Der Türkische Rote Halbmond ist in eine Steuerhinterziehungsaffäre verwickelt, in der große Summen an das islamistische Umfeld rund um Staatspräsident Erdogan geflossen sein sollen.
Frank Nordhausen, Berliner Zeitung
Der Spendenskandal um den türkischen Roten Halbmond ist größer als bisher bekannt, wie neue Informationen aus der Türkei und den USA belegen. (…) In dem Skandal geht es um Steuerhinterziehung zugunsten von Firmen und Stiftungen aus dem persönlichen Umfeld des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mithilfe des Roten Halbmonds.
Da Spenden an den Roten Halbmond in der Türkei steuerfrei sind, lassen sich als Spende deklarierte Geldflüsse steuersparend am Finanzamt vorbeischleusen. Wie das türkische Nachrichtenportal Gazetta9 vergangene Woche enthüllte, wurde eine Spende von acht Millionen Dollar des zweitgrößten türkischen Erdgasversorgers Baskentgas Ende 2017 vom Roten Halbmond entgegengenommen und an fundamentalistische Stiftungen aus dem Umfeld der islamischen Regierungspartei AKP Erdogans oder seiner Familie weitergereicht. (…)
Wie die türkische Nachrichtenwebseite Diken am Dienstag meldete, erhielt der Rote Halbmond offenbar neben der bisher bekannten Spende der Firma Baskentgaz, die der Holding eines Erdogan-Schulfreunds gehört, zwischen 2015 und 2019 von fünf Geschäftsleuten und elf Unternehmen eine Summe von bis zu 16 Millionen Euro als „bedingte Spende“, die es den Spendern ermöglichte, Einkommensteuerzahlungen zu umgehen. Damit wurden laut Diken Studentenwohnheime und Schulen gebaut und Studienstipendien vergeben – man darf annehmen, in einem konservativ-islamisch geprägten Umfeld.
Mit den an den Roten Halbmond geflossenenen Steuergeldern werde nun offenbar ein Luxusgebäude in New York errichtet, kommentierte die oppositionelle Zeitung Sözcü. Laut türkischen Medien beschuldigten Oppositionspolitiker die Firma Baskentgas, den Roten Halbmond für eine komplexes Steuerhinterziehungsoperation benutzt zu haben und bezeichneten die Überweisung großer Summen an mit der Regierung verbundene Stiftungen als Korruption, um staatliche Gegenleistungen zu erreichen.