Die gezielte Tötung ihrer Nummer Zwei in Beirut hat der Hisbollah-Führung einen gehörigen Schrecken eingejagt.
Nicht nur im Iran wird derzeit fieberhaft nach Antworten auf die Frage gesucht, wie es Israel gelingen konnte, in Teheran Hamas-Führer Ismail Haniyeh zu eliminieren, auch im Libanon sorgt das eklatante Sicherheitsversagen für Kopfzerbrechen, dass es Israel ermöglicht hat, mitten in einer Hisbollah-Hochburg in Beirut die Nummer Zwei der Organisation, Fuad Shukr, mit einem offenbar sehr genau gezielten Luftschlag zu töten.
Die Fragen, die der Tod Shukrs aufgeworfen hat, sind möglicherweise sogar noch größer als jene rund um das Ableben Haniyehs. Denn anders als der Führer des Hamas-Politbüros, der keine sonderliche Scheu vor öffentlichen Auftritten hatte und dessen Aufenthaltsort bei Besuchen in Teheran einigermaßen bekannt gewesen sein dürfte, handelte es sich bei Shukr um einen in Sicherheitsdingen äußerst vorsichtigen Menschen.
Und das nicht ohne Grund: Als einer der ranghöchsten Hisbollah-Kader, der von seiner Beteiligung an der Organisation des Selbstmordanschlages auf die Unterkunft der US-Marines in Beirut 1983 bis zur Tötung von zwölf drusischen Kindern in Majdal Shams durch eine Hisbollah-Rakete auf dem von Israel kontrollierten Teil der Golanhöhen am 27. Juli 2024 jahrzehntelang maßgeblich an blutigem Terror der Hisbollah mitgewirkt hat, wusste Shukr nur zu gut, dass er im Fadenkreuz nicht nur des israelischen Geheimdienstes stand.
Große Nervosität
Shukr war bekannt dafür, alles zu vermeiden, was Rückschlüsse auf seinen Aufenthaltsort zuließ. So soll er keine modernen Mobiltelefone oder andere technische Geräte benutzt haben, für deren Verwendung irgendeine Art von Identifizierung nötig ist. Der Umstand, dass es den Israelis trotzdem gelungen ist, Shukr präzise zu orten, sorgt in den Reihen der Hisbollah offenbar für einige Nervosität.
Denn schließt man einen Fehler Shukrs aus, bleiben nur wenige Möglichkeiten offen. Entweder wurde sein Aufenthaltsort auf die eine oder andere Weise von einem Hisbollah-Mitglied preisgegeben, oder Israels Geheimdienst hat die Terrororganisation erfolgreich infiltriert und ist auf diesem Weg an entscheidende Informationen gelangt.
Die Hisbollah-Führung sei von der zweiten Variante überzeugt, so eine anonyme Quelle gegenüber einer Hisbollah-nahen Zeitung. Sie »ist sich sicher, dass ihre Reihen von einem Netzwerk israelischer Agenten auf hoher Ebene infiltriert sind«. Die Partei befürchte, »dass Israel über vollständige Daten über die Parteiformationen verfügt, einschließlich Namen, Fotos, Telefonnummern, Adressen und Audiodaten.«
Nur einen Tag vor dem tödlichen Anschlag habe Shukr den Aufenthaltsort gewechselt, nur wenige Mitglieder des Hisbollah-Sicherheitsapparates seien darüber informiert gewesen und hätten seinen neuen Standort gekannt, von wo aus er sich auf den Weg zu einem Treffen mit dem seit dem Krieg mit Israel im Sommer 2006 im Untergrund lebenden Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah habe machen wollen.
Wie im Iran nach Haniyehs Tod, führten die Nachforschungen über die tödlichen Sicherheitslücken in der Hisbollah offenbar auch im Libanon zu einer Reihe von Verhaftungen. Ins Visier soll insbesondere ein Mitglied des Sicherheitsapparats gekommen sein. Zwischen dem Mann und Teilen der Hisbollah soll es in der Vergangenheit Konflikte gegeben haben, er sei einer der wenigen gewesen, die wussten, wo Shukr zum Zeitpunkt seines Todes war.
Welche Folgen auch immer die Eliminierungen Shukris und Haniyehs noch zeitigen werden, eines haben sie auf jeden Fall bewerkstelligt: Sie haben den Führungen der Hisbollah und des iranischen Regimes einen gewaltigen Schrecken eingejagt.