Der vor Kurzem in Brüssel stattgefunden habende Golf-Europa-Gipfel war von Differenzen über Russland und dessen Ukrainekrieg geprägt, was den Erfolg des Treffens schmälerte.
In der gemeinsamen Erklärung zum Abschluss des Gipfels wurde die Aufnahme eines strategischen Dialogs zur Erleichterung von Handel und Investitionen zwischen den Golfstaaten und Europa sowie die Fortsetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Blöcken festgelegt. In der Erklärung heißt es, dass sich die beiden Parteien »zu ihrer strategischen Partnerschaft bekennen, sich verpflichten, diese auf eine höhere Ebene zu heben und die Partnerschaft auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und Vertrauens errichten werden«.
Durch diese Partnerschaft wollen die beiden Blöcke daran arbeiten, die globale und regionale Sicherheit und den Wohlstand zu verbessern, die Entstehung und Eskalation von Konflikten verhindern und zur Lösung von Krisen durch die Verbesserung des Dialogs, der Koordination und der Partizipation beitragen.
Allerdings erfüllte der Gipfel nicht die Erwartung der Europäer, die Golfstaaten würden die EU gegen Russland und den Iran unterstützen. Die Golfstaaten hielten an ihrer Position fest, die Resolutionen der UN-Generalversammlung und die Souveränität der Staaten als relevant zu betrachten, wie es vage in der Erklärung heißt. Dass sie in Folge keine deutliche Verurteilung der russischen Invasion enthielt, führte zu dem absurd anmutenden Ergebnis, dass unter Berufung auf die Souveränität der Staaten die Verletzung der territorialen Integrität und der Ukraine unbeanstandet blieb.
Auch in Bezug auf den Iran finden sich in der gemeinsamen Erklärung nur vorsichtige Formulierungen und die Forderung eines Dialogs mit Teheran sowie eine friedliche Lösung für dessen Atomprogramm.
Kompromissformeln
Quellen aus der Europäischen Union und dem Golf-Kooperationsrat (GCC) berichteten der arabischen Abteilung der Deutschen Welle, die Verhandlungen über die gemeinsame Erklärung sei in den Wochen vor dem Gipfel schwierig gewesen, da Europa auf eine eindeutigere Sprache bestand, mit der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt wird. Der Golf-Kooperationsrat wiederum habe, so hieß es weiter, ursprünglich gar keine direkte Bezugnahme auf Russland im Text gewollt.
Letztendlich einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss, indem sie dieselbe Formulierung wie in der Resolution der UN-Generalversammlung von 2022 verwendeten: »Wir verurteilen die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine auf das Schärfste.«
In Bezug auf den Iran bestätigten EU-Diplomaten gegenüber der Deutschen Welle, dass die Golfstaaten eine kritische Sprache vermeiden wollten. Eine Quelle des Golf-Kooperationsrats erklärte gegenüber dem deutschen Radiosender diesbezüglich: »Was den Iran betrifft, ist die Lage sehr ernst und heikel. Die GCC-Länder gehen mit dem Iran auf diplomatischem Wege um, und das ist der einzige Weg nach vorne.«
Der ehemalige Chefredakteur der in den USA ansässigen Zeitung Al-Haqiqa und Kolumnist für die saudischen Zeitungen Asharq Al-Awsat und Independent Arabia, Emile Amin, meinte, der Gipfel spiegle den Wunsch Europas wider, sich stärker in der Region zu engagieren: »Mit Blick auf Europa kann man sagen, dass es einen tiefen Wunsch gibt, neue Freunde zu suchen und seine Präsenz zu stärken, wenn es darum geht, internationale Unterstützung zu mobilisieren, um Russland zu isolieren«, schrieb er in einem Artikel für Asharq Al-Awsat. »Erwähnenswert ist in dem Zusammenhang, dass die arabische Golfregion an der Schnittstelle zwischen Asien, Europa und Afrika liegt und eine sehr wichtige Rolle in vielen der Krisen spielt, die wir heute erleben.«
Durchbruch oder nicht?
Die Mitarbeiterin des ägyptischen Zentrums für Gedanken und Strategische Studien, Al-Shaimaa Arafat, kam zu dem Schluss, die Dominanz politischer Krisen über das Umfeld und den Kontext, in dem der Gipfel stattfand, habe dazu geführt, dass es auf wirtschaftlicher Ebene zu keinem Durchbruch kam, »insbesondere was die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens oder Fortschritte bei der Abschaffung von Visa zwischen den beiden Seiten oder das Erzielen wichtiger Abkommen oder Kooperationsprotokolle in Energiefragen betrifft«.
In einem von ihrem Institut veröffentlichten Papier fuhr sie fort, dass es einen spürbaren Rückgang bei der Erwähnung von Menschenrechtsfragen gebe, »was eine Veränderung im Narrativ der Europäischen Union und ihren Wunsch widerspiegelt, näher an die von den Golfstaaten angeführt Mittelmächte heranzurücken«.
Die emiratische Forscherin am Future Center for Advanced Research and Studies Amal Abdullah Al-Haddabi ist der Ansicht, dass die positiven Entwicklungen in den Beziehungen zwischen den Golfstaaten und Europa in den letzten Jahren und der erste historische Gipfel in Brüssel den Wunsch und den politischen Willen beider Seiten widerspiegeln, ihre Beziehungen auszubauen und sie in Zukunft in weitere Bahnen zu lenken.
Auch wenn sich die entstehende Dynamik noch in einem frühen Stadium befinde, könne der Europa-Golf-Gipfel als Beginn einer neuen Phase in den Beziehungen zwischen den beiden Parteien betrachtet werden. »Das wird sich zwangsläufig nicht nur auf beide Parteien, sondern auch auf alle regionalen und internationalen Fragen positiv auswirken.«