Ein Angriffsplan der Hisbollah gegen Israel

Ein Demonstrant der Terrororganisation Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) hält ein Plakat von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah
Demonstrant der Terrorgruppe Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) mit Plakat von Hisbollah-Chef Nasrallah (Quelle: JNS)

In seiner jüngsten Rede reagierte Hisbollah-Führer Nasrallah auf israelische Warnungen, keinen Fehler zu begehen, der zu einem umfassenden Krieg an mehreren Fronten führen könnte.

Jacques Neriah 

Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah kam in seiner jüngsten Rede auf den Hinweis der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), nicht einen Fehler zu viel zu begehen, der zu einem umfassenden Krieg an mehreren Fronten führen könnte, zu sprechen und erklärte, Israel müsse angesichts der iranischen Stellvertreter im Libanon, in Syrien, im Gazastreifen und der Westbank sowie im »besetzten Palästina« vorsichtig sein.

Wie um Israel herauszufordern und die Meinung ihres Anführers zu veranschaulichen, führte die Hisbollah am 23. Jahrestag des israelischen Rückzugs aus der Sicherheitszone im Südlibanon zwei öffentliche Militärmanöver durch, zu denen die ausländische und die lokale Presse eingeladen waren.

Das Übungsziel der Hisbollah war die Zerstörung einer von Israel errichteten Verteidigungsmauer an der Grenze zum Libanon. Um diese zu durchbrechen, sollten mehrere Breschen in die Mauer geschlagen werden, damit die Hisbollah-Eliteeinheiten israelische Dörfer stürmen und Teile Galiläas »erobern« können. Wie der Sprecher der Hisbollah betonte, handelte es sich bei diesen Übungen um offensive Taktiken gegen Israel und nicht um Verteidigungsmaßnahmen.

Die Idee einer Hisbollah-Invasion im Norden Israels ist nicht neu. Der operative Plan zur Eroberung Galiläas wurde erstmals am 16. Februar 2011 geäußert, als Nasrallah seine Kämpfer aufforderte, sich darauf vorzubereiten, sollte Israel einen Krieg gegen die Terrororganisation beginnen.

Die Kampftruppe der Hisbollah bestand damals aus fünf Brigaden, denen jeweils ein vorher festgelegtes Kampfgebiet und Aufgabenziel im Norden Israels zugewiesen wurde:

  • Brigade 1: Komplette bzw. teilweise Einnahme der Stadt Nahariya,
  • Brigade 2: Einnahmeder Stadt Shlomi,
  • Brigade 3: Vordringen zur Stadt Carmiel und Eroberung der südlich gelegenen Gebiete,
  • Brigade 4: Einnahme der Gemeinden Malkiya, Ramot Naftali und Yiftach,
  • Brigade 5: Strategische Reserve für Sondereinsätze.

Dieser Plan, der auch eine aktive Beteiligung Syriens an den Kampfhandlungen vorsah, wurde jedoch aufgrund des syrischen Bürgerkriegs und der Tatsache, dass die Hisbollah ihre Truppen auf Befehl des Iran nach Syrien verlegen musste, um das alawitische Regime Assads vor dem Zusammenbruch zu bewahren, verschoben. 

Adaptierung eine Angriffsplans

Seit der massiven Rückkehr der Hisbollah-Einheiten in den Libanon besteht wenig bis gar kein Zweifel daran, dass der Einsatzplan von 2011 geändert und adaptiert wurde, um den aktuellen Bedingungen vor Ort und den im Zuge der Erfahrungen in Syrien vollzogenen Veränderungen in der Hisbollah-Kampftruppe gerecht zu werden.

Mit der Rückkehr Syriens in den Schoß der Arabischen Liga und dem scheinbaren Ende des Bürgerkriegs könnte die Hisbollah die Zeit für gekommen halten, ihren alten Plan wieder aufzugreifen und ihn erneut auf die Tagesordnung der Bewegung zu setzen. In seiner aktuellen Rede sagte Nasrallah, der Kampf gegen Israel sei nicht beendet, da Teile der libanesischen Heimat immer noch unter israelischer Besatzung stünden.

Nasrallah bezog sich dabei auf drei Punkte:

  • Der Tunnel, der den Libanon und Israel am Grenzübergang Rosh Hanikra (Nakoura für die Libanesen) am Meer verbindet,
  • die an die Golanhöhen angrenzenden Sheba’a-Farmen,
  • die »sieben Dörfer« im Norden Israels, die von ihren schiitischen Bewohnern während des Unabhängigkeitskriegs 1948 verlassen wurden.

Die territoriale Frage steht ganz oben auf der Hisbollah-Agenda gegen Israel. Die Hisbollah ist sich jedoch darüber im Klaren, dass eine Realisierung von Nasrallahs Vision nur möglich ist, wenn sich Israel einer von iranischen Stellvertretern angeführten Einheitsfront gegenübersieht, die sich vom Libanon, über Syrien und den Irak, von der Westbank und dem Gazastreifen bis in den weit südlich gelegenen Jemen erstreckt.

Förderer der »palästinensischen Sache«

Seit die schiitische Gemeinschaft in den 1970er Jahren unter der »palästinensischen Besatzung« des Südlibanons – sprich: der Präsenz der PLO, die mit zum libanesischen Bürgerkrieg führte – zu leiden hatte, schloss sich die Hisbollah entgegen jeder Logik der palästinensischen Sache an, wurde zu ihrem Verbündeten und wichtigsten Förderer im Libanon, sodass sie nun ihre Bemühungen eng mit den beiden mit dem Iran verbundenen palästinensischen Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) koordiniert.

Darüber hinaus geht die Hisbollah davon aus, ein solcher Plan könne auch ihren Status als Kämpferin gegen Israel stärken, was durch das Scheitern Israels, eine anti-iranische Allianz mit den arabischen Ländern zu bilden, und den schwindenden Einfluss der Vereinigten Staaten im Nahen Osten weiter begünstigt wird.

Jacques Neriah, Sonderanalytiker für den Nahen Osten am Jerusalem Center for Public Affairs, war früher außenpolitischer Berater von Premierminister Yitzhak Rabin und stellvertretender Leiter für die Beurteilung des israelischen Militärgeheimdienstes. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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