Die Terrorgruppe Hamas nutzt ihre zynischen Inszenierungen der Geiselfreilassungen auch, um ihre Streitkräfte wieder aufzubauen und die umliegenden Gebiete auszukundschaften.
Die Hamas habe die Geiselfreilassungen missbraucht, um ihre Streitkräfte wieder aufzubauen und das Territorium im Gazastreifen zu kartieren, wie israelische Quellen der britischen Tageszeitung The Telegraph mitteilten. So setzte die Terrorgruppe bei jeder Übergabe (noch) mehr Kämpfer ein und führte mittels Drohnen, welche die inszenierten Zeremonien filmten, Erkundungen durch.
Während sich amerikanische und israelische Beamte empört über die Zurschaustellung der Geiseln zeigten, die, von bewaffneten Männern mit Masken und grünen Stirnbändern flankiert, zunächst einer Menschenmenge vorgeführt werden, bevor sie dem Roten Kreuz übergeben werden, ist die Größe der Hamas-Truppe, die an jeder Geiselbefreiung teilnimmt, durch das Waffenstillstandsabkommen nicht begrenzt, bestätigte der israelischer Geheimdienstanalyst Ronen Solomon.
Solomon erläuterte, man könne »von Zeremonie zu Zeremonie einen Fortschritt im Auftritt der Hamas-Truppe erkennen. Anhand der Ereignisse können wir beobachten, dass sie ihre Truppenstärke jedes Mal vergrößern, von einem Zug zu mittlerweile einer Art Brigadeoperation. Wir sehen jedes Mal mehr bewaffnete Kämpfer, von zwanzig bis mittlerweile hundertfünfzig, und mehr Pick-up-Trucks, wie sie am 7. Oktober 2023 verwendet wurden.«
Ein hochrangiger israelischer Geheimdienstmitarbeiter meinte, die Hamas habe Israel »in der Zange, weil wir ihnen keinen Vorwand geben wollen, sich aus dem Austausch zurückzuziehen, aber sie nutzen diese Ereignisse definitiv, um sich neu zu formieren«.
Als Militärmanöver genutzt
Eine hochrangige Militärquelle gab an, Israel habe die militärische Stärke der Hamas »erheblich geschwächt«. So seien die Rekrutierungsbemühungen nicht so erfolgreich gewesen wie vom US-Außenministerium angenommen, das im vergangenen Monat erklärte, die Terrorgruppe habe genauso viele neue Kämpfer rekrutiert, als in den sechzehn Monaten andauernden Kämpfen getötet wurden. Israel schätzt, dass seit Beginn des Krieges mindestens 17.000 Hamas-Kämpfer getötet wurden und nur ein paar hundert neue, junge und unerfahrene Rekruten aufgenommen wurden, fügte die Militärquelle hinzu.
Ronen Solomon warnte jedoch Israel, nicht allzu selbstsicher zu sein: »Jede Woche sehen wir, wie die Hamas-Truppen ihre Waffen tragen und handhaben und wir sehen, dass sie nicht unerfahren sind.« Die Menge an Ausrüstung und Waffen der Hamas ist nach den bislang vier Runden von Geiselfreilassungen ebenfalls deutlich geworden, bei denen im Rahmen der von der Terrorgruppe inszenierten Zeremonien auch Maschinengewehre, Panzerabwehrraketen und Drohnen präsentiert wurden.
Darüber hinaus filme die Hamas die Geiselübergaben mit Drohnen und sammle so auch geografische Informationen über das Gebiet, wogegen Israel nichts unternehmen könne, erläuterte Solomon: »Da sie jedes Mal den Übergabeort ändern, kartieren sie auf diese Weise Gaza-Stadt, Rafah, Khan Yunis und den Hafen und sammeln so Informationen.«
Aufklärungsflüge
Die Hamas, die sich weiterhin in ihrem Tunnelnetz verborgen hält, hatte nur relativ begrenzte Informationen über das Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf künftige Militäroperationen. Da zugleich wichtige Tunnelrouten, darunter auch solche, die den Norden mit dem Süden bzw. verschiedene Städte und wichtige Geheimdienstzentren miteinander verbinden, durch Israel zerstört wurden, seien die während der Geiselfreilassungen gemachten Aufnahmen so wichtig für die Hamas.
»Diese Manöver im Gazastreifen, bei denen jedes Mal andere Orte für den Austausch genutzt werden, ermöglichen es der Hamas, ihre Streitkräfte mehrere Kilometer weit zu bewegen, und die Kämpfer bewegen sich als Einheiten«, erklärte Solomon. »Jeder Lkw ist mit sechs bis zehn Kämpfern besetzt, einem Kommandanten sowie Kommunikationsmitteln wie Walkie-Talkies, die zur Koordination mit dem Roten Kreuz verwendet werden, aber auch als Basis zur Kontrolle der Streitkräfte dienen. Das stellt eine Übung für die Hamas-Truppen dar, um nach Monaten des Guerillakriegs wieder Erfahrung zu sammeln.«
Darüber hinaus zielen die Inszenierungen und Zeremonien, die in den sozialen Medien der Hamas weit verbreitet werden, auch darauf ab, die Menschen im Gazastreifen psychologisch auf die anhaltende Dominanz der Terrorgruppevorzubereiten, fügte Solomon abschließend hinzu.