Golfstaaten setzen in Corona-Krise auf totale elektronische Überwachung

Je autoritärer ein Regime, desto mehr Desinfektionsmittel kommen auf die Straße

Angesichts der Covid-19-Pandemie werden viele schon in normalen Zeiten autoritäre Regimes in der arabischen Welt noch repressiver. Während Algerien letzten Mittwoch ein neues Zensurgesetz erließ, mit dem jeder, der vermeintliche „Falschnachrichten“ verbreitet, mit langer Haft bestraft werden kann, setzen einige Golfstaaten den Schwerpunkt auf ein Höchstmaß an elektronischer Überwachung.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) etwa muss jeder Einwohner seit Anfang. April eine elektronische Genehmigung beantragen, ehe er das Haus verlässt. Dafür hat die Regierung eine neue Website eingerichtet. Das Ziel der Maßnahme ist nicht etwa bloß, wie in anderen Ländern, ein social distancing. Es geht erklärtermaßen vor allem darum, die Straßen der Emirate möglichst frei zu halten, damit sie rund um die Uhr (!) desinfiziert werden können. (Man erkennt in der Covid-19-Krise weltweit ein Muster: Je autoritärer ein Regime, desto mehr Desinfektionsmittel kommen auf die Straße.)

Eine solche Genehmigung gibt es nur mit einem anerkannten Grund. Ein solcher liegt dann vor, wenn eine Person in einem wichtigen Sektor der Wirtschaft arbeitet (welche das sind, ist einer Liste zu entnehmen) oder das Verlassen des Hauses einem der drei folgenden Zwecke dient:

  • Lebensmitteleinkauf (nur jeweils eine Person eines Haushalts darf dafür aus dem Haus)
  • Gang zum Arzt oder zur Apotheke
  • oder ein Covid-19-Test.

Allseitige Überwachung: mit Radargeräten …

Auf dem Weg zum Arbeitsplatz und zurück dürfen keine Umwege gefahren werden. Überwacht wird die Ausgangssperre nicht nur von Polizeipatrouillen, sondern auch von den allgegenwärtigen Radargeräten: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben eines der dichtesten Netze von stationären Geräten zur Geschwindigkeitsüberwachung der Welt. Wo sonst geblitzt wird, wer schneller fährt als erlaubt, wird nun ein Foto von jedem Fahrer gemacht.

Ende März war den Autofahrern in den Emiraten diese vorher nicht angekündigte Maßnahme aufgefallen: Sie beschwerten sich, dass sie geblitzt worden waren, obwohl sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hatten. Da erfuhren sie, dass dies nicht etwa eine Fehlfunktion der Geräte ist, sondern dazu dient, den Behörden ein vollständiges Bild davon zu geben, wer auf der Straße mit dem Auto unterwegs ist.

Diejenigen, die in wichtigen Sektoren arbeiten, müssen nicht jeden Tag eine elektronische Genehmigung beantragen. Sie sind stattdessen angewiesen, sich vom Arbeitgeber eine Bescheinigung ausstellen zu lassen. Muss jemand in einem medizinischen Notfall dringend zum Arzt oder zur Apotheke, ist auch dieser Notfall nachzuweisen, etwa über eine entsprechende Rechnung.

… oder elektronischen Armbändern

Ebenfalls Anfang April hat das rund 150 Kilometer weiter nordwestlich gelegene Königreich Bahrain ein elektronisches Armband mit GPS eingeführt, das Personen, die unter Quarantäne gestellt sind, zu tragen haben. Die Armbänder, die gemeinsam mit der Coronavirus-Kontaktverfolgungs-App des Landes namens „BeAware“ eingesetzt werden, wurden entwickelt, um eine staatliche Überwachungsstation auf „verdächtige Aktivitäten“ aufmerksam zu machen.

Betroffene Personen, die das elektronische Armband tragen, müssen jederzeit über Bluetooth mit der App verbunden sein. Das GPS muss aktiviert sein, um Bewegungen verfolgen zu können, damit die Träger ihren Standort nicht verlassen. Dieser Standort wird einmalig eingegeben.

Um zu überprüfen, ob das Armband auch wirklich getragen wird, schicken Beamte der Überwachungsstation nach dem Zufallsprinzip Bildanfragen, auf die die in Quarantäne befindliche Person mit einem Foto antworten muss, das ihr Gesicht und ihr Armband deutlich zeigt. Eine Warnung wird auch an die Überwachungsstation gesendet, sobald sich der Träger weiter als 15 Meter von seinem Telefon entfernt befindet.

Nach Angaben der Bahrain Information & eGovernment Authority (iGA) werden Verstöße mit Strafen von mindestens drei Monaten Gefängnis und/oder einer Geldstrafe zwischen 1.000 Bahrain-Dinar (2.450 Euro) und 10.000 Bahrain-Dinar (24.500 Euro) geahndet. Ebenfalls bestraft werden Versuche, das Armband zu entfernen oder zu manipulieren. Auch das Emirat Kuwait hat angekündigt, ein solches Armband einzuführen. In Kuwait sollen zunächst Rückkehrer aus dem Ausland während der Dauer ihrer Quarantäne es tragen müssen.

In einer Erklärung sagte der Chef von Bahrains Überwachungsbehörde iGA, Mohammed Ali Al Qaed, „BeAware“ sei „ein Beispiel dafür ist, wie Bahrain Technologien einsetzt, um das Wohlergehen von Bürgern und Einwohnern zu gewährleisten“. Das Armband unterstütze das Gesundheitsministeriums bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe und dabei, „die Sorgen der Bevölkerung um die Volksgesundheit während der globalen Pandemie auszuräumen“.

Die leeren Straßen in den Vereinigten Arabischen Emiraten führen unterdessen zu kuriosen Bildern: Wo in Dubai sonst Autos fahren, laufen nun Gazellen.

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