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Heute vor 80 Jahren (6): Nach dem Ende des „arabischen Aufstands“

Arabische Kämpfer während des Aufstands 1936 (hanini/Wikimedia Commons)

Als der Zweite Weltkrieg begann, war der „arabische Aufstand“ in Palästina gerade zu Ende gegangen. Die Briten setzten auf harsche Repression, um sein Wiederaufleben zu verhindern.

Am 6. Oktober 1939 berichtete die Palestine Post über eine Sitzung des britischen Parlaments:

„Herr Malcom MacDonald brachte am Dienstagnachmittag im Unterhaus seine aufrichtige Wertschätzung für die Haltung der palästinensischen Bevölkerung zum Ausdruck, als er auf eine Frage zur Lage in diesem Land antwortete. Der Kolonialminister sagte, dass es zwar von Zeit zu Zeit noch immer Fälle gesetzeswidriger Aktivitäten arabischer Terroristen gebe, dass aber sowohl Araber als auch Juden im Allgemeinen hinter Großbritannien stünden und den Wunsch zum Ausdruck brächten, das Königreich bei seiner erfolgreichen Kriegsführung zu unterstützen.“

Der diplomatischen Korrespondenten der Londoner Times sah eine Möglichkeit gegeben, dass der Krieg zu einer Verbesserung der Lage in Palästina beitragen könnte: „Man kann hoffen, dass die gemeinsame Bedrohung zu einer mehr als nur formalen Kooperation von Arabern und Juden führen wird.“ (Palestine Post, 9. Oktober 1939)

Arabischer Aufstand

Den Hintergrund derartiger Äußerungen bildete der ‚arabische Aufstand‘, der in den vergangenen drei Jahren im Mandatsgebiet Palästina gewütet hatte. Im Frühjahr 1936 begonnen, handelte es sich bei dieser Revolte um eine Serie von Streiks sowie Angriffen auf jüdische und britische Ziele, bei denen allein in den ersten sechs Monaten 80 Juden, 28 Briten und rund 200 Araber getötet sowie rund 1300 Menschen verletzt wurden. Zeitweise fielen Teile des Landes unter die Kontrolle bewaffneter arabischer Banden, die zunehmend das Gesicht der Unruhen prägten.

An die Spitze des Aufstands setzte sich der Großmufti von Jerusalem und spätere Nazi-Kollaborateur Amin el-Husseini. Er nutzte die Unruhen nicht zuletzt, um durch blutigen Terror innerarabische Konkurrenten auszuschalten, die von seiner kompromisslosen Linie gegenüber den Juden abwichen. Der Historiker Efraim Karsh zieht Bilanz:

„Die Zahl der Araber, die von den [arabischen] Banden ermordet wurden, überstieg die der jüdischen und britischen Opfer (…).Wurden 1936 laut offiziellen britischen Statistiken 195 Araber von ihren arabischen Brüdern getötet, so zählte man auf britischer Seite 37 und auf jüdischer Seite 80 Opfer. Zwei Jahre später stiegen diese Zahlen auf 503 arabische gegenüber 255 jüdischen und 77 britischen Toten. Im Jahr 1939 blieben die Zahlen in etwa auf gleichem Niveau: 414 Araber wurden von arabischen Banden ermordet, im Gegensatz dazu 94 Juden und 37 Briten. Manche palästinensisch-arabische Quellen schätzen die Zahl der ermordeten Araber auf atemberaubende 3000-4.500.“

Erst mit massiver militärischer Gewalt gelang es den Briten im Laufe des Jahres 1939, den Aufstand zum Erliegen zu bringen.

Harte Maßnahmen gegen Gewalttäter

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war im Mandatsgebiet zwar relative Ruhe eingekehrt, aber noch immer gab es jene „Aktivitäten arabischer Terroristen“, von denen Kolonialminister MacDonald dem britischen Parlament berichtete. Und die Mandatsbehörden ließen keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass sie gewillt waren, auf harte Repression zu setzen, um Gewalttaten oder gar ein Wiederaufleben des Aufstands zu unterbinden. So berichtete die Palestine Post Mitte September über eine Ansprache eines britischen Offiziers an die arabische Bevölkerung Hebrons:

„In den letzten drei Jahren haben unsere Truppen mit größter Zurückhaltung gehandelt, trotz manchmal sehr heftiger Provokationen. Ich möchte Ihnen ganz klar sagen, dass dieser Zustand nun beendet ist. In Zukunft werden Sabotage- und Akte der Gesetzlosigkeit jeglicher Art mit größter Härte behandelt. (…)

Ich bin mir durchaus bewusst, dass es bei der Verhängung von Kollektivstrafen häufig vorkommt, dass unschuldige Männer mit den Schuldigen leiden müssen. (….) Ich habe so oft die Klage gehört: ‚Wir sind zwischen die Fronten geraten‘.

Diese Aussage mag einmal ein Körnchen Wahrheit enthalten haben, aber heute ist das nicht mehr der Fall. Auf der einen Seite haben Sie das ganze Gewicht der Regierung Seiner Majestät, ihrer Armee und ihrer Polizei, und auf der anderen Seite haben Sie eine Handvoll miserabler, undisziplinierter, schwer bewaffneter Herumstreuner, die nicht existieren könnten, ohne unschuldige Menschen ihres Essens und Geldes zu berauben, deren Vorstellung von Kriegführung darin besteht, Landminen auf Ihren Straßen zu platzieren, Ihnen in den Rücken zu schießen und die wie Kaninchen davonzulaufen, anstatt sich dem Kampf zu stellen. Ich frage Sie noch einmal: Wie lange wollen Sie diese Tyrannei ertragen? (…)

Wenn das Gesetz gebrochen wird, muss eine Strafe verhängt werden. Wenn eine Gewalttat begangen wird und ich den Täter nicht identifizieren kann, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als über die betreffende Stadt, das betreffende Dorf oder das betreffende Gebiet eine kollektive Bestrafung zu verhängen.

Das ist Gerechtigkeit. Es ist die Gerechtigkeit, die Sie erwarten müssen. Es ist die Gerechtigkeit, die Sie empfangen werden.

Lassen Sie mich ganz klar sagen, dass ich und meine Offiziere und Männer kein Vergnügen daran haben, diese Strafen zu verhängen. Es gibt uns keine Genugtuung, Ausgangssperren zu verhängen, Sie in Haft zu nehmen und Ihre Häuser in die Luft zu jagen. (…)

Der Ausweg liegt in Ihren Händen. (…) Es gibt ein altes und sehr wahres Sprichwort: ‚Gott hilft denen, die sich selbst helfen‘. Die Zeit ist gekommen, dass Sie sich selbst helfen. (….) Seien Sie ein Beispiel für den Rest Palästinas: Vertreiben Sie diese Verräter an der Regierung aus Ihrer Mitte.“ (Palestine Post, 18. September 1939)


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