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Hat die Hisbollah wirklich 100.000 Kämpfer?

Hisbollah-Anhänger bei der Begräbniszeremonie für die beim Beiruter Schusswechsel Getöteten
Hisbollah-Anhänger bei der Begräbniszeremonie für die beim Beiruter Schusswechsel Getöteten (© Imago Images / ZUMA Wire)

Hisbollah-Führer Nasrallah gibt sich nicht mehr damit zufrieden, dass die Hisbollah eine dem libanesischen Staat untergeordnete Fraktion sein soll, dennoch sind seine Angaben von Prahlerei bestimmt.

Seth J. Frantzman, Jerusalem Post

Die Hisbollah prahlte diese Woche damit, über 100.000 Kämpfer zu befehlen. Diese Zahl ist stark übertrieben, aber sie ist symbolisch dafür, dass die Hisbollah es nicht mehr für nötig hält, auch nur so zu tun, als sei sie eine kleine „Widerstandsbewegung“. Vielmehr prahlt sie damit, über mehr Kräfte zu verfügen als die libanesische Armee und den Libanon faktisch zu einer Kolonie innerhalb des größeren Hisbollah-Imperiums gemacht zu haben. (…)

Nasrallahs Übertreibung sollte Gerüchten über einen drohenden Bürgerkrieg zuvorkommen, nachdem Hisbollah-Mitglieder behauptet hatten, sie seien während einer Demonstration beschossen worden, bei der die Terrorgruppe versuchte, den Richter zu stürzen, der die Explosion im Beiruter Hafen untersucht, die wahrscheinlich durch Ammoniumnitrat der Hisbollah verursacht worden war.

Die Hisbollah hat den christlichen Führer Samir Geagea und seine Partei der libanesischen Streitkräfte verantwortlich gemacht und sie aufgefordert, sich bei ihren Aktionen nicht zu verrechnen.

Zum Verständnis ist hierbei der Kontext wichtig. In den 1970er Jahren brach im Libanon ein Bürgerkrieg aus. Dabei traten christliche Milizen gegen muslimische und drusische Milizen sowie palästinensische Gruppen an. Damals gab es noch keine Hisbollah, aber die Amal-Bewegung und andere Milizen der Schiiten, die damals eine kleine, marginalisierte Minderheit waren, während Christen und sunnitische Muslime den Libanon dominierten.

Nach dem Einmarsch Israels im Jahr 1982 und dem Abzug der palästinensischen Terrorgruppen aus dem Libanon ging der Bürgerkrieg im Lande munter weiter. Auch die Syrer waren in den 1970er Jahren in das Land eingedrungen; ein 1989 von Saudi-Arabien vermitteltes Abkommen trug schließlich zur Beendigung des Krieges bei.

Das Ergebnis war, dass die offizielle Macht der Christen leicht reduziert wurde, die durch die demografische Entwicklung und das konfessionelle Wahlsystem des Parlaments, das den Christen die Macht im Präsidentenamt garantiert, zementiert war. Eine nun geschwächtes Präsidentenamt führte zu einem stärkeren muslimischen Einfluss durch den Premierminister, den die Sunniten bestellen. Die Schiiten bekamen den Posten des Parlamentspräsidenten.

Die Hisbollah bezieht ihre Macht jedoch nicht über den seit 1992 amtierenden Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Sie verdankt ihre Macht vielmehr der Tatsache, dass sie, nachdem die sunnitischen, christlichen und drusischen Milizen im Zuge des Abkommens von 1989 ihre Waffen niedergelegt hatten, ihre Waffen behielt – unter dem Vorwand, sie leiste „Widerstand gegen Israel“.

Als sich Israel im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückzog, behielt die Hisbollah ihr mittlerweile stark erweitertes Waffenarsenal mit der Begründung, dass der jüdische Staat ein paar Hektar auf einem Berg an der Grenze beibehalte und sie dieses kleine Gebiet zurückerobern müsse.

In Wirklichkeit plante die Hisbollah ihren Weg zur Kontrolle des Libanon, wie sich nicht zuletzt in der Ermordung des ehemaligen sunnitischen Premierministers Rafiq Hariri im Jahr 2005 zeigte-

Als Proteste Syrien dazu zwangen, den Libanon zu verlassen, plante die Hisbollah mit direkter Unterstützung des Iran und seines Handlangers Qasem Soleimani, dem Kommandanten der Auslandseinheit der Revolutionsgarden der Islamischen Republik, einen Angriff auf Israel.

Soleimani, Nasrallah und Imad Mughniyeh schmiedeten einen Plan, und zettelten 2006 einen Krieg gegen Israel an. Nach dessen Beendigung nutzte die Hisbollah die Zerstörung, die sie angerichtet hatte, um ihre Macht über das Bauwesen, den Wohnungsbau und ihr eigenes Telefon- und Telekommunikationsnetz auszubauen.

Als das Parlament versuchte, dieses Telekommunikationsnetz abzuschaffen, drang die Hisbollah 2008 in Gebiete in Beirut ein und ließ ihre neugewonnen Muskeln spielen.

Schon bald verhinderte sie die Ernennung eines neuen Präsidenten und zwang die Christen zu einer Entscheidung: Entweder sie verlieren ihre verbliebene Macht oder sie verbünden sich mit der islamistischen Gruppe. Michael Aoun entschied sich für die Zusammenarbeit mit der Hisbollah und erhielt das Präsidentenamt.

Andere Christen wie Samir Geagea allerdings waren nicht einverstanden, ebenso wenig wie Sunniten wie Saad Hariri.

Die Hisbollah ermordete systematisch Rivalen und Intellektuelle wie Lokman Slim. Während des dortigen Kriegs schickte sie auch Kämpfer nach Syrien und erweiterte ihr Arsenal von 13.000 auf 150.000 Raketen, Flugkörper und Drohnen. Sie verlegte auch Truppen auf den Golan, um sich auf eine Ausweitung des Krieges gegen Israel vorzubereiten.

All dies zeigt, dass die wahre Macht der Hisbollah darin besteht, das Parlament und die Präsidentschaft zu strangulieren und die Außen- und Militärpolitik des Libanon zu bestimmen. Jetzt importiert sie sogar Treibstoff.

Aber sie hat keine 100.000 Kämpfer. Das liegt daran, dass die schiitische Gemeinschaft, auf die sich die Hisbollah stützt, gespalten ist und viele von ihnen den Hisbollah-Verbündeten Amal unterstützen. Um 100.000 Kämpfer zu haben, bräuchte man mehrere Millionen schiitische Hisbollah-Unterstützer. Wo sind diese Menschen? Wo sind die ausgebildeten Kämpfer? Wie soll die Hisbollah all diese Männer ernähren?

Tatsache ist, dass die Hisbollah zwar

  • eine mächtige Terrorarmee ist,
  • über Präzisionswaffen, Drohnen, Bunker und ein eigenes Kommunikationsnetz verfügt,
  • Drogen in die ganze Welt schmuggelt,
  • Ammoniumnitrat hortet und Städte zerstört,
  • den Libanon in den Bankrott treibt und ihn seiner Zukunft beraubt.

Die Zahl von 100.000 Kämpfern existiert aber nur in Nasrallahs Fantasie.

(Aus dem Artikel Hezbollah’s 100,000 fighters is a symbolic lie – analysis, der in der Jerusalem Post erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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