Seit über einem Jahrzehnt hat sich die Türkei unter ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als bequemer und großräumiger Schauplatz für die Aktivitäten der Hamas etabliert.
Yaakov Lappin
Der heurige dritte Juni rief die akute und brandgefährliche Bedrohung in Erinnerung, die vom zunehmend in der Türkei verankerten Hauptquartier der Hamas ausgeht. An diesem Tag gab die Israelische Sicherheitsbehörde [ISA] bekannt, einen Terroranschlag vereitelt zu haben, der von der Hamas von ihrem türkischen Stützpunkt aus organisiert worden war.
»In der manifest israelfeindlichen Atmosphäre, die in der Türkei spätestens herrscht, seitdem der türkische Präsident [Recep Tayyip] Erdoğan seine strengen wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Israel erlassen hat, ist es keine Überraschung, dass die Hamas ihre operativen Aktivitäten von türkischem Boden aus wieder aufgenommen hat – falls sie überhaupt jemals aufgehört hat«, sagte der leitende Forscher am Internationalen Institut für Terrorismusbekämpfung an der Reichman-Universität in Herzliya, Ely Karmon.
Bevor er in den Libanon ging, wo sich ein weiteres wichtiges Hamas-Hauptquartier befindet, war der stellvertretende Leiter des Politbüros der Terrorgruppe, der im Januar – vermutlich von Israel – in Beirut getötete Saleh al-Arouri, zwischen 2012 und 2015 in der Türkei tätig. »Die Infrastruktur ist zumindest teilweise schon vorhanden gewesen, und in letzter Zeit sind einige Hamas-Führer in die Türkei zurückgekehrt und haben sich mit Erdoğan getroffen«, erläuterte Karmon. Kürzlich war nicht nur der in Katar lebende Hamas-Chef Isamil Haniyeh zu Besuch in Anakara; Präsident Erdoğan prahlte auch damit, dass über tausend verwundete Hamas-Kämpfer in seinem Land behandelt würde.
Nach mehreren solchen Projekten in der Vergangenheit war auch eine neue Gaza-Flottille mit Unterstützung lokaler türkischer Elemente geplant, dann aber doch nicht durchgeführt, möglicherweise wegen des starken diplomatischen Drucks auf die Türkei, auch seitens der Vereinigten Staaten, sagte Karmon. Der Experte wies auch darauf hin, dass die Türkei jüngst bei mindestens zwei Gelegenheiten bekannt gegeben hatte, dass sie angeblich gegen Palästinenser in der Türkei gerichtete Mossad-Netzwerke verhaftet habe.
All dies bedeute zwar nicht, dass die türkische Regierung über jeden geplanten Hamas-Anschlag Bescheid wisse. »Die Tatsache, dass Außenminister [Hakan] Fidan zwar ein loyaler Gefolgsmann des Präsidenten, aber auch ein ehemaliger Leiter des Geheimdienstes ist, könnte in dieser Angelegenheit ebenfalls hilfreich sein«, sagte er. »Das türkische Außenministerium war in der Vergangenheit im Allgemeinen immer sensibler und vorsichtiger, wenn es um Aktionen gegen Israel ging.«
Unmittelbare Gefahr
Wie die ISA kürzlich mitteilte, war an dem vereitelten Terroranschlag Anas Shurman beteiligt, ein Palästinenser aus Tulkarem mit Wohnsitz in Jordanien, der am 15. März von der Sicherheitsbehörde und der Antiterroreinheit der israelischen Polizei in Nablus festgenommen werden konnte.
Während seines Verhörs gab Shurman, der verdächtigt wird, einen Bombenanschlag in Israel geplant zu haben, an, im Dezember 2023 vom Hamas-Aktivisten Amad Abid rekrutiert worden zu sein, der ursprünglich dem Westjordanland ausstammt, aber von der Türkei aus operiert.
