Die Angriffe vom Gazastreifen auf israelische Soldaten entlang der Grenze haben weniger mit Israel als mit Differenzen zwischen der Hamas und Katar bezüglich der katarischen Finanzhilfe zu tun.
Khaled Abu Toameh
In den vergangenen Tagen hat die vom Iran unterstützte palästinensische Terrorgruppe Hamas erneut die unter ihrer Herrschaft im Gazastreifen lebenden Palästinenser dazu ermutigt, zum Grenzzaun zu marschieren und Israelis anzugreifen. Ähnliche Proteste im Jahr 2018, die ebenfalls von der Hamas ermutigt und gefördert wurden, hatten den Tod oder die Verletzung von Hunderten von Palästinensern zur Folge. Damals dauerten die anti-israelischen Proteste etwa ein Jahr und endeten ohne nennenswerte Erfolge für die Hamas. Israel stimmte allerdings zu, einige Beschränkungen für den Gazastreifen zu lockern, etwa die Ausweitung der Fischereizone um drei Meilen und die Erlaubnis, mehr Rohstoffe für zivile Fabriken zu importieren.
Die jüngsten Angriffe der Hamas auf Israelis scheinen jedoch weniger mit Israel zu tun zu haben, das in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Lebensbedingungen der Palästinenser im von der Hamas regierten Küstenstreifen zu verbessern. Zu diesen Maßnahmen gehört die Ausstellung von Arbeitsbewilligungen in Israel für mehr als 17.000 Palästinenser.
Protest gegen Katar via Israel
Jetzt schickt die Hamas erneut Palästinenser an die Grenze zu Israel, die dort verletzt oder sogar getötet werden, weil sie offenbar verärgert ist über ihre Freunde in Katar – dem Golfstaat, der seit Langem die Organisation der Muslimbruderschaft unterstützt, deren palästinensischer Ableger die Hamas ist. Die Hamas ist offensichtlich wütend, weil Katar die monatliche finanzielle Unterstützung, die es der islamistischen Bewegung in den vergangenen fünf Jahren gewährte, reduziert hat.
Die Situation sieht also folgendermaßen aus: Ein arabisches Land (Katar) beschließt, weniger Mittel an eine palästinensische Terrorgruppe (Hamas) zukommen zu lassen. Anstatt ihre Beschwerden jedoch an Katar zu richten, reagiert die Hamas, indem sie junge palästinensische Männer losschickt, um an der Grenze zum Gazastreifen Sprengsätze, Molotowcocktails und Steine auf israelische Soldaten zu werfen. Offenbar hofft die Hamas, dass der »zionistische Feind« ihr zu Hilfe kommt, indem er Druck auf Katar ausübt, die finanzielle Unterstützung nicht zu kürzen. Da viele ihrer Führer in Doha leben, ist die Hamas zurückhaltend, sich direkt öffentlich gegen Katar zu äußern.
Der Direktor des von der Hamas kontrollierten Medienbüros, Salama Marouf, bestätigte, Katar habe die finanzielle Unterstützung um einige Millionen Dollar gekürzt. Er sagte, das Finanzdefizit im Haushalt der Hamas sei neben der Kürzung des katarischen Zuschusses auch auf einen Rückgang der Einnahmen in Gaza selbst zurückzuführen, der die Wirtschaftskrise verschärft habe.
Während Katar keine Erklärung für seine Entscheidung zur Kürzung der Finanzhilfen abgegeben hat, meinte eine der Hamas nahestehende Quelle gegenüber der BBC, der Schritt stehe im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit der Katarer mit den jüngsten Hamas-Bemühungen, ihre Beziehungen zum Regime von Präsident Baschar al-Assad in Syrien wiederherzustellen. Kurz nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 hatten die Behörden die Hamas-Führer ausgewiesen und ihre Büros in Damaskus geschlossen, weil sie sich nicht auf die Seite des Assad-Regimes gegen die Rebellengruppen gestellt hatten.
Die Beziehungen zwischen Katar und Syrien sind seit Beginn des Bürgerkriegs angespannt, als Doha Rebellengruppen unterstützte, die den Sturz des Assad-Regimes anstrebten. Berichten zufolge lieferte Katar auch Waffen, Munition und finanzielle Unterstützung an Rebellengruppen wie die Freie Syrische Armee und die Armee der Eroberung.
