Man darf gespannt sein, ob sich auch die Regierung Netanjahu die Fortsetzung der terroristischen Aktivitäten des Istanbuler Hamas-Ablegers gefallen lassen wird.
Yoni Ben Menachem
Am 10. Januar dementierte Hamas-Sprecher Hazem Kassem in einer Erklärung israelische Medienberichte, wonach die Türkei die Bewegungsfreiheit der Hamas-Führung im Rahmen ihrer Annäherung an Israel einschränke.
»Die Veröffentlichungen sind Lügen und Teil der Hetze der zionistischen Medienmaschine gegen die Bewegung und ihre Führung. Die Hamas unterhält gute Beziehungen zur Türkei und ist bestrebt, diese und jene mit allen arabischen Ländern auszubauen und zu fördern«, heißt es in der Erklärung.
Es scheint, dass die guten Beziehungen zwischen der Hamas und der Türkei tatsächlich intakt sind. Mehrere hochrangige Hamas-Führer und ihre Familien leben jetzt dauerhaft in der Türkei, einige haben türkische Pässe erhalten. Die Hamas-Funktionäre sind nicht nur im Terrorismus aktiv, sondern haben auch ihre eigenen Unternehmen gegründet.
Ismail Haniyehs Sohn Hazem ist mit seiner Familie aus dem Gazastreifen in die Türkei gezogen, sodass der Hamas-Chef fast seine gesamte Familie aus Katar und dem Gazastreifen in die Türkei übersiedelt hat. Einzelheiten über ihre Ausreise aus dem Gazastreifen wurden aus ägyptischen Listen von Einwohnern bekannt, die über den Grenzübergang Rafah an der ägyptischen Grenze ausgereist sind. Die Bewohner des Gazastreifens reagierten daraufhin in den sozialen Medien mit Empörung.
Der Geheimdienst der Terrorgruppe operiert trotz der Proteste Israels mit Genehmigung des türkischen Geheimdienstes weiterhin ungehindert in Istanbul. Hochrangige israelische Sicherheitsbeamte haben Einzelheiten über einige der Aktivitäten dieses Zweigs bekannt gegeben, die über die Leitung und Finanzierung terroristischer Aktivitäten in Judäa und Samaria hinausgehen. Sicherheitsquellen zufolge sammelt die Hamas-Zweigstelle in Istanbul für den Iran Informationen über Israel und erhält dafür hohe Geldsummen.
In dem Istanbuler Ableger gibt es einen speziellen Überwachungsraum, in dem Hamas-Terroristen, die aus israelischen Gefängnissen entlassen wurden und fließend Hebräisch sprechen, gemeinsam mit Mitgliedern der Hamas-Cyber-Einheit die Kommunikation der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte IDF überwachen. Die abgefangenen Informationen werden an den iranischen Geheimdienst weitergeleitet. Letztes Jahr wurden drei israelische Araber in Israel verhaftet, nachdem sie ein großes israelisches Telekommunikationsnetz gehackt, eine Unmenge an Daten gestohlen und geplant hatten, das System im Falle eines Krieges zum Absturz zu bringen. Sie trafen sich mehrmals mit ihren Hamas-Verantwortlichen in der Türkei.
Intensive Abhörtätigkeit
Die Aktivitäten der Hamas und ihrer Agenten in der Türkei konzentrieren sich nicht nur auf Israel selbst, sondern auch auf israelische Einrichtungen in anderen Ländern.
- Überwachung von in Israel lebenden Juden iranischer Herkunft und ihrer sozialen Netzwerke, Beschaffung von Informationen über ihre politische Zugehörigkeit, Wohnadresse und Telefonnummern. Diese Informationen werden an den iranischen Geheimdienst weitergeleitet, der versucht, sie anzuwerben.
Im Januar 2022 gab der israelische Sicherheitsdienst Shin Bet bekannt, dass er ein iranisches Spionagenetzwerk aufgedeckt hat, das versucht hat, fünf israelische Bürger iranischer Herkunft über Facebook anzuwerben. Zu der Zelle gehörten vier Frauen und ein Mann, die ständige Beziehungen zu einem iranischen Geheimdienst unterhielten, bis ihre Aktivitäten durch den Shin Bet gestoppt wurden. Es wurden Anklagen gegen die Gruppe erhoben. - Sammeln von Informationen in Afrika über die Aktivitäten des Mossad. Israel bildet Armeen in Ländern wie Kenia, Äthiopien, der Elfenbeinküste und Südafrika aus. Der iranische Geheimdienst versucht, israelische Staatsbürger, die in Afrika arbeiten, anzuwerben.
- Betrieb einer Einrichtung für Cyber-Kriegsführung in der Türkei, um israelische Websites zu hacken und zu stören.
- Sammeln von Informationen über die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah und deren Sicherheitskoordination mit Israel gegen die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad, der dem Iran nahesteht, sowie Weitergabe dieser Informationen an den iranischen Geheimdienst.
Sicherheitsbeamte in Israel berichten, dass der türkische Geheimdienst, der von Hakan Fidan geleitet wird, ein sehr professioneller Dienst ist und über genaue Informationen verfügt, was in den Büros der Istanbuler Hamas-Filiale vor sich geht. Solange Präsident Recep Tayyip Erdogan die Hamas-Führung unterstützt, sie auf türkischem Territorium beherbergt und einigen ihrer Aktivisten sogar die türkische Staatsbürgerschaft gewährt, kann nichts unternommen werden. Auch Israel hat sich gegenüber der Türkei verpflichtet, nicht gegen Hamas-Aktivisten auf türkischem Boden vorzugehen, obwohl diese Terroraktionen gegen die Türkei durchführen.
Obwohl die terroristischen Aktivitäten und die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Hamas-Ablegers in Istanbul ungehindert weitergegangen sind, nahm die Regierung Bennett die Beziehungen zur Türkei nach einer mehrjährigen Krise wieder auf. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die Regierung Netanjahu gegenüber der Türkei verhalten wird und ob auch sie die Fortsetzung der terroristischen Aktivitäten des militärischen Flügels der Hamas von Istanbul aus hinnehmen wird.
Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)