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Großbritannien: Antisemitismus und Protest dagegen (Teil 2)

Landesweite Demonstration gegen Antisemitismus in London
Landesweite Demonstration gegen Antisemitismus in London (© Imago Images / Avalon.red)

Großbritannien verzeichnet aktuell die höchsten Antisemitismuszahlen, die jemals gemessen wurden. Die Zahlen haben sich in weniger als fünf Jahren verdoppelt.

Laut einer aktuellen Umfrage der Campaign Against Antisemitism (CAA) haben über 21 Prozent der Erwachsenen in Großbritannien (Vorjahr: 16 Prozent) »tief verankerte« antisemitische Einstellungen, was eine Verdopplung gegenüber der Messung vor vier Jahren darstellt. »Tief verankert« bedeutet, dass sie vier oder mehr antisemitischen Aussagen zustimmen. Beispiele für solche Aussagen sind: »Im Vergleich zu anderen Gruppen haben Juden zu viel Macht in den Medien« oder: »Juden jagen mehr dem Geld hinterher als andere Menschen.«

Besonders unter Jugendlichen ist der Hass auf Israel ausgeprägt. Fast die Hälfte (49 Prozent) der 18- bis 24-Jährigen fühlt sich laut Umfrage »unwohl«, Zeit mit Menschen zu verbringen, die Israel offen unterstützen; nur 18 Prozent fühlen sich »wohl«. 31 Prozent stimmten zu, dass Israel als Heimatland des jüdischen Volks ein Existenzrecht hat; 20 Prozent bestreiten dies. 58 Prozent der jungen Menschen glauben, Israel und seine Unterstützer übten einen negativen Einfluss auf die britische Demokratie aus, verglichen mit 29 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Über ein Viertel (26 Prozent) der Briten ist der Überzeugung, Israel könne mit allem davonkommen, weil seine Unterstützer die Medien kontrollierten, was einen deutlichen Anstieg gegenüber 18 Prozent im letzten Jahr darstellt. Unter jungen Menschen stieg dieser Wert auf 42 Prozent. Ein Sprecher der CAA kommentierte: » Bedenkt man, dass sich die überwiegende Mehrheit der britischen Juden als Zionisten und mit dem jüdischen Staat identifiziert, haben diese Einstellungen junger Briten enorme Auswirkungen auf junge Juden auf dem Campus, in den sozialen Medien und beim Berufseinstieg.«

Ebenfalls erschreckend: Zehn Prozent der jungen Menschen haben eine positive Meinung bezüglich der Hamas; 14 Prozent halten es für falsch, sie als terroristisch einzustufen. Für fast ein Fünftel der jungen Briten war der Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 gerechtfertigt.

Vor allem links der Mitte gibt es Sympathien für die antisemitische Terrororganisation: Unter den Wählern der Grünen Partei halten fünfzehn Prozent den Angriff der Hamas für legitim – mehr als bei den Wählern jeder anderen großen Partei. 29 Prozent der Labour-Wähler sind der Ansicht, Israel könne mit allem davonkommen, da seine Anhänger die Medien kontrollierten.

»Fast ein Drittel der Wähler der Regierungspartei glaubt also, dass die Anhänger des jüdischen Staates die Medien kontrollieren und sich daher der Rechenschaftspflicht entziehen«, so der Sprecher der CAA. »Unser Land steht eindeutig an einem Wendepunkt. Dies sind die höchsten Antisemitismuszahlen, die wir jemals verzeichnet haben; sie haben sich in weniger als fünf Jahren verdoppelt. Unsere jungen Leute werden vor unseren Augen radikalisiert und übernehmen hasserfüllte Ideologien. Großbritannien wird seine Seele an Extremisten verlieren, wenn die schweigende Mehrheit nicht aufwacht.«

Die Behörden hätten es kläglich verabsäumt, der Situation gerecht zu werden: »Politiker, Polizei und Staatsanwälte, Aufsichtsbehörden, Medienorganisationen, Kultureinrichtungen, Universitäten, Gewerkschaften – sie alle sind mitschuldig an der Schaffung eines Klimas des Hasses in Großbritannien. Juden mögen es jetzt am deutlichsten spüren, aber für uns alle ist dies nicht mehr das Land, das wir kannten. Bald wird es für unser Land zu spät sein, den Kurs zu ändern.«

BBC-Chef entschuldigt sich

Die in Teil eins unseres Berichts geschilderte Londoner Demonstration gegen Antisemitismus vom vergangenen Sonntag war auch ein Protest gegen den Staatssender BBC. Die britische Rundfunkanstalt ist bekannt dafür, einseitig gegen Israel zu berichten und dabei Fakten zu fälschen.

Ein Beispiel ist die Dokumentation mit dem Titel »Gaza: How to Survive a War Zone«, ausgestrahlt am 17. Februar. Angekündigt war eine Reportage über das Leben von Jugendlichen im Gazastreifen während des Kriegs. Nicht erwähnt wurde, dass der vierzehnjährige Erzähler der Sohn eines hohen Hamas-Funktionärs ist. Auch andere der im Film gezeigten Jugendlichen stammen aus dem Hamas-Umfeld. Äußerungen von Interviewten wurden zudem falsch übersetzt: Wurde im Original der frühere Hamas-Chef Yahya Sinwar für dessen »Dschihad gegen die Juden« gerühmt, war in der Übersetzung vom »Kampf gegen israelische Truppen« die Rede. Solche Fehler geschehen nicht aus Unachtsamkeit, sondern zeigen die Absicht, die Hamas und ihre Sympathisanten im Westen akzeptabel zu machen und deren Antisemitismus auszublenden.

Auch für die Entscheidung des TV-Senders, Bob Vylans Auftritt beim Glastonbury Festival live zu übertragen, wurde die BBC kritisiert. BBC-Generaldirektor Tim Davie räumte am Dienstag ein, dies sei »ein sehr schwerwiegender Fehler« gewesen. Bei einer Anhörung vor Abgeordneten des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport sagte Davie, der Auftritt des Punk-Duos sei »antisemitisch« und »zutiefst verstörend«.

Die BBC hatte den Auftritt der Band, die beim Festival im Juni »Tod, Tod den IDF [Israelische Verteidigungsstreitkräfte]« rief, weiterhin live gestreamt. Auf seine Reaktion angesprochen, sagte Davie: »Ich glaube nicht, dass ich es falsch verstanden habe. Ich war gerade dort (in Glastonbury), als ich gegen fünf Uhr davon hörte … Der Auftritt war zu diesem Zeitpunkt schon vorbei, und zu diesem Zeitpunkt wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass es sich um eine antisemitische Sendung handelte.«

Er habe dann entschieden, das Konzert nicht mehr in der hauseigenen Mediathek bereitzustellen. »So einfach war das. Ich meine, es war in meinen Augen nicht allzu kompliziert, und zu Ihrem Punkt: Ich finde es wirklich zutiefst verstörend, zutiefst verstörend.« Die BBC habe mit der Ausstrahlung »einen sehr schwerwiegenden Fehler gemacht, sehr schwerwiegend. … Wissen Sie, die Tatsache, dass diese Worte an ein so breites Publikum gesendet wurden, war, ehrlich gesagt … verstörend.«

Als er das Filmmaterial gesehen hatte, soll Davie gesagt haben: »Wir senden diesen Kerl nicht.« In der Anhörung zur Dokumentation »Gaza: How To Survive A Warzone« befragt, meinte er, die BBC habe »die Empfehlungen umgesetzt«, nachdem ein Bericht ergeben hatte, dass sie es verabsäumt habe, Informationen über die Position des Vaters des Erzählers innerhalb der Hamas-Regierung offenzulegen.

Der ebenfalls befragte BBC-Vorsitzende Samir Shah erklärte: »Das war ein echter Fehler. Was der Bericht herausfand, war, dass wir hinsichtlich der Beziehung des Erzählers zu einem Hamas-Funktionär nicht offen und transparent waren. Das betrifft direkt den Kern des Reputationsrisikos der BBC in Bezug auf ihre Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit.«

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