Griechenlands Kommunisten leugnen die Verbrechen der Hamas und dämonisieren Israel. Widerspruch dagegen ist kaum zu vernehmen.
Dimitri Kravvaris
Am 2. November erreichten mich Videoaufnahmen vom Athener Flughafen. Darin waren Dutzende Mitglieder der von der Kommunistischen Partei gegründeten Militanten Arbeiterfront (bekannt unter dem Akronym PAME) zu sehen. Sie hatten den Flughafen unangekündigt betreten, hielten Fahnen ihrer Gewerkschaft sowie palästinensische Flaggen und Plakate in ihren Händen, auf denen Israel des Terrorismus bezichtigt und das »palästinensische Volk« dafür heroisiert wurde, dass es trotz der Gaza-Einkesselung »den Kopf erhebt«.
Diese offene Verherrlichung der Verbrechen der Terrororganisation Hamas stieß auf keinerlei Widerstand. Die überwiegend männliche Gruppe bewegte sich ungehindert durch den Flughafen und skandierte Slogans für die »Befreiung von Palästina« und gegen die »neue Ordnung der Imperialisten«. Damit waren sicherlich weder Putins Russland noch die Mullahs im Iran gemeint.
Beim Ansehen dieser Videos hatte ich nicht nur wegen des militaristischen und anstößigen Auftretens dieser Gruppe ein seltsames Gefühl. PAME ist vor allem auf den Straßen aktiv, das ist das Markenzeichen dieser Gewerkschaft. Was hatte eine PAME-Gruppe plötzlich auf einem Flughafen zu suchen?
Der Marsch durch den Athener Flughafen war eine bewusste Selbstinszenierung und knüpfte an die Ereignisse in der russischen Teilrepublik Dagestan einige Tage zuvor an, als ein Lynchmob den Flughafen Machatschkala gestürmt hatte, um nach Israelis zu suchen. Die Kommunistische Partei Griechenlands – bekannt für ihren notorischen Israelhass – wollte mit dem Marsch ihrer Gewerkschafter signalisieren, dass auch sie beim nächsten Mal handgreiflich werden könnte. In diesem Zusammenhang wurde im Beitrag des Radiosenders (902.gr) der Kommunistische Partei zum Marsch von PAME explizit darauf verwiesen, dass die Gruppe einen besonderen Stopp vor den Check-in-Schaltern jener Fluggesellschaften einlegte, die nach Israel fliegen.
Leugnung
Bei dem beliebten Fernsehmoderator Nikos Hadjinikolaou diskutierten die Gäste am 20. Oktober über den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Der Moderator stellte Jannis Giokas, den Pressesprecher der Kommunistischen Partei, zur Rede: Hält er den Angriff vom 7. Oktober für terroristisch? Angelos Syrigos, Abgeordneter der israelfreundlichen Regierung der Nea Dimokratia, wollte dies ebenfalls wissen: Ist die Hamas für die Kommunistische Partei eine terroristische Organisation?
Giokas reagierte auf die Fragen wie beflügelt (ab Minute 26): Er weigerte sich nicht nur, die Hamas als terroristische Organisation zu bezeichnen, denn die Kommunistische Partei wolle sich die Kriterien der Europäischen Union, der NATO und Israels keineswegs zu eigen machen. Er ging auch einen Schritt weiter, indem er das Massaker an Zivilisten als »Repressalien« für die jahrelange Unterdrückung der Palästinenser rechtfertigte. Giokas behauptete sogar, dass die Hamas am 7. Oktober »auch militärische Ziele hatte« – ohne diese jedoch zu nennen.
Einige Tage später wurde deutlicher, worauf seine Aussagen abzielten: Anfang November berichtete Rizospastis, die Tageszeitung der Kommunistischen Partei, von der öffentlichen Veranstaltung einer parteinahen Journalistenvereinigung am 1. November in Athen, bei der angebliche Fake News der israelischen Regierung zum Massaker am 7. Oktober entlarvt worden seien.
Die »Recherche« dieser Gruppe sollte beweisen, dass an jenem Tag angeblich eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Hamas und der israelischen Armee im Süden Israels stattgefunden habe, wobei die israelischen Zivilisten von ihrer Armee stets beschützt gewesen seien. Es wurde sogar behauptet, dass bei dieser Auseinandersetzung viele Zivilisten von den israelischen Soldaten selbst getötet worden seien: Einige seien ins Kreuzfeuer geraten, andere von den Soldaten bei dem Versuch der Hamas, sie zu entführen, »eliminiert« worden.
Im besagten Beitrag von Rizospastis wurde Bezug auf englischsprachige Reportagen (ABC News, The Guardian, The Jerusalem Post) sowie auf einen Beitrag des griechischen staatlichen Fernsehens genommen. Dabei wurden einzelne Aspekte isoliert, verdreht und umgedeutet mit dem Ziel, die Verbrechen der Hamas zu relativieren oder gar zu negieren. Die abscheuliche Leugnung der Hamas-Verbrechen blieb bisher ohne jegliche politische oder sonstige Konsequenz für Rizospastis und die parteinahe Journalistenvereinigung, die der Geschichtsklitterung eine Bühne gewährt hatte.
Indoktrination
Die Föderation der staatlichen Sekundarstufenlehrer Griechenlands (OLME) ist die größte Gewerkschaftsorganisation in diesem Bereich und gilt als linksgerichtet. Kritiker bescheinigen ihr seit Jahren Bedeutungsverlust und attestieren ihr eine Ablehnung jeglicher Reform.