Kritik der Palästinensischen Autonomiebehörde
Die Hamas und andere Terrorgruppen haben versucht, die erneuten Proteste nahe der Grenze zu Israel als Reaktion auf israelische »Provokationen« darzustellen, insbesondere auf Besuche von Juden im Haram al-Sharif (Edles Heiligtum) auf dem Tempelberg in Jerusalem. Diese Besuche, die bereits seit mehreren Jahren stattfinden, haben jedoch den Zugang der Muslime zu der heiligen Stätte in keiner Weise beeinträchtigt.
Ein Hamas-Sicherheitsbeamter im Gazastreifen gab denn auch zu, die Angriffe auf israelische Soldaten entlang der Grenze seien auf Differenzen zwischen der Hamas und Katar bezüglich der katarischen Finanzhilfe zurückzuführen. Angeblich hätten Beamte, darunter auch hohe Hamas-Funktionäre, wegen der Kürzung der finanziellen Unterstützung nicht ihre vollen Gehälter erhalten. Mit anderen Worten: Die Hamas gibt offen zu, dass die erneute Gewalt nicht mit Jerusalem oder dem Tempelberg zusammenhängt, sondern mit dem Wunsch ihrer Führung, mehr Geld von Katar zu erhalten.
In einem Kommentar zu den erneuten Angriffen auf israelische Soldaten entlang der Grenze warf der ehemalige Friedensunterhändler der Palästinensischen Autonomiebehörde und Kabinettsminister Hassan Asfour der Hamas vor, sie habe die Proteste zu einer »vergifteten Waffe« gegen die Bevölkerung des Gazastreifens gemacht. Asfour beschuldigte die Hamas und ihre »in Hotels in Doha sitzenden« Führer, das Thema Jerusalem und Al-Aqsa-Moschee zu instrumentalisieren, um junge Männer in Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee zu schicken.
Worum die Hamas sich kümmert
Während die Hamas-Führer offensichtlich davor zurückschrecken, Katar zu kritisieren, beschuldigte der der Hamas nahestehende Journalist Rajab al-Madhoun Doha, sich mit Israel zusammenzuschließen, um die relative Ruhe aufrechtzuerhalten, die in den vergangenen zwei Jahren im Gazastreifen geherrscht hat. Al-Madhoun zitierte ungenannte Hamas-Quellen mit der Aussage, Katar halte auf Geheiß Israels die Gelder für die Palästinenser im Gazastreifen zurück, um Druck auf sie auszuüben, keine Terroranschläge gegen Israel zu verüben, insbesondere nicht während der jüdischen Feiertage im September und Oktober.
Die eigentliche Erpressung geht jedoch von der Hamas aus. Erstens deutet die Terrororganisation an, dass sie die Kataris der Kollaboration mit Israel beschuldigen wird, sollte sie ihre Gelder nicht erhält, was dem Ansehen des Golfstaates in den arabischen und islamischen Ländern schaden würde. Zweitens erklärt die Hamas offen, weiterhin Palästinenser loszuschicken, um israelische Soldaten in der Nähe der Grenze anzugreifen, wenn Doha die Finanzhilfe nicht wieder aufnimmt.
Die Kontroverse um die katarische Finanzhilfe ist ein weiteres Beispiel dafür, wie palästinensische Führer (in diesem Fall die Hamas) regelmäßig ihre Jugend dem Geld zuliebe opfert.
Die Hamas-Führer, von denen die meisten ein bequemes Leben in Katar, der Türkei und im Libanon führen, scheinen sich wenig darum zu kümmern, dass Palästinenser bei Angriffen auf israelische Truppen getötet oder verletzt werden; vielmehr sind sie daran interessiert, sich und ihre Familien zu bereichern und den Dschihad zur Zerstörung Israels fortsetzen zu können. Es scheint ihnen auch egal zu sein, wenn Tausende von palästinensischen Arbeitern wegen der Gewalt an der Grenze nicht mehr nach Israel einreisen können, um dort zu arbeiten.
Wird die internationale Gemeinschaft die Hamas-Führer dafür kritisieren, dass sie junge Männer in den Tod schicken, nur weil das Geld zurückgehalten wird, auf das sie Anspruch erheben? Aus langjähriger Erfahrung ist zu sagen: Das wird nicht passieren. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir lautstarke und bittere Verurteilungen Israels für das »Eröffnen des Feuers« auf palästinensische Demonstranten entlang der Grenze zum Gazastreifen hören werden.
Khaled Abu Toameh ist preisgekrönter Journalist mit Sitz in Jerusalem. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)