Eine Studie legt nahe, dass der Hamas-Führer den Anspruch erheben wollte, der »Befreier Palästinas« für den sunnitischen Islam zu sein und sich deshalb für ein unabhängiges Vorgehen entschied.
Shachar Kleiman
Wie eine Studie des Jerusalem Center for Public Affairs zeigt, begann die Hamas bereits 2021 mit der Umsetzung ihres Plans für den Angriff auf Israel vom 7. Oktober 2023. Dem Bericht zufolge strebte der Hamas-Führer Yahya Sinwar danach, den Titel »Befreier Palästinas« für den sunnitischen Islam zu beanspruchen, und entschied sich trotz der Bündnisse mit dem Iran und der Hisbollah für ein unabhängiges Vorgehen.
Die Studie von Jonathan Dahoah Halevi analysiert Primärquellen aus den Archiven der Hamas. Ein zentrales Ergebnis ist dabei, dass die Hamas einen mehrgleisigen Angriff plante, der die Eroberung von Territorium, Raketenabschüsse und einen Aufstand im Westjordanland beinhaltete. Die Untersuchung zeigt auch, dass die Hamas die politische Krise in Israel Israels ausnutzte, die durch die Bemühungen der Regierung um eine Justizreform, die dagegen aufstehende Protestbewegung sowie die Auswirkungen all dessen auf die Einsatzbereitschaft der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ausgelöst wurde.
Die Hamas führte einen Täuschungsplan aus, indem sie Israel über ihre wahren Absichten in die Irre führte und das Bild einer abgeschreckten Organisation vermittelte. Die Terrorgruppe versuchte auch den fälschlichen Eindruck zu erwecken, dass Israel in erster Linie mit Tunnelangriffen konfrontiert sein würde, während der eigentliche Angriff eine Invasion auf dem Boden, aus der Luft und über das Meer sowie den Einsatz von Drohnen beinhaltete.
Die Studie stellt fest, dass die Hamas bereits im Dezember 2022 mit Andeutungen über den bevorstehenden Angriff begann, als Sinwar eine »tosende Flut« (»Tufan Hader« auf Arabisch) ankündigte.
Zur Vorbereitung führte die Hamas jährliche Militärübungen durch, die sich auf eine Invasion Israels konzentrierten. Die letzte Übung, die ungewöhnlich avanciert war, fand weniger als einen Monat vor dem Angriff am 7. Oktober statt. Bei diesen Übungen kamen fortschrittliche Technologien wie Drohnen und vom Meer aus operierende Spezialeinheiten zum Einsatz, um die Einnahme von IDF-Stellungen, die Übernahme israelischer Gemeinden und die Entführung von Soldaten zu simulieren.
The IDF have had chances to kill arch-terrorist leader Sinwar. But he is surrounded by hostages. The bag he's holding in this video is filled with dynamite. "A few times we have had the chance to kill him, but if we do, he will kill all the hostages around him.” pic.twitter.com/jZEOY4Wl9V
— Adam Ma’anit (@adammaanit) October 5, 2024
Titel für sich reklamieren
Das Jerusalem Center for Public Affairs weist darauf hin, dass die Hamas zwar Bündnisse mit dem Iran und der Hisbollah einging, sich aber letztendlich für ein unabhängiges Vorgehen entschied. Die Studie legt nahe, dass Sinwar den Angriff als Teil eines »Endzeit«-Szenarios betrachtete: der islamischen Prophezeiung vom Sieg der Muslime über die Ungläubigen.
Halevi erklärt, Sinwar habe das Bündnis mit dem Iran und der Hisbollah zwar gebraucht, um die militärischen Fähigkeiten der Hamas in Gaza auszubauen. »Als es jedoch soweit war, scheint er sich dafür entschieden zu haben, den Titel des Befreiers Palästinas dem sunnitischen Islam vorzubehalten, anstatt ihn den schiitischen Kräften der ›Widerstandsachse‹ zu überlassen. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass sie sich seinem Feldzug gegen Israel unter seiner Führung anschließen würden.«
Der Bericht hebt auch die Lehren aus der Operation Guardian of the Walls hervor, dem Krieg zwischen der Hamas und Israel im Jahr 2021, der auch Unruhen von arabischen Israelis in Lod und Akko beinhaltete, was die Hamas dazu veranlasste, ihre Strategie gegen Israel zu überarbeiten. Die Organisation legte fortan den Schwerpunkt auf militärische Verstärkung, Kampftraining und professionelle Vorbereitung, um alle Konfrontationsschauplätze zu einer einzigen Front zu vereinen.
Der geplante Überraschungsangriff sollte die »Eroberung der Regionen Galiläa und Negev, die Anstiftung zu einem bewaffneten Aufstand unter den Palästinensern im Westjordanland und den arabischen Israelis sowie den Abschuss massiver Raketen- und Geschosssalven zur Lahmlegung von Flug- und Seehäfen und zum Angriff auf strategische Ziele« umfassen.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Yahya Sinwars Entscheidung, die Kampagne ohne vorherige Abstimmung mit der Hisbollah zu starten, die Umsetzung des Plans beeinträchtigte.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)