, wäre meine aktuelle Rede zum Holocaust-Gedenktag wohl nicht besonders gut angekommen.

Letzte Woche war Internationaler Holocaustgedenktag. Die jüdische Gemeinde braucht derartige Gedenkrituale eigentlich nicht, der Bezug auf die Shoah ist bei uns ganzjährig gegenwärtig. Dennoch erwartet man von jüdischen Funktionären Wortspenden. Seit 1965, als ich als Jugendlicher zufällig in die Auseinandersetzungen um den antisemitischen Wiener Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz geriet und Rufe von »Hoch Ausschwitz« hörte, begann meine Auseinandersetzung mit einschlägigem Gedankengut.

Jahre später hatte ich das Erfolgserlebnis, in die Zusammenarbeit zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und im Wesentlichen linken Organisationen involviert zu sein, deren Demonstrationen schließlich dem alljährlichen Totengedenken am 8. Mai ein Ende setzten – einem Gedenken, das nichts anderes als ein Betrauern der nationalsozialistischen Niederlage darstellte und unter anderen in offiziellen Kranzniederlegungen vor dem (von einem Nationalsozialisten entworfenen) Denkmal des unbekannten Soldaten im Äußeren Burgtor des Wiener Heldenplatzes bestand. Grundprinzip des entgegengesetzten Gedenkens, das wir etablieren konnten, war, wie der Mauthausen-Schwur, ein »Niemals wieder«.

Verhaltenes Schweigen

Der pogromartige Terror am 7. Oktober 2023 in Israel durch die Hamas war ein solches »wieder«, das in seiner Grausamkeit sogar die Pogromnacht vom 9. November 1938 übertraf. Die islamistische Muslimbruderschaft, aus deren Ableger im Gazastreifen die Hamas hervorgegangen war, orientierte sich, wie die arabisch-nationalistischen Baath-Parteien oder die christlichen Falangisten im Libanon, nicht zuletzt am europäischen Faschismus bzw. Nationalsozialismus. Die Bruderschaft erhielt auch direkte Unterstützung durch Nazi-Deutschland.

Viele der Linken und der zivilgesellschaftlichen Organisationen, mit denen ich früher lautstark gegen das »Heldengedenken« demonstriert habe, schweigen angesichts des Terrors einer islamistischen Gruppe, die sich die Ermordung auch noch des letzten Juden auf der Welt auf die Fahnen geschrieben hat. Links zu sein und gleichzeitig schweigen über die islam-faschistische Hamas – wie geht das zusammen?

Nicht nur in der Form der militanten Aufmärsche der angeblichen »Palästina-Solidarität«, auch in den Inhalten gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Linken und Islamisten. Doch statt sich damit selbstkritisch auseinanderzusetzen, praktiziert man lieber eine Täter-Opfer-Umkehr und wärmt alte Vorurteile von Marx bis Stalin wieder auf.

Immer wieder habe ich in diesen Kreisen zur Solidarität mit Israel aufgerufen, geerntet habe ich nur Schweigen oder ein hinhaltendes »ja, aber«. Sich zum zigsten Mal mit den widerlichen Sprüchen Rechtsextremer auseinanderzusetzen, das geht, aber Islamkritik ist ein No-Go. Dabei versteckt man sich nur allzu gern hinter der Tatsache, dass auch manche Rechtsextreme bisweilen den Islam kritisieren. Sagt der »Falsche« (oft in hetzerischer Form) etwas grundsätzlich Richtiges, muss das Richtige »falsch« sein.

Worüber ich gesprochen hätte

Hätte ich, wie früher viele Male, am Holocaust-Gedenktag eine Rede halten müssen, hätte ich über die »mörderische Allianz« zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion in Form des Hitler-Stalin-Pakts gesprochen, der dem deutschen Überfall auf Polen und damit dem Zweiten Weltkrieg den Weg geebnet hat. Und ich hätte über die neurotischen, antizionistischen Schimpfkanonaden eines Bruno Kreisky gesprochen, dessen Verteidigung eines ehemaligen Angehörigen einer SS-Mordeinheit (FPÖ-Chef Friedrich Peter, SS-Obersturmführer beim Infanterie-Regiment 10 der 1. SS-Infanteriebrigade) die Military-Spiele von NS-Epigonen vergleichsweise harmlos erscheinen lässt. Juden sind schon oft verraten worden.

Und ich hätte wahrscheinlich den deutschen Journalisten Jan Fleischhauer zitiert, der es angesichts der Demonstrationen der vergangenen Tage in Deutschland auf den Punkt gebracht hat: »Als jüdische Studenten bespuckt und bedroht wurden, haben sie geschwiegen. Als an den Unis das Siegeszeichen der Hamas auftauchte, haben sie weggesehen. Aber wenn’s gegen Merz, geht fällt ihnen ›nie wieder‹ ein. Was für ein armseliger Haufen.«

Man steht mit Juden nur zusammen, wenn es einen gemeinsamen Gegner gibt. Doch das ist keine philosemitische Liebesbeziehung und wenn die Interessen andere sind, kann sich alles rasch wieder drehen – insbesondere, erhofft man sich davon zusätzliche Wählerstimmen. – Meine Rede wäre wirklich nicht gut angekommen.

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