Für die vom Iran unterstützte Terrororganisation wäre jede Annäherung zwischen dem Libanon und Israel eine Katastrophe.
Yaakov Lappin
Die Haltung der Hisbollah hat die regionale Instabilität erhöht, und der jüdische Staat muss die im Zuge des libanesischen israelischen Streits um Seegrenze ausgestoßenen Drohungen ihres Anführers Hassan Nasrallah ernst nehmen, meinen Analysten gegenüber Jewish News Syndicate (JNS). Selbst wenn die vom Iran unterstützte Terrororganisation nicht die Absicht habe, einen offenen Krieg zu beginnen, könne die kleinste Fehleinschätzung leicht zu einer außer Kontrolle geratenen Konfrontation führen, so die Experten.
Die Warnungen vor einem eskalierenden Konflikt erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem sich libanesische Beamte optimistisch über die Chancen geäußert haben, dass die von den USA vermittelten indirekten Gespräche über die Seegrenze zwischen Jerusalem und Beirut zu einem Abkommen führen könnten, das dem Libanon neben dem israelischen Karish-Feld ein eigenes Erdgasvorkommen sichern würde.
Die Hisbollah droht jedoch seit Monaten mit einem militärischen Konflikt, sollte Gas aus dem Karish-Feld gefördert werde, bevor ein Abkommen zustande gekommen ist, wie Nasrallah im August erklärte: »Wenn die Öl- und Gasförderung in Karish im September beginnt, bevor der Libanon seine Rechte erhält, werden wir ein ›Problem‹ bekommen, und wir werden alles tun, um unser Ziel zu erreichen. Wenn der libanesische Staat nicht bekommt, was er will, steuern wir auf eine Eskalation zu.« Nasrallah sagte, an seinen Ankündigungen würde sich auch durch das Zustandekommen eines neuen Atomabkommens zwischen den Weltmächten und Teheran nichts ändern.
Vergangenen Donnerstag reagierte der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz auf die ständigen Drohungen der Hisbollah und warnte: »Wenn Nasrallah die Verhandlungen mit dem Libanon über die Seegrenze stören will und versucht, die Gasbohrinsel in Karish zu treffen, kann er das gerne tun. Aber der Libanon wird den Preis dafür zahlen.«
Sorge der Hisbollah vor einer Einigung
Der Vizepräsident des Jerusalemer Instituts für Strategie und Sicherheit und ehemaliger stellvertretender Direktor für Außenpolitik und internationale Angelegenheiten beim israelischen Nationalen Sicherheitsrat, Oberst a. D. Eran Lerman, erklärte, Nasrallahs Handlungen seien auf ein Gefühl der Verwundbarkeit zurückzuführen.
So sehe die Hisbollah es zu Recht als eine der größten Bedrohungen ihrer Legitimität an, »wenn das libanesische Volk, sofern dieser Begriff auf eine so zerrissene Gesellschaft zutrifft, lernen würde, dass Israel ihm nichts Böses will und dies auch nie getan hat – und dass die ganze ›Wir sind die Verteidiger-des-Libanon‹-Pose der Hisbollah ein Schwindel ist«. Daher sei es für die Terrororganisation notwendig, sich mit Drohungen in die Verhandlungen einzubringen und so auf sich aufmerksam zu machen.
»Es könnte durchaus auch ein iranisches Interesse bestehen, die gesamten Bemühungen zu stören«, erläuterte Lerman weiter. Sobald die Libanesen ein echtes Interesse an Stabilität und einem gütlichen auskommen mit ihrem südlichen Nachbarn Israel hätten, »wäre es für Nasrallah noch schwieriger, den Libanon als Reaktion auf einen israelischen (oder amerikanischen) Luftangriff im Iran in den Abgrund zu ziehen«.
Ironischerweise bedeute dies, dass es ein großzügiges israelisches Angebot an den Libanon bezüglich der Seegrenze und des Karish-Gasfeldes die Hisbollah vor einen Offenbarungseid stellen könnte: »Handelt sie im Interesse des Libanon oder ist sie ein iranischer Handlanger?« Wie Nasrallah sich in so einer Situation verhalten würde, sei unsicher und unvorhersehbar, »weshalb das Nordkommando [der israelischen Streitkräfte] auf alle Eventualitäten vorbereitet sein muss«, warnte Lerman.
Explosive Lage
Der Direktor des Moshe-Dayan-Zentrums für Nahost- und Afrikastudien an der Universität Tel Aviv, Uzi Rabi, sagte, Teheran schüre zweifellos die gegenwärtigen Spannungen, die Hisbollah jedoch versuche, »sich die Gas-Frage zu eigen zu machen«, weil die Terrorgruppe die Angelegenheit als Win-Win-Situation für sich ansieht.
Gibt es keine Einigung, werde die Hisbollah dies als Ergebnis ihrer entschlossenen Haltung darstellen, und Israel wie üblich dafür als Störenfried zeichnen, der »die ›Verteidigung‹ des Libanon durch die Hisbollah ablehnt«, so Rabi. »Und wenn es zu einer Einigung kommt, wird die Hisbollah diese preisen und für innenpolitische Belange ausnutzen, um ihren politischen Status und ihre Legitimität zu fördern.« Dies sei für sie umso wichtiger, fügte Rabi hinzu, da die Hisbollah in der Vergangenheit ja immer wieder beschuldigt wurde, der Hauptverursacher Krise des Libanon zu sein.
Rabi glaubt zwar, die Wahrscheinlichkeit, dass die Hisbollah einen Krieg gegen Israel beginnen wird, sei gering, aber Jerusalem könne sich trotzdem nicht den Luxus leisten, Nasrallahs Worte zu ignorieren. »Tatsache ist, dass die Hisbollah provoziert und alle möglichen punktuellen Operationen durchführt, die einen Einblick in den sich verändernden Modus Operandi« der Terrorgruppe gäben.
Das Problem, so Rabi abschließend, sei die von Nasrallah geschaffene Explosivität der Lage, die darauf hinauslaufe, »dass ein kleiner Zwischenfall der Kontrolle derjenigen, die ihn geplant haben, entgleiten und sich zu einem großen Ereignis ausweiten kann.«
Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)