Ein ägyptisches Gericht erklärt das Land des ältesten christlichen Klosters der Welt zum Staatseigentum. Griechenland protestiert, die Mönche fürchten um ihr geistliches Erbe.
»Ägypten enteignet das Katharinenkloster auf dem Berg Sinai nach fünfzehn Jahrhunderten der Autonomie«, titelte die katholisch geprägte Publikation Omnes Ende Mai. Wie konnte es dazu kommen? Das Katharinenkloster gilt als das älteste noch bewohnte christliche Kloster der Welt. Im 6. Jahrhundert von Kaiser Justinian gegründet, ist es somit rund drei Jahrhunderte älter als das ebenfalls christlich-orthodoxe Athos-Kloster in Griechenland.
Dem aktuellen Konflikt ging ein jahrelanger Rechtsstreit um das Eigentum am Land rund um das Kloster voran. Nun hat ein ägyptisches Gericht entschieden: Die Kirche habe zwar das Nutzungsrecht für das Kloster, das Land aber gehöre dem ägyptischen Staat. Der Richterspruch hat in Athen für politische Verstimmung gesorgt. Die Mönche am Sinai befürchten die Beschlagnahme des Klosters und ihre Vertreibung.
1.500 Jahre Klosterkultur
Die Anlage wurde in der Spätantike als Klosterfestung errichtet – die Mönche am Sinai waren Überfällen von Beduinen ausgesetzt und mussten daher geschützt werden. Bereits im 4. Jahrhundert wurde an diesem Ort der Dornbusch verehrt, in dem laut Bibel Gott Moses erschien und ihn beauftragte, die Israeliten aus Ägypten zu befreien. Belegt wird dies unter anderem durch den Bericht der spanischen Pilgerin Egeria, die Ende des 4. Jahrhunderts die Sinaihalbinsel bereiste.
In frühbyzantinischen Quellen wird das Kloster als »Dornbusch-Kloster« bezeichnet. Erst seit dem 14. Jahrhundert ist der Name »Katharinenkloster« bezeugt, benannt nach Katharina von Alexandria. Die Klosterbibliothek gilt aufgrund ihrer rund 4.500 Manuskripte nach jener des Vatikans als zweitwichtigste Bibliothek der Welt. Im Jahr 2002 wurde das Kloster in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen.
Auch die Umgebung des Klosters beherbergt bedeutende Orte der biblischen Erzählung. So liegt das Kloster am Fuß des 2.285 Meter hohen Mosesbergs (Dschebel Musa), auf dessen Gipfel Gott Moses die Tafeln mit den Zehn Geboten übergeben haben soll.
Aufregung in Athen
Griechenland hat traditionell eine starke Beziehung zum griechisch-orthodoxen Kloster. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das Urteil des ägyptischen Gerichts in Griechenland einen Sturm der Entrüstung auslöste. »Ich will und kann nicht glauben, dass Hellenismus und Orthodoxie eine weitere historische Eroberung erleben«, kommentierte der Erzbischof von Athen Ieronymos und erinnerte damit an die osmanische Einnahme Konstantinopels im Jahr 1453.
Die politische Debatte ließ nicht lange auf sich warten. Wie das Magazin Zenith berichtete, warf die Opposition der Regierung außenpolitisches Versagen vor und erklärte die Klosterfrage zur nationalen Angelegenheit.
Der kirchenpolitische Konflikt um das Katharinenkloster ist mittlerweile zu einem bilateralen zwischen Griechenland und Ägypten eskaliert. Im Kern der Auseinandersetzung geht es um die Frage, wem das Land und die historischen Gebäude des Klosters gehören. Die nun seitens des ägyptischen Staates in Bedrängnis geratene Klostergemeinschaft verweist auf eine anderthalbtausendjährige Tradition. Die Crux dieser Argumentation bestehe darin, dass das angeführte Gewohnheitsrecht offenbar im Katasteramt der Arabischen Republik Ägypten nicht dokumentiert ist, so Zenith.
Gerüchte, wonach Ägypten eine Enteignung und Schließung des Klosters plane, kursierten bereits vergangenes Jahr. Konkret geht es um 71 Ländereien, die dem Kloster gehören. 25 davon befinden sich in abgelegener Lage und sind unbewohnt. Diese sollen nun dem ägyptischen Staat übertragen werden.
Wie der ORF berichtete, dementierte das Außenamt in Kairo Spekulationen, wonach das Kloster im Kontext eines staatlichen Tourismusprojekts in ein Museum umgewandelt werden soll. Die religiöse Nutzung durch die dort lebenden griechisch-orthodoxen Mönche sei nicht gefährdet. Auch ein offizielles Kommuniqué aus dem ägyptischen Präsidialamt bestätigte die Nutzungsrechte der rund zwanzig Mönche an Kloster und heiligen Stätten, stellte jedoch klar: Das Eigentum verbleibt beim ägyptischen Staat – deutlicher konnte man die Enteignung nicht formulieren.
Touristisches Mega-Projekt
Hintergrund des Streits ist Ägyptens Plan, die Gegend rund um das Kloster touristisch zu erschließen. Mit dem beliebten Badeort Sharm El-Sheikh als Ausgangspunkt soll dadurch der Tourismus innerhalb der Sinaihalbinsel angekurbelt werden.
Wie die taz meldete, sollen in der Umgebung des Klosters tausend Hotelzimmer und Ferienwohnungen nicht nur für Gläubige und Pilger, sondern auch für Menschen auf der Suche nach Natur entstehen. Eine Million Menschen jährlich soll das staatliche geförderte Great Transfiguration Project anlocken und die Region in ein Tourismusziel verwandeln – inklusive Berghotels und Seilbahnen, einem touristischen Basar, Einkaufszentren und dem Ausbau des internationalen Flughafens Saint Catherine.
Für das Kloster und das Leben der Mönche würde das einen tiefen Einschnitt bedeuten. Auch bei der UNESCO ließ das Mega-Projekt bereits 2023 die Alarmglocken schrillen. Die Organisation forderte Kairo auf, eine umfassende Folgenabschätzung des Projekts durchzuführen: Die Umgebung des Klosters gehöre zu seinem universellen Wert; jede Zerstörung der Landschaft gefährde das gesamte Welterbe.
Anfang Juni führten die Außenminister von Ägypten und Griechenland in Kairo diplomatische Gespräche. Dabei wurden Unterschiede zwischen den Positionen der beiden Länder hinsichtlich der Frage der Eigentumsrechte für das Kloster und umliegende Gebiete deutlich. Gleichzeitig versicherten die Außenminister Giorgos Gerapetritis und Badr Abdelatty, die guten Beziehungen der beiden Staaten nicht gefährden zu wollen, womit sie auf die regelmäßig betonte strategische Partnerschaft zwischen Griechenland und Ägypten anspielten. Der Kern der Auseinandersetzung – die Frage nach dem Landeigentum – ist damit freilich noch lange nicht geklärt.