Eine Untersuchung der New York Times zeigt, wie sehr die Hisbollah nach Jahrzehnten israelischer Spionage kompromittiert war.
Der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, unterschätzte die Bereitschaft Israels, ihn zu töten, weil er der Ansicht war, Israel wolle einen umfassenden Krieg vermeiden, wie aus einer letzte Woche veröffentlichten Untersuchung der New York Times (NYT) hervorgeht.
Trotz der Warnungen seiner Mitarbeiter hielt er sich am 27. September in einem zwölf Meter unter der Erde gelegenen Bunker in Beirut auf, auf den israelische F-15-Kampfflugzeuge massive Sprengstoffladungen abwarfen, womit sie das Leben des langjährigen Anführers der libanesischen Stellvertretermiliz des Irans und anderer hochrangiger Hisbollah-Führer beendeten. Der in den Trümmern begrabene Leichnam Nasrallahs wurde am nächsten Tag in den Armen eines im Libanon stationierten iranischen Spitzengenerals gefunden. Beide waren laut israelischen Geheimdienstberichten erstickt.
Stark kompromittiert
Die NYT-Untersuchung macht das Ausmaß der jahrzehntelangen Unterwanderung der schiitischen Terrorbewegung durch Israel deutlich, wobei die Kommandeure der Terrorgruppe genau verfolgt wurden. Diese Infiltration seitens Israels gipfelte schließlich in der gezielten Tötung Nasrallahs, der Wochen zuvor die Ferndetonation von Tausenden von Hisbollah-Pagern und Walkie-Talkies vorausging.
Der Bericht, basierend auf Interviews mit über zwei Dutzend aktuellen und ehemaligen Beamten aus Israel, den Vereinigten Staaten und Europa, zeichnet das Bild einer Organisation, die durch israelische Spionageanstrengungen stark kompromittiert ist: »Sie [die Israelis, Anm.] rekrutierten Leute, um Abhörgeräte in Hisbollah-Bunkern zu platzieren, verfolgten Treffen zwischen einem Top-Kommandeur und seinen vier Geliebten und hatten nahezu ständigen Einblick in die Bewegungen der Anführer der Milizgruppe.«
Im Jahr 2012 erhielt die Nachrichteneinheit 8200 der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) einen wahren Informationsschatz, der die geheimen Verstecke der Anführer und den Raketenvorrat der Gruppe detailliert beschrieb.
Die Berichterstattung enthüllte auch, dass Ende 2023 ein Hisbollah-Techniker bezüglich der Batterien in den präparierten Walkie-Talkies Verdacht schöpfte. Im September erhielt die Einheit 8200 einen Geheimdienstbericht daüber, dass Hisbollah-Agenten Pager zur Inspektion in den Iran schickten. Wegen starker Bedenken, die Operation könnte gefährdet sein, überzeugten hochrangige Geheimdienstmitarbeiter den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, die Detonation der Geräte zu genehmigen und leiteten damit eine Reihe von Ereignissen ein, die letztlich zur Tötung Nasrallahs führten.