Zwei binnen einer Woche erfolgte Treffer auf israelische Fahrzeuge durch Hisbollah-Raketen führten zu einer internen Überprüfung der taktischen Strategie der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte.
Yaakov Lappin
Die Angriffe, bei denen am Anfang Juli ein IDF-Major und dann am 10. Des Monats ein Ehepaar ums Leben gekommen waren, haben ernsthafte Fragen zu den operativen Fähigkeiten der Hisbollah und der örtlichen israelischen Luftabwehr aufgeworfen.
Der erste Vorfall ereignete sich am 3. Juli, als eine Rakete ein Fahrzeug in einem Militärlager der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) traf und Itai Galea, den stellvertretenden Kompaniechef einer gepanzerten Reservebrigade, so schwerwiegend verletzte, dass er einen Tag später starb. Die Hisbollah reagierte damit auf die gezielte Tötung des ranghohen Hisbollah-Befehlshabers und Leiters der Aziz-Einheit Muhammad Nimah Nasser. Nasser war bei einem israelischen Luftangriff auf sein Fahrzeug in der Region Tyrus im Südlibanon getötet worden, woraufhin die Hisbollah mehr als zweihundert Raketen und zwanzig Drohnen auf Orte in Galiläa und den Golanhöhen abfeuerte, wobei eine Rakete in Galeas Auto einschlug.
Am 9. Juli wurde die Tötung des ehemaligen Leibwächters von Hassan Nasrallah, Yasser Qarnabsh, der auf der Autobahn von Damaskus nach Beirut unterwegs war, durch einen Luftangriff verlautbart. Laut dem israelischen Nachrichtensender i24 Newssoll das zweite Opfer ein Offizier des Korps der Islamischen Revolutionsgarde gewesen sein. Einen Tag später berichtete der saudische Nachrichtensender al-Arabiya, Qarnabash sei für den Transport von Personal und Waffen nach Syrien verantwortlich gewesen.
Auch nach diesem Angriff feuerte die Hisbollah noch zahlreiche Raketen auf die Golanhöhen ab und tötete dabei das Ehepaar Noa und Nir Barnes, Eltern von drei Kindern, aus dem Kibbuz Ortal.
Seitens den IDF finden nun militärische Untersuchungen statt, um festzustellen, ob die Hisbollah bei diesen Angriffen Sichtlinien oder drohnengestützte Zielerfassung verwendet hat. Die ersten Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es sich nicht um präzisionsgelenkte Munition gehandelt habe, sondern um Teile größerer Salven. Dies schließt jedoch den Einsatz von Ausgucken oder Drohnen nicht aus, um Angriffe auf sich bewegende Fahrzeuge zu steuern und diese zu treffen.
Leben unter Bedrohung
Diese beiden Angriffe haben zu Empörung und Frustration unter den Bewohnern und lokalen Behörden auf den Golanhöhen geführt. Der Bürgermeister von Katzrin, Yehuda Doa, zeigte sich verärgert über das Fehlen einer klaren Strategie der Regierung im Umgang mit der anhaltenden Bedrohung durch die Hisbollah. Er betonte, die Bewohner des Nordens seien tagtäglich mit der Bedrohung durch Raketenbeschuss konfrontiert, wie mittlerweile zu einer grausamen Routine geworden ist.
Auch das Luftverteidigungssystem der IDF ist auf den Prüfstand gestellt worden. Die Route 91 in der Nähe der Nafah-Kreuzung, auf der das Ehepaar Barnes den Tod fand, wurde vom Luftabwehrsystem als offenes Gebiet eingestuft, was bedeuten könnte, dass die Raketen nicht abgefangen worden waren, weil man davon ausging, sie würden in unbewohntem Gebiet einschlagen. Bei der Route 91 handelt es sich jedoch um eine häufig von Anwohnern genutzte Hauptverkehrsstraße, was Bedenken hinsichtlich der Kriterien aufkommen lässt, nach denen die Gebiete für den Raketenabfang eingestuft werden.
Die Luftabwehr vermeidet im Allgemeinen den Abschuss von Raketen, die auf offene Gebiete gerichtet sind bzw. dort niedergehen, um Abfangraketen und damit Kosten und Munition zu sparen. Die IDF haben eine gründliche Überprüfung der jüngsten Angriffe bestätigt, um einen besseren Schutz der Bewohner zu gewährleisten.
Fehlfunktionen durch GPS-Störungen
Die auf den Golanhöhen häufig auftretenden GPS-Störungen machen die Sache noch komplizierter, so das israelische Armeeradio. Diese können zu Fehlfunktionen der Alarm-App des IDF-Heimatfrontkommandos führen, sodass die Bewohner mitunter nicht mehr rechtzeitig gewarnt werden können, wie es wahrscheinlich bei den beiden letzten Angriffen der Hisbollah der Fall war. Das Heimatfrontkommando hat zwar empfohlen, in seiner offiziellen App Gebiete von Interesse zu markieren, um eine bessere Warnabdeckung zu erreichen; wäre das betreffende Gebiet als »offenes Gebiet« ausgewiesen, jedoch nicht notwendig.
Letztlich hat die libanesische Terrorgruppe angesichts ihrer Reaktionen auf die Fortsetzung der gezielten Tötung hochrangiger Hisbollah-Funktionäre durch Israel bewiesen, dass sie in der Lage ist, Israel einen schmerzhaften Preis zahlen zu lassen. Das wiederum führt zu der umfassenderen strategischen Frage, ob die Organisation in der Lage ist, die Todesfälle zu verkraften, ohne den größten Teil ihrer zentralen terroristischen und militärischen Fähigkeiten zu verlieren.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel, hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)