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„Habe Hoffnung und Angst“: Kamel Daoud über die Proteste in Algerien

„Habe Hoffnung und Angst“: Kamel Daoud über die Proteste in Algerien
Kamel Daoud (Quelle: Claude Truong-Ngoc, CC BY-SA 3.0)

„[Präsident Bouteflikas] Sturz war seit Beginn der Demonstrationen vorprogrammiert. Dabei kam es jedoch darauf an, eine möglichst ‚einvernehmliche‘ Lösung zu finden, einen Kompromiss, durch den man den Menschen auf der Straße zwar einerseits eine Antwort geben, gleichzeitig aber das Regime erhalten und Bouteflika zumindest die Chance lassen würde, sein Gesicht zu wahren. Das hat die Abwicklung des Ganzen doch um einige Wochen verzögert. Es ist das Ende eines Clans, aber nicht unbedingt das Ende eines Regimes. (…)

Die Macht bleibt legalistisch. General Ahmed Gaïd Salah fordert die Anwendung des Artikels 102, der in der Verfassung für den Fall vorgesehen ist, dass der Präsident regierungsuntauglich ist. Einige prangern jetzt bereits einen Staatsstreich der Armee an, rein rechtlich ist das jedoch nicht der Fall: Der Verfassungsrat setzt das Gesetz durch. (…) Wir erleben im Moment keinen klassischen Staatsstreich, bei dem der Stabschef die Präsidentschaft übernimmt. Aber auch wenn die Armee hier das Gesetz respektiert, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch wirklich gute Absichten hat. Und es bedeutet ebenso wenig, dass dies die Lösung ist, auf die die Algerier warten und die die Demokratie festigt. (…)

Es erinnert nicht wirklich an das, was in Ägypten passiert ist, denn in der algerischen Szene gibt es den Faktor Gewalt nicht. Die Demonstranten in Algier haben die Konsequenzen des ‚arabischen Frühling‘ in den verschiedenen Ländern keineswegs vergessen, sie wollen friedliche Protestveranstaltungen. Und auch die Armee wollte sich Ähnliches nicht aufs Gewissen laden. Ich habe den Eindruck, dass sie eine direkte Machtübernahme vermeiden will. Es gab keine Massaker, keine gewaltsame Unterdrückung und auch keine Absetzung des Präsidenten. (…) Noch vor wenigen Wochen hätte ich nie gedacht, dass ich diesen Moment eines Tages erleben würde. Das weckt eine Menge Hoffnung. Jetzt ist es endlich das algerische Volk selbst, das über die Dinge entscheidet und kein schwarzes Kabinett in Algier. Die Straße wurde zurückerobert. Ob ich Angst habe? Natürlich. Niemand kann die Zukunft vorhersehen. Wir haben das Szenario Libyens und Syriens vermeiden können und müssen jetzt auch das ägyptische Szenario verhindern, um dann zum tunesischen Szenario zu gelangen. (Interview von Alexandre Devecchio mit Kamel Daoud: „Es gibt das Risiko, dass die Islamisten siegen“)

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