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Islam und Frauenrechte, geht das?

Islam und Frauenrechte, geht das?„Sieben Jahre, nachdem die ersten Proteste in Tunesien den sogenannten Arabischen Frühling anstießen und schließlich den langjährigen Diktator des Landes stürzten, sorgt das Land erneut für Inspiration und Verärgerung. Wie? Indem es sich an etwas zu schaffen macht, das zu ändern noch schwieriger ist als der Sturz eines Diktators auf Lebenszeit: An den muslimischen Gesetzen und Tabus im Ehe- und Erbrecht. Es wird davon ausgegangen, dass Präsident Beji Caid Essebsi sein Versprechen vom vergangenen Jahr, aus Tunesien das erste muslimische Land zu machen, in dem Männer und Frauen das gleiche Erbrecht genießen, im Februar umsetzt. Das muslimische Erbrecht sieht traditionell vor, dass Männer zweimal so viel erhalten wie Frauen.  Letztes Jahr hob Essebsi auch das Verbot auf, das Musliminnen die Eheschließung mit Nichtmuslimen untersagte. In den meisten mehrheitlich muslimischen Ländern dürfen Muslime zwar jüdische oder christliche Frauen, Musliminnen aber nur Muslime heiraten. (…)

Tunesien hat also nicht nur Revolutionen gegen Diktatoren in anderen Ländern inspiriert, es ist auch ein regionaler Vorreiter, wenn es um Frauenrechte geht. Seit der Revolution hat es die Geschlechterparität bei Wahllisten vorgeschrieben und verfügt nun über die fortschrittlichste Verfassung unter seinen Nachbarländern.

Gegner reden gerne von einem ‚staatlich angeordneten Feminismus’ oder behaupten, bei der Forderung nach Frauenrechten handele es lediglich um ein ‚Ablenkungsmanöver’. Dabei übersehen sie jedoch, dass das Parlament, dessen Frauenanteil bei einem Drittel liegt und damit höher als in den Vereinigten Staaten, Kanada und dem Vereinigten Königreich ist, letztes Jahr ein umfassendes Gesetz gegen häusliche Gewalt verabschiedet hat, das Frauen vor sexueller Belästigung und wirtschaftlicher Diskriminierung schützt. Das Gesetz schloss auch ein Schlupfloch im Strafgesetzbuch, dass Vergewaltigern Straffreiheit garantierte, wenn sie ihr Opfer heirateten. Kurz darauf schlossen auch Jordanien und der Libanon ähnlich Schlupflöcher. Marokko hatte sein ‚Heirate-deinen-Vergewaltiger’-Gesetz nach dem Selbstmord einer 16jährigen und dem Selbstmordersuch einer 15jährigen, die beide gezwungen worden waren, ihre Vergewaltiger zu heiraten, bereits 2014 abgeschafft. In allen drei Ländern hatten Frauenrechtsaktivistinnen seit langem die Abschaffen der ‚Heirate-deinen-Vergewaltiger’-Gesetze gefordert.

Die tunesische Entscheidung, Frauen die Gleichberechtigung beim Ehe- und Erbrecht zu gewähren, ist von revolutionärer Bedeutung nicht nur für tunesische Frauen sondern ebenso für Musliminnen überall. So können Revolutionen, die sich anfangs gegen die Diktatoren in den Präsidentenpalästen richten, sich dahin entwickeln, dass sie sich auch gegen die Diktatoren, mit denen Frauen in den Straßen, und jene, mit denen sie zu Hause konfrontiert sind, richten. Die Gleichstellung tunesischer Frauen im Ehe- und Erbrecht stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Demontage des Dreigestirns der Frauenfeindschaft [von Staat, Straße und Heim] in unserer Region dar.“ (Mona Eltawahy: „Seven years after the ‚Arab Spring,‘ Tunisia is leading another revolution – on women’s rights“)

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