Shurman hatte sich bereit erklärt, im Namen der Hamas ein Selbstmordattentat in Israel zu verüben, verfasste ein Testament, absolvierte eine Motorradausbildung für den Anschlag und wurde mit Geldmitteln und Anweisungen für die Beschaffung des im Westjordanland versteckten Sprengsatzes sowie die Durchführung des Attentats versorgt, gab der Geheimdienst bekannt.
Im Rahmen der Ermittlungen wurde ein zwölf Kilogramm schwerer Sprengsatz entdeckt, der in der Nähe einer Quelle in der Region Samaria im nördlichen Westjordanland versteckt war. Neben dem Sprengsatz wurde auch ein Brief mit Anweisungen für den Anschlag gefunden. Mehrere Hamas-Aktivisten, die Teil der entsprechenden Terrorinfrastruktur in Nablus waren, wurden ebenfalls festgenommen. Ihre Beteiligung an der Produktion und dem Verstecken des Sprengsatzes soll unter der Leitung von Khudifa Salaimeh, einem weiteren Hamas-Aktivisten mit Sitz in der Türkei, stattgefunden haben, wie aufgedeckt wurde.
Anas Shurman wurde wegen schwerer Sicherheitsverstöße angeklagt, darunter versuchter Mord, Kontakt mit einem Feind und Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung. Fünf Einwohner von Nablus wurden ebenfalls wegen schwerer Sicherheitsverstöße, darunter versuchter Mord, angeklagt.
Gute Voraussetzungen für die Hamas
Die Untersuchung unterstreicht die strategische Verankerung des Hamas-Hauptquartiers in der Türkei und seine Rolle bei der Planung von Anschlägen in Israel, so die Israelische Sicherheitsbehörde. Die Erkenntnisse unterstreichen auch die jüngsten Versuche der Hamas, während des Ramadans die Spannungen zu verschärfen. So wurde am 11. März ein Einwohner von Dschenin von ISA- und IDF-Kräften neutralisiert, als er mit einem einsatzbereiten Sprengsatz auf dem Weg nach Israel war.
Der Leiter des Forums für Palästinastudien am Moshe-Dayan-Zentrum für Nahost- und Afrikastudien an der Universität Tel Aviv und ehemalige Leiter der Abteilung für palästinensische Angelegenheiten im militärischen Nachrichtendienst der IDF, Michael Milshtein, erklärte diesbezüglich: »Seit mehr als einem Jahrzehnt hat sich die Türkei unter Erdoğan und der Muslimbruderschaft als bequemer und umfassender Schauplatz für die Aktivitäten der Hamas etabliert.«
Diese Politik komme sowohl auf politischer als auch auf operativer Ebene zum Ausdruck, so Milshtein. Dazu gehörten Treffen und Konferenzen mit Hamas-Mitgliedern in Istanbul sowie Gespräche über einen Umzug der politischen Führung der Hamas von Katar in die Türkei, die Orchestrierung von Anschlägen, das Training von Terroristen und deren Ausbildung in den Bereichen Technologie und Cybertechnologie. Die Türkei unterstütze die Hamas nicht wie der Iran und die Hisbollah, meint Karmon, schließlich sei das Land NATO-Mitglied. »Dennoch bleibt es ein sehr bequemer Schauplatz für die Operationen der Hamas.«
Neben anderen Faktoren, die dazu beitragen, sei es »auch die Zurückhaltung Israels, in der Türkei zu agieren, weil es Bedenken hat, den bilateralen Beziehungen zu schaden«, welche die Türkei zu einem äußerst günstigen Standort für die Hamas mache, meint Karmon. »Die Hamas ist sich dieser Sensibilität bewusst und fühlt sich daher sehr wohl, wenn sie in der Türkei operiert.« Dies könnte sich nur ändern, sollte die türkische Politik insgesamt umgestaltet werden oder der Westen und insbesondere die USA erheblichen Druck auf die türkische Regierung ausübten.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)