Von Thomas Eppinger

Haben Sie diese Woche ähnliche Nachrichten gelesen? Nein? Nun, das liegt daran, dass sie gar nicht erschienen sind. Zwar wurden am Montag nach Angaben der Hamas tatsächlich zwei Palästinenser in einem Schmuggler-Tunnel aus Gaza durch Giftgas getötet und mehrere verletzt. Aber nicht von Israel, sondern von Ägypten. Und das ist keine Meldung wert. Und schon gar keine Reaktion der UNO. Aber der Reihe nach.
Nach Angaben des von der Hamas geführten Innenministeriums in Gaza sind vergangenen Montag zwei Palästinenser in einem Schmugglertunnel zwischen dem Gazastreifen und der Sinai-Halbinsel ums Leben gekommen, nachdem ägyptische Truppen giftiges Gas in den Tunnel gepumpt hatten. Wie die Jerusalem Post berichtete, habe sich der 39-jährige Hamas-Offizier Abdul Hamid al-Aker auf einer „Sicherheitsmission zur Inspektion des Tunnels“ befunden, und der 28-jährige Sobhi Abu Qarshin sei während eines Rettungsversuchs gestorben. Weitere Sicherheitskräfte seien von zivilen Rettungskräften geborgen und ins Krankenhaus gebracht worden, ihr Zustand sei stabil.
Es ist nicht das erste Mal, das die Hamas Ägypten vorwirft, Gas gegen Schmuggler einzusetzen. 2010 meldete die FAZ, dass vier Palästinenser getötet und sechs weitere schwer verletzt worden seien, als ägyptische Sicherheitskräfte ein giftiges Gasgemisch in den Tunnel geleitet und angezündet hätten. Zuletzt sind im Februar 2017 drei Palästinenser unter ähnlichen Umständen ums Leben gekommen wie am Montag. Die Männer seien getötet worden, nachdem das ägyptische Militär giftiges Gas in einen Tunnel pumpte, den sie repariert hatten, nachdem er von den Ägyptern gesprengt worden war, berichtet die Jerusalem Post im oben zitierten Artikel.
Seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi geht Ägypten besonders kompromisslos gegen die geschätzt 1800 Tunnel von Gaza in den Sinai vor, durch die von Waffen bis Autos alles geschmuggelt wird, was in Gaza Geld bringt. Die Tunnel werden mit Meerwasser oder Abwässern geflutet, auf der ägyptischen Seite von Rafah wurden hunderte Häuser zerstört, um die Zugänge zu beseitigen.
Auch im Kampf gegen Terrortunnel gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wie akut ist die Bedrohung, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Angriff Zivilisten ums Leben kommen, sind die eingesetzten Mittel angemessen? Fragen, denen sich die israelischen Streitkräfte bei jedem Einsatz stellen müssen. Fragen, die Ägypten niemand stellt.
Terrortunnel gegen Israel

Trotzdem flutet Israel keine Tunnel oder setzt gar Giftgas ein. Wenn Tunnel gesprengt werden, wird vor der Sprengung geprüft, ob der Tunnel leer ist. Zuletzt ging man dazu über, die Tunnel mit Zement zu verschließen – eine teure und komplizierte Methode, aber eine, die weitgehend ausschließt, dass Menschen dabei zu Schaden kommen.
Giftgas ist weltweit geächtet. Man stelle sich nur einen Augenblick lang die Reaktionen vor, hätte nicht Ägypten Gas eingesetzt, sondern Israel. Weltweit würden Menschenrechtsorganisationen gegen Israel demonstrieren. Überall würden Muslime auf die Straßen gehen und „Israel Terrorist“ skandieren. Die UNO würde tagen, Untersuchungskommissionen einsetzen und Israel im Menschenrechtsrat verurteilen. Die Zeitungen würden überquellen vor Schlagzeilen, die dieses unverhältnismäßige Vorgehen anprangern. Das deutsche Feuilleton würde vor Empörung beben und fragen, was die Juden eigentlich aus dem Holocaust gelernt hätten.
Aber es war Ägypten. Keine Schlagzeilen. Keine Proteste. Keine UN-Resolution. Kein Aufschrei der Empörung. Nichts. Tote Palästinenser kümmern die Welt nur, wenn sie durch Israel ums Leben kommen. Manchmal zeigen sich doppelte Standards nicht an dem, was geschieht, sondern an dem, was nicht geschieht.