Anfang November erklärt OLME den 6. November zum »Aktionstag für Palästina«. Die Besatzung palästinensischer Gebiete sowie die »Vernichtung« palästinensischer Zivilisten und Kinder durch Israel sei ein »anhaltendes Verbrechen«, hieß es in der Ankündigung. Die Lehrerinnen und Lehrer wurden dazu aufgerufen, in Absprache mit Schülersprechern und Elternvertretern Solidaritätsveranstaltungen in griechischen Schulen durchzuführen.
Der Versuch der Gewerkschaft, auf die schulische Praxis Einfluss zu nehmen, um Hass gegen Israel zu schüren, war offensichtlich. OLME hatte bisher kein Wort des Mitgefühls für die Ermordeten und Verschleppten beim antisemitischen Pogrom am 7. Oktober oder für die ukrainischen Opfer der andauernden russischen Aggression geäußert. Der Zentralrat der jüdischen Gemeinden in Griechenland (KISE) warf OLME selektive Empathie sowie Übernahme des Narrativs der islamistischen Hamas vor, um Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren.
Bildungsminister Kyriakos Pierrakakis traf sich am 6. November demonstrativ mit Mitgliedern des Vorstands des Zentralrats der jüdischen Gemeinden in Griechenland und ließ unter anderem mitteilen, dass Werte wie Humanismus, Demokratie und Toleranz wichtige Grundlagen des schulischen Lebens seien und im Gegensatz zu Judenfeindlichkeit, zur Einflussnahme auf das freie Denken der Schüler oder zur unlauteren Unterscheidung in schuldige und unschuldige Opfer stünden. Die Kommunistische Partei schlug sich wie erwartet auf die Seite der OLME und bezeichnete die Stellungnahme des Bildungsministers in einer Mitteilung als »strafbar«, da sie erfundene Antisemitismusvorwürfe enthalten habe.
Das Schweigen der anderen Parteien zu dieser Affäre veranschaulicht, dass es anscheinend in Griechenland in Kauf genommen wird, dass Schüler über bestimmte Ereignisse einseitig informiert bzw. indoktriniert werden. Auch der Bildungsminister muss sich trotz seiner unmissverständlichen Abgrenzung zu OLME die Frage gefallen lassen, warum sein Ministerium kein Disziplinarverfahren wegen gezielter Indoktrination von Kindern und Jugendlichen einleitete. Wurde der Erfolg dieser Aktion eher als gering eingeschätzt oder wurden heftige Reaktionen seitens des linken Spektrums befürchtet?
Jedenfalls gibt es noch keine offiziellen Berichte zur tatsächlichen Resonanz des Appells von OLME an den griechischen Schulen. Gab es Lehrerinnen und Lehrer, die am 6. November (oder davor) das OLME-Narrativ während des Unterrichts verbreiteten? Zum Antisemitismus an griechischen Schulen wissen wir ohnehin sehr wenig. Es gibt zum Beispiel keine unabhängige Meldestelle, an die sich Lehrer und Schüler wenden könnten. Die Ankündigung eines Aktionsplans für die Bekämpfung des Antisemitismus an Schulen zeugt jedoch davon, dass dem Minister das Problem bewusst ist.
Bisher kaum Widerspruch
Diese drei Beispiele verdeutlichen, dass die Kommunistische Partei, die im Parlament aktuell mit einundzwanzig Abgeordneten vertreten ist, nach dem antisemitischen Pogrom vom 7. Oktober in einem Land sehr aktiv geworden ist, das mit Israel seit 2010 in mehreren Bereichen (Energie, Sicherheit, Wirtschaft sowie Kultur) eng kooperiert.
Laut neuesten Umfragen würde die Partei 10,5 Prozent erringen und liegt entweder an vierter oder sogar gleichauf mit der Syriza-Partei von Stefanos Kasselakis an dritter Stelle. Die Kommunistische Partei profitiert zunehmend von der aktuellen Spaltung der Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und dominiert die pro-palästinensische Demonstrationen in Griechenland, bei denen antiwestliche, antiamerikanische und antisemitische Ressentiments offen zutage treten. Abbildungen des israelischen Premiers und der israelischen Fahne werden angezündet oder, wie auf der Kundgebung am 5. November, Karten von Israel in den Farben der palästinensischen Flagge gezeigt.
Im Rahmen der Kundgebung zum Gedenken an den Aufstand der Studenten am Polytechnio von Athen im November 1973, die in nicht wenigen Fällen zu einer pro-palästinensischen Demonstration ausartete, verursachte eine Gruppe materielle Schäden am Eingangsbereich eines in israelischem Besitz stehenden Hotels im Zentrum von Athen. Sie hinterließ zudem den Schriftzug »Sabotiert die israelischen Investitionen«.
Eine lokale Tageszeitung in der Hafenstadt Volos berichtete außerdem von mindestens vier Markierungen in den Eingangsbereichen von Wohnhäusern und Bürogebäuden. Dabei wurde der Davidstern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt. Die Täter versuchten offenbar, jüdische Einwohner sowie die Zeitungsredaktion, die über diese Vorfälle ausführlich berichtete, in Angst zu versetzen. Die griechische Polizei scheint bei solchen Vorfällen überfordert zu sein. Die Regierung und die Gesellschaft haben es bisher verabsäumt, entschieden und lautstark Widerspruch einzulegen.