„Bereits im September 2016 wurde die iranische Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Nasrin Sotoudeh zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, am 13. Juni 2018 wurde sie verhaftet. Vor gut einem Monat habe sie, wie ihr Mann, Resa Chandan, auf Facebook schreibt, ein iranisches Revolutionsgericht in insgesamt sieben Anklagepunkten – etwa ‚Anstiftung zu Korruption und Prostitution‘ und ‚offenes sündhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch‘ – für schuldig befunden und zu weiteren 33 Jahren Haft sowie 148 Peitschenhieben verurteilt. Am Prozess durften weder sie noch ein Anwalt ihrer Wahl teilnehmen. (…)
(W)o bleiben die nicht abebbenden Proteststürme quer durch alle Gesellschaftsschichten und politischen Lager in der westlichen Welt? Nach Klimaschutz am Freitag und Antiregierungswandertagen am Donnerstag gäbe es in Österreich ausreichend freie Termine für wöchentliche Demonstrationen. Warum nehmen Musliminnen in der westlichen Welt aus Solidarität mit ihren unterdrückten Schwestern nicht ihre (freiwillig getragenen?) Kopftücher ab und recken sie vor den iranischen Botschaften als Fahnen der Freiheit in die Höhe? Wünschenswert wären auch nachhaltige journalistische Informationen, doch wer in den Archiven hiesiger Qualitätsmedien stöbert, stößt auf erstaunlich schüttere Berichterstattung.
Viele junge Iranerinnen und Iraner wollen ihr Land verlassen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn diese aufgeklärten, sich nach Freiheit sehnenden Menschen aber Pech haben, landen sie im Westen womöglich in einer der muslimischen, religiös fundamentalistischen und machistischen Parallelwelten, in denen Eltern ihren Töchtern den Schleier ge- und das Lesen verbieten; in denen Burschen ‚die Ehre‘ ihrer Schwestern verteidigen, wenn es sein muss, auch mit Gewalt; und in denen Zwangsehen häufiger vorkommen, als es Europas liberale Mehrheitsgesellschaften wahrhaben wollen. Den Kampf dagegen überlassen diese den Rechten.“ (Andrea Schurian: „Das große Gefängnis der iranischen Gesellschaft“